Keine vorzeitige Parlamentspause in Marburg
Marburg 27.1.2011 (yb) In der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses ist bereits thematisiert worden, was heute Abend den Ältestenrat zu beschäftigen hat. Im vergangenen Jahr war per Mehrheitsbeschluß festgelegt worden, dass es in Marburg nur im Januar noch eine Sitzung des Stadtparlamentes geben solle. Dies zu verwirklichen würde zwei Monate vorzeitiger Parlamentsferien bedeuten. Sonderurlaub für die Marburger Stadtverordneten, zudem bezahlt? Gibt es in Marburg nichts mehr zu tun für die 59 gewählten Volksvertreter? Zeigt nicht alleine schon die äußerst umfangreiche und zweifellos bei weitem überfüllte, nicht zu sagen überlastete, Tagesordnung, dass jede Menge anliegt und ansteht, keinesfalls alleine und vor allem wegen des aktuellen Falles von Veruntreuung?
Es gibt viel zu tun – und wer packt es an?
Die gegebene Situation muss jeden Wahlberechtigten ebenso befremden, wie eigentlich Jede und Jeden der gewählten Marburger Volksvertreter. Oder ist es notwendig zu vergenwärtigen, dass in der Universitätsstadt jede Menge anliegt? Es finden Ausschusssitzungen statt. Vorher hat Mandatsträger Vorlagen, Bebauungsplanentwürfe, alleine 26 Anträge der verschiedenen Fraktion, zur morgigen Sitzung zu lesen – und zu bedenken. Dazu gibt es Gespräche, solche mit Bürgern, solche in den Fraktionen, Gespräche zwischen den Fraktionen, etwa um gemeinsame Anträge abzustimmen und auf den Weg zu bringen. Zudem gibt es weiteres Geschehen, wie die anschauungsreiche Podiumsdiskussion der Bürgerinititative Stadtautobahn. Alleine diese Veranstaltung hat spielend zwei Stunden gefüllt, zur Frage nach Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Stadautobahn. Zu eben diesem Thema liegt dem Marburger Parlament ebenfalls ein Antrag vor. Soll dieser etwa in zehn Minuten „abgefrühstückt“ werden?
Eine geradezu befremdliche Situation in Sachen Demokratie vor Ort
Der Rückblick auf 2010 vergegenwärtigt, dass es eine große und gewachsene Zahl von Veranstaltungen zur Bürgerbeteiligung gegeben hat. Ob Campus Firmanei, Stadtautobahn, Lahnberge, Afföller, Rudolphsplatz oder Universitätsstraße, es waren viele Themen vorzustellen. Die Menschen in Marburg haben dankbar davon Gebrauch gemacht. Das war und ist zweifellos ein Fortschritt im Sinne von Bürgerbeteiligung. In den vielen Bürgerveranstaltungen hat sich zugleich ausgedrückt, dass es sehr viel zu bedenken, zu informieren, dann abzuwägen und schließlich zu entscheiden gibt. Ist das mit dem Jahr 2010 alles erledigt worden? Mit welchen Argumenten glaubt denn eigentlich noch ein Stadtverordneter – unabhängig von seiner Fraktionzughörigkeit – der jetzigen Beschlußlage vorzeitiger „Parlamentsferien“ folgen zu können, ja zu dürfen?
Die gewählte Stadtverordnetenversammlung ist bestens eingearbeitet
Nach den Kommunalwahlen wird die konstituierende Sitzung im April weitgehend dafür benötigt neue Arbeitsfähigkeit mit den dann neu und mit personellen Veränderungen gewählten Stadtverodneten eben als Stadtverordnetenversammlung herzustellen. So müssen etwa die Ausschüsse und deren Vorsitzende konstituiert werden. Danach, also im Mai, kann es erst losgehen und von heute betrachtet weitergehen. Demnach stünde, bliebe es bei der beschlossenen Marburger Parlamentspause, jetzt eine Zeit von drei Monaten ins Haus, in der keine ordentliche Parlamentsarbeit stattfinden kann. Der Magistrat allein im Haus. So würde zudem die in zahlreichen Sitzungen der gewählten Volksvertreter entwickelte und ausgebaute Qualifikation vorzeitig aufgegeben und vernichtet. Jetzt hat Marburg ein arbeitsfähiges Stadtparlament. Und jetzt wird genau die weitere Arbeit dieses bestens eingespielten Vertretungs- und Kontrollorganes gebraucht.
Bis 21.00 Uhr Aussprache, dann Abstimmungen und nachgeholter Empfang?
Ein Blick auf die Tagesordnung ist hier hilfreich. Na klar, ist die auch deswegen so überladen, weil gedacht wurde es komme die letzte Sitzung. Gedacht und beschlossen und wurde zu einer anderen Zeit unter bestimmten Gesichtspunkten. Doch bekanntlich ändern sich Zeiten. Und mitunter gibt es gute Gründe neu und erneut zu denken. Dazu muss sicherlich veranlassen das Geschehen und Vorkommnis des gravierenden Falles von Veruntreuung. In der Sache gibt es einen Antrag von Oppositionsparteien mit Fragen. Das ist gut so und entspricht dem Auftrag des Parlaments, der Fraktionen und der konkreten Antragssteller. Es wird sich zeigen, was an gesicherten Informationen und Aussagen bereits mitteilbar ist.
Doch es ist keinesfalls alleine dieser Antrag, das dahinter liegende Geschehen samt Aufklärungspflicht und -interesse, welches Weiterarbeit und weitere Sitzung(en) des Stadtparlaments notwendig und unabweisbar machen.
Überall in dieser Republik sind Politikverdrossenheit, Demokratiedefizite und mangelnde Bürgerbeteiligung in aller Munde.
In Marburg wird sich am morgigen Freitag zeigen, wie ernst sich das gewählte Parlament als erstes und wichtigstes Demokratieorgan mit seinen (verdammt) vielen Aufgaben nimmt. Die Stadtverordneten haben es in der Hand. Viele von ihen kandidieren erneut und wollen am 27. März wiedergewählt werden.
Es ist spannend in Marburg.