Veruntreuungsfall erschüttert Stadtverwaltung Marburg
Marburg 12.1.2011 (yb) Im Rahmen einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz informierte Oberbürgermeister Egon Vaupel über einen gravierenden Fall von Veruntreuung durch einen langjährigen Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Geschädigt wurde die Stadt Marburg um einen „hohen Betrag“ wie OB Vaupel mitteilte, jedoch nicht genauer bezifferte. Inzwischen sei die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Mit Wirkung vom gestrigen Tag ist der Mitarbeiter vom Dienst suspendiert worden. Nachdem er gestern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung informiert habe, sei es ihm nun Anliegen im Rahmen der „Pressekonferenz, die ich mir lieber erspart hätte“ über diesen gravierenden Fall von Veruntreuung von Steuergeldern in Marburg die Öffentlichkeit zu informieren, sagte Vaupel, der zugleich Kämmerer der Stadt Marburg ist.
Mitarbeiter mißbrauchte Vertrauensstellung zur Beihilfebearbeitung
Wie der Oberbürgermeister berichtete, liegt dem schweren Fall von Veruntreuung öfffentlicher Gelder in Marburgs Rathaus eine besondere Konstellation zu Grunde. Der Mitarbeiter war seit 1990 tätig das Beihilfewesen für die Mitarbeiter/innen der Stadtverwaltung im Beamtenstatus abzuwickeln. Dabei geht es um die besondere Art der Abrechnung von Gesundheitskosten von Beamten auf dem Wege der Erstattung durch den Dienstherrn. Notwendigerweise sind damit sehr sensible Daten, wie Arztrechnungen von Beschäftigten und deren Angehörigen, zu bearbeiten, also einzusehen, zu saldieren, um dann Geldanweisungen zu Lasten der Stadtkasse zu erstellen.
Zielkonflikt zwischen Vertrauensschutz persönlicher Daten und Kontrolle
Aus Gründen des Datenschutzes und Vertrauensschutzes im hochsensiblen Bereich war in Marburg nur eine Person, eben der nunmehr suspendierte Mitarbeiter, damit betraut. In der Abwicklung kommt dabei ein EDV-System zum Einsatz, an dessen Ende ein Datenträger mit zu leistenden Zahlungen seitens der Stadtkasse weitergegeben wird. Darin dürfen nun genau die Rechnungen, sowie medizinische Veranlassungen, nicht mehr enthalten sein. Dies wurde dann zur Schwachstelle, die der Mitarbeiter ausgenutzt hat, um Zahlungen zu seinen Gunsten zu erwirken.
Nur die Anweisung als Gesamtsumme von Zahlungen wurde nach dem Vier-Augen-Prinzip durch einen weiteren Mitarbeiter kontrolliert. Zur Anwendung kam also ein System mit notwendigen Lücken, im Zielkonflikt zwischen Kontrolle und Diskretion und unbedingtem Vertrauensschutz personenbezogener medizinischer Datern.
Abwicklung zukünftig durch Kommunale Versorgungskasse in Kassel
Der Oberbürgmeister berichtete im Rahmen seiner mit der Staatsanwaltschaft abgestimmten Erklärung weiter, dass die Aufgaben der Beihilfeabrechnung und Leistungserstattung für die etwa 100 Bediensteten und Ruheständler der Stadt Marburg zukünftig durch die Kommunale Versorgungskasse Kassel erledigt werden. Diese Einrichtung sei mit sofortiger Wirkung damit beauftragt worden und damit das Aufgabengebiet aus der Stadtverwaltung auslagert.
Staatsanwaltschaft, Schadenssichtung und Haftprüfungstermin
Der sichtlich betroffene Egon Vaupel, in dessen Dezernat und und Fachdienst Zentrale Dienste der suspendierte Mitarbeiter beschäftigt war, berichtete im Rahmen einer mit der Staatsanwaltschaft abgestimmten Erklärung weiter, dass nun die Staatswaltschaft in der Sache tätig geworden sei und kriminalpolizeiliche Ermittlung bevorstünden. Die präzise finanzielle Höhe des Schadens war noch nicht in Erfahrung zu bringen. Im Jahr 2010 waren von der Stadt Marburg insgesamt 610.000 Euro Beihilfeleistungen finanziell zu erstatten. In 1995 sind es noch 500.000 Euro gewesen. Zur Ermittlung der Schadenshöhe sei auch das städtische Rechnungsprüfungsamt tätig geworden, sagte Vaupel.
Am Nachmittag fand zudem ein Haftprüfungstermin mit dem Suspendierten statt. Dessen Ergebnis lag noch nicht vor.
Nachtrag 13.1.2011 Nach Aussagen der Staatsanwaltschaft soll sich die Schadenshöhe auf 650.000 Euro belaufen. Der suspendierte Mitarbeiter der Stadtverwaltung Marburg sei in der Sache geständig, heißt es weiter.
Hintergrundinformation: Untreue im deutschen Strafrecht
Im Strafgesetzbuch findet sich der Tatbestand der Untreue beschrieben und definiert. Zugleich werden die Sanktionen, in Abhängigket von der finanziellen Schadenshöhe, festgelegt.
§ 153 Untreue
(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich mißbraucht und dadurch dem anderen einen Vermögensnachteil zufügt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
(2) Wer durch die Tat einen 2 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wer einen 40 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.