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Oberhessische Zeitungsenten – oder von Fehlern in der Berichterstattung

Zeitungsständer in der Fußgängerzone mit zwei Marburger Tageszeitungen im Juli 2010 (Foto Hartwig Bambey)

Marburg 26.2.2011 (yb) Pressefreiheit ist wichtig und elementarer Bestandteil unseres politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Systems. Das Wort leitet sich ab von der „Preßfreiheit“ zum Druck von Zeitungen, früher noch auf einer Druckerpresse. Erscheinungsformen von Pressefreiheit erleben Zeitungsleser allenthalben.
Dazu gehört es, dass auch Falschmeldungen, verfälschende Meldungen und falsche Interpretationen veröffentlicht werden. Offensichtliche Falschmeldungen werden gerne als Zeitungsenten bezeichnet. Sie kommen vor, werden manchmal korrigiert, manchmal nicht. Wenn sich falsche, unzutreffende und verfälschende Berichterstattung häuft, wird das zum Problem.
Zeitungsenten kann man nicht einfach flattern lassen. Das geht schon gar nicht, wenn es um ernsthafte Themen geht, wie um den Akteneinsichtsausschuss in Marburg.
Dass zuletzt, gestern, in der Tageszeitung zu lesen war die nächste Sitzung dieses Ausschusses am Mittwoch, 2. März, beginne um 19.00 Uhr, mag Leser noch tolerieren. Die Uhrzeit ist falsch, die Sitzung beginnt um 17.00 Uhr.

Am Tag vorher, Donnerstag, 24. Februar, wurde in der Marburger Tageszeitung von einem in der Sitzung nicht anwesend gewesenen Journalisten folgendes berichtet: „Der Akteneinsichtsausschuss tagte erneut, zum ersten Mal nicht mehr unter dem Vorsitz von Marianne Wölk (SPD).“ Das war nun wirklich eine Zeitungsente. Der Ausschuss hat getagt, das ist zutreffend. Jedoch fand diese Sitzung bereits zum zweiten Mal unter Leitung der stellvertretenden Vorsitzenden Gerlinde Schwebel (FDP) statt. Das ist die Wahrheit, einfacher gesagt die Tatsache, hatte doch die vormalige Ausschussvorsitzende Marianne Wölk (SPD) in der ersten Sitzung entschuldigtermaßen nicht teilgenommen. Darüber hatte dieselbe Marburger Tageszeitung berichtet, war auch redaktionell vertreten gewesen.

Wenn es dabei nur geblieben wäre

Leser mag dies für Feinheiten halten und mit Nachsicht damit umgehen. Zugleich gibt sich dieselbe Tageszeitung höchst beflissen aufklärerisch. Sie veröffentlicht alles mögliche, darunter Spekulationen, Verdächtigungen, Vermutungen und eigene Berechnungen zur Schadenhöhe im zu Grunde liegenden Veruntreuungsfall. Das ist geschützt von der Pressefreiheit. Doch wer sich als Aufklärer im Veruntreuungsfall profilieren will, sollte präzise, faktengestützt vor allem jedoch fehlerfrei berichten. So steigerte sich die Entenproduktion in dieser Tageszeitung am Freitag ins Unerträgliche.

Neue Software soll Unregelmäßigkeiten aufdecken“ war als Überschrift am 25.2.2011 zu lesen. Nun gut eine Überschrift ist allgemein, vergröbernd, soll Interesse wecken. Doch das war ein richtig schräger Vogel, eine Ente gleich in der Überschrift. Der Schreiber war diesmal kein Angehöriger der Redaktion, vielmehr ein freier Journalist. Von der Redaktion war niemand anwesend in der Sitzung.

Im Text findet sich dann zu lesen: „Fehlinger versicherte, dass derzeit eine neue Software installiert werde, die in einem interen Kontrollsystem Unregelmäßigkeiten aufdecken könne. Das war mit der bisherigen Ausstattung nicht möglich.“

Falsche Information wird zur Desinformation

Diese Aussagen sind nicht nur Falschinformation, also unzutreffend. Es handelt sich geradezu schon um Desinformation. Denn damit wird zugleich der völlig falsche Eindruck erweckt, dass Software, ein Computerprogramm, genüge und überhaupt in der Lage sein könne, dergestalt versteckte Untreuehandlungen, wie sie in Marburg begangen worden sind, zu erkennnen.
Der Schreiber hat sich offenbar nicht die Mühe gemacht den längst veröffentlichten Bericht zu lesen. Das macht Arbeit, ist jedoch unerlässliche Voraussetzung um das Geschehen in der Ausschusssitzung verstehen zu können. Das genau zeigte die Sitzung und offenbarte sich in zahlreichen Verständnisfragen der Ausschussmitglieder.

Heinrich Fehlinger, der Leiter des Rechnungsprüfungsamtes der Stadt Marburg, hatte ausdrücklich erläutert, dass es keinen Hersteller und schon gar keine Software gibt, mit denen das spezifische Geschehen hätte erkannt werden können. Dies bestätigte Fehlinger, zugleich Verfasser des vorläufigen Berichts zum Untreuegeschehen, zudem auf ausdrückliche Nachfrage der Redaktion.

Es verhält sich tatsächlich also genau anders als der Bericht samt Überschrift in der Tageszeitung den Lesern in falscher Weise berichtet. Viele Faktoren haben zusammengewirkt und wurden ausgenutzt um falsche Abrechnungen und unberechtigte Auszahlungen zu veranlassen. Deren Zusammenwirken machte das Geschehene möglich, hatte Fehlinger ausdrücklich mitgeteilt. Da wird eine einzelne Software wenig dran ändern können. Selbst wenn dies in beinahe suggestiver und irreführender Weise in der Überschrift auftaucht, und Lesern nahegelegt werden soll. Diese Falschinformation des Berichtes in der OP vom 25.2.2011 als Ente zu bezeichnen, wäre eher verharmlosend. Wenn, wäre es geradezu ein ganzer Schwarm von Zeitungsenten.

Ein Berichterstatter macht die Zeitung nicht alleine

Eigentlich wäre es das. Bedenklich und gravierend genug, jedenfalls in einem Blatt, welches sich seit Wochen als Aufklärungsmedium in dieser Sache geriert.

  • Welche Folgen hat das Gedruckte und Geschehene?
  • Gibt es eine Korrekturmeldung?

Fehlanzeige. Offenbar hat die in Sachen Veruntreuung ach so kritische Redaktion, auch deren Chefredakteur, diesen kapitalen Fehler noch nicht bemerkt. Dem kann und soll hiermit abgeholfen werden.

Seriöses Arbeiten hätte bereits erforderlich gemacht, den übermittelten Bericht des freien Journalisten zu überprüfen, bevor er in Druck gehen konnte. Dies ist offenbar unterblieben, weshalb die Redaktion als Ganzes eine ebensolche Verantwortung trägt. So bleibt es zu artikulieren, dass manchen Zeitungen es offenbar sehr angelegen ist, Fehler und Probleme Anderer groß rauszubringen. Dass dabei genau selbst Fehler gemacht werden, ist offenbar wurscht.

So ist das mit der Pressefreiheit und Zeitungsenten. Seinen Reim kann sich Jede(r) selbst draus machen – und gebührende Vorsicht walten lassen, beim manchem, was es in Marburg in der Zeitung zu lesen gibt.

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