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Stiftungskapital und Anlagestrategien – Volatilität und Hochschulbau

Marburg 9.5.2011 (yb) Der Weg nach oben ist beschwerlich. Mensch hat die Wahl zwischen steilem Anstieg auf vielbenutzten rund geschliffenen Standsteinpflasterweg oder kann eine noch steilerer Treppe wählen. Oben angekommen, geht der Blick weithin über die alte und junge Universitätsstadt und das sich nach Süden öffnende Lahntal. Aus dem ummauerten imposanten Innenhof geht es über eine Spindeltreppe auf Sandstein zwei Etagen steil hinauf. Ein langer Gang führt zu den Büroräumen, in denen die von Behring-Röntgen-Stiftung mit der Postanschrift Schloß 1 ihren Sitz genommen hat. Weit über Lahntal und Universitätsstadt Marburg bietet sich dem Präsidenten der Stiftung, Prof. Joachim-Felix Leonhard, ein gutes Panorama.

Es ist ein Ort und Arbeitsplatz mit Perspektiven. Bis zum knapp 30 Kilometer entfernten Gießen reicht der Blick freilich nicht. Die Förderung von Forschung und Lehre der Hochschulmedizin an der dortigen Justus-Liebig-Universität gehört zum Auftrag der von-Behring-Röntgen-Stiftung, wie die Unterstützung des universitären Medizinernachwuchses an der hiesigen Philipps-Universität. Nach Fusion und Verkauf/Privatisierung der beiden Universitätsklinika seitens des Landes Hessen an die Rhön-Klinikum AG wurden 100 Millionen Euro aus dem Erlös als Stiftungskapital eingebracht. Aus diesem Finanzstock und den damit realisierbaren Zinseinnahmen hat die von-Behring-Röntgen-Stiftung ihre Aufgaben zu erfüllen.

Mit Sitz im vormaligen Marburger Landgrafenschloß findet sich die von Behring-Röntgen-Stiftung natürlich auch in Gestalt einer Internetpräsenz.

In den Zeiten nach der Finanzmarktkrise 2008 macht der führere Bibliotheksdirektor und vormalige Staatssekretär Leonhard sich inzwischen öffentlich nachlesbar Gedanken für zukünftige Anlagestrategien des von ihm zu verwaltenden Stiftungsvermögens. Diese Zeiten nach der Finanzkrise sind keine einfache Bank für institutionelle Anleger und Investoren. Eingebettet in Satzung und Zweckbestimmung der Stiftung als Einrichtung bürgerlichen Rechts, mit Kuratorium und Vorstand an der Seite, soll der Präsident zunächst einmal Nutzen stiften und maximieren. So viel Nutzen wie möglich, versteht sich. 100 Millionen Euro sind ein stattliches Kapital. Wenn bloß diese niedrigen Zinsen nicht wären. Zwei Prozent per annum markieren dato längst die Grenze, die nach oben versteht sich. Dass griechische, spanische oder irische Staatsanleihen längst keine sichere und damit für die Stiftung mögliche Anlage mehr darstellen, lässt sich jeden Tag der nicht alleine der Wirtschaftspresse entnehmen.

„Wachsende Volatilität der Märkte“ nennt Prof. Leonhard ganz in der Börsen- und Finanzsprache das, was ihn umtreibt. So wie er einen öffentlichen Auftrag zur Erzielung von (Zins-)Einnahmen zu erfüllen sucht, gibt es schließlich viele, ungezählte und andere institutionelle Anleger von Kapital. Kapital ist genug da, eigentlich sogar zu viel, um damit einfach ordentliche Renditen erzielen zu können. Als selbstverständlich ausgeschlossen bezeichnet es Leonhard, sich jeweils mit Teilen oder Tranchen der 100 Millionen Euro in spekulative Gefilde zu begeben. Damit scheiden Rohstoffterminbörsen von vorne herein aus. Der aktuell heftige Absturz des Silberpreises belegt zudem, wie volatil und hochspekulativ diese Gefilde des kapitalistischen Kapitalmarktes sich darstellen.

Gewissermaßen am anderen Ende der Skala der Volatilität befinden sich die konservativen Anlagestrategien, die Risiken vermeiden wollen und müssen. Dort findet sich gemäß Satzungsauftrag, ganz auf der sicheren Seite, auch Prof. Leonhard mit der Anlage der 100 Millionen Stiftungskapital. Konsequenz daraus sind dann leider recht niedrige Erträge aus einem zunächst stattlichen Stiftungskapital. Das treibt den Präsidenten hoch oben im Schloß um. An seinem Arbeitsplatz mit Panoramablick geht ihm durch den Kopf, wie er den Nutzen, sprich jährlichen Ertrag, mehren könnte.

In einem Aufsatz des Professors ist es nachlesbar, im Marburger Express und in der Marburger Lokalzeitung wurde es angerissen – der Präsident der von Behring-Röntgen-Stiftung sucht neue Wege, besser andere Anlagemöglichkeiten für 100 Millionen Euro, oder jedenfalls stattliche Teile dieses Stiftungskapitals. In anderer Wortwahl lässt sich sagen Präsident Leonhard sucht die Exzellenz bei der Kapitalanlage, die von der von Behring-Röntgenstiftung in der medizinischen Forschung und Lehre in Mittelhessen gefördert wird. Dazu geht Leonhard in die Öffentlichkeit, publiziert seine Überlegungen und sucht letztlich Unterstützung. Das ist gar nicht so einfach, wie sich inzwischen zeigt.

Umschlag der Zeitschrift

In einem Aufsatz liest sich das folgendermaßen: „Für die Von Behring-Röntgen-Stiftung denkbar wäre die Investition von Teilen des Stiftungskapitals beispielsweise in den Bau von Forschungs- oder Lehrgebäuden für Hochschulen, vorzugsweise in Mittelhessen. Auch die rasche Errichtung von Wohnraum für Studierende kann eine Möglichkeit in dem geannten Zusammenhang sein.“ (F-J.Leonhard: Der Kreis schließt sich Privatisierung kann Mehrwert schaffen, in Stiftung&Sponsoring 6/2010.) Quod scripsi, scripsi, oder damit war es in der Welt, in deutsch gesagt. Nein ein Testballon sei das nicht, beantwortete Prof. Leonhard die diesbezügliche Frage. Es gebe doch nun einmal eindeutigen Finanzierungsbedarf, ob Hochschulbau oder Wohnraum für Studierende. Und ihm sei angelegen mit dem Stiftungskapital zugleich in Mittelhessen Nutzen zu stiften, wie eine sichere – meint nach seinen Äußerungen für 20 Jahre abgesicherte – Kapitalanlage zu platzieren.

Die öffentliche Hand als Nutzer bei Hochschulgebäuden würde solche Sicherheit zweifelsohne bieten. Wenn, ja wenn es da nicht Vorbehalte geben würde. Solche Vorbehalte äußerte auf Befragen die Marburger Universitätspräsidentin Prof. Katharina Krause (siehe den gesonderten Beitrag dazu). Die Uni-Präsidentin macht etwa als Einwand geltend, dass derartige Finanzierung Hochschulbauten verteuern müssen, mithin letztlich Etats belasten und einschränken und damit zu Lasten der sonstigen Hochschule und Leistungen für Studierenden gehen würden. Was durch ordentliche Zinseinnahmen bei der Stiftung eingehe und der Medizinförderung zu Gute kommen könne, müsse vom Land als Hochschulträger aufgebracht werden und wirke sich, kostensteigernd und bei sehr knappen Finanzressourcen, auf der anderen Seite leistungsmindernd aus.

Diesen Einwand teilt Leonhard nicht ohne weiteres, verweist auf den Finanzierungsbedarf des Landes über den Kapitalmarkt. Dabei übersieht er die gerade per Plebiszit zur Verfasssungsvorschrift gemachte Schuldenbremse. Wird diese eingehalten, verbietet sich zukünftig auch Hochschulbau auf Pump. Zudem übersieht oder unterschätzt der Präsident der von Behring-Röntgen-Stiftung, das immanente Politikum seiner Gedanken.

Das zentrale Hörsaalgebäude mit Audimax am Fuße des Marburger Altstadt- und Schloßberges wird derzeit gerade mit Millionenaufwand saniert und energetisch modernisiert. Die Fianzierung fußt wesentlich auf Mitteln aktueller Konjunkturstützungsprogramme und zugleich nicht auf Mitteln der ordentlichen und langfristigen, geplanten Hochschulbaufianzierung. (Foto Hartwig Bambey)

Da ist zum einen die Herkunft des Kapitals als Veräußerungseinnahme aus einer Hochschulprivatisierung. Nichts anderes war schließlich der Verkauf der beiden Unikliniken Gießen und Marburg. Zum anderen gibt es HEUREKA als Hessisches Hochschulbauprogramm. Außerdem gibt es den vom Land verordneten Hochschulpakt, der den Hessischen Universitäten schmerzliche Einsparungen abverlangt.

Von mittel- oder gar langfristig gesicherter Finanzplanung und darauf aufsetzender Investitions- und Bauplanung kann damit keine Rede sein. In solchem Kontext muss das Auftauchen von vermeintlichen Finanzierungsmöglichkeiten aus Stiftungskapital zumindest aufhorchen lassen und bildungspolitische Irritationen hervorrufen – zumal in einem sehr angespannten Verhältnis zwischen Hochschulen(n) und Landesregierung. Soll, kann oder will Stiftungskapital die Pflichten des Landes in der Hochschulbau-Finanzierung substituieren? Diese Frage muss in den Sinn kommen.
Dann bleibt der Wohnungsbau, bevorzugt für Studierende. Dazu ließen sich in Marburg ohne weiteres mehrere Hundert Wohneinheiten denken. Bei sehr angespannten und zudem hochpreisig überteuerter Wohnungslage in Marburg, wäre sicher Raum für viele neue Wohnungen. Wo zudem in den kommenden Jahren weiter starker Zustrom von Studierenden nach Marburg prognostiziert wird. Doch hier gibt es einen Pferdefuß. Der Präsident möchte wohl finanzieren, jedoch nicht etwa Wohnanlagen oder Wohnheime betreiben. Dies müssten dann andere tun, der Stiftung zugleich jedoch für bis zu 20 Jahre Mieteinnahmen resp. gute Verzinsung  garantieren. Das Wort mindestens findet sich diesbezüglich in dem Aufsatz Leonhards.Wenn der nach Ertragsexzellenz strebende Stiftungspräsident mal nicht den Markt aus dem Auge verloren hat, konkret den Finanzmarkt. Würden sich tatsächlich solch attraktiven, meint zinsstärkeren, Erträge erwirtschaften lassen, zudem gesichert über 20 Jahre, müssten Marburg,  Gießen mit ähnlichen Studentenzahlen, längst einen Bauboom im Bereich studentischen Wohnens erleben.

Die Volatilität der Märkte, gestützt auf freies Investorenkapital, würde dann genau das hervorbringen, was der Präsident der von Behring-Röntgen-Stiftung denkt – zwecks Mehrwert schaffen mit öffentlichem Stiftungskapital – in Gang setzen zu können.
ÖPP hat Felix-Joachim Leonhard dazu noch als Akronym auf der Zunge. „Dies wäre eigentlich ÖPP statt PPP“ sagt er und meint damit Öffentlich-Private-Partnerschaft statt vor Zeiten in Mode gekommener Public-Private-Partnership. Schließlich verwaltet die Stiftung Gelder und Kapital in öffentlichem Eigentum.

Nach dem Gespräch in seinem Arbeitszimmer mit Blick über Marburg und das Lahntal gen Süden sagt Professor Leonhard im Gehen, dass die Frage zu seinen Gedanken als Testballon vielleicht doch nicht so ganz von ihm verneint werden könne. So wird man sehen, wohin denn der Ballon fliegen und wo er landen wird. Ob beim Kurotorium der Stiftung, bei den Hochschulleitungen, beim zuständigen Ministerium oder in abseitigen Gefilden.

Blick aus dem Marburger Schloß über das Lahntal nach Süden. (Foto Hartwig Bambey)

Einen Rundumblick hat man auch aus dem veritablen Dienstzimmer des Stiftungspräsidenten nicht. Der Blick reicht Richtung Osten und Süden, wo in weiter Verlängerung von Gießen dann das Rhein-Main-Gebiet kommt und sich die Landeshauptstadt Wiesbaden findet.
Als Fußgänger hinauf zum Marburger Landgrafenschloß, oder als Stiftungsanleger auf dem Weg zu ertragsstarker und abgesicherter Kapitalanlage – der Weg nach oben ist beschwerlich.

—> Aussagen Unipräsidentin Prof. Krause zur Hochschul-Baufinanzierung

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