Kommt eine Platzgestaltung in der Biegenstraße oder kommt es zu einer Hainanpflanzung ?
Marburg 8.11.2012 (yb) Der erste Tagesordnungspunkt der gestrigen Sitzung des Gestaltungsbeirats lautete ‚Freiflächengestaltung AudiMax/Stadthalle in der Biegenstraße‘. Damit ist zu einem denkbar frühen Zeitpunkt – noch vor Beginn der Bauarbeiten am Gebäude der Stadthalle – ein öffentlicher Diskurs zum Anliegen und den Möglichkeiten der Gestaltung der öffentlichen Freiräume in diesem Bereich eingeleitet worden. Das ist zu begrüßen. Zugleich erwiesen sich die Vorstellungen und Entwürfe des damit beauftragen Landschaftsarchitekten als wenig durchdacht, völlig ‚grünlastig‘ und der Aufgabenstellung nicht gemäß. Die Beauftragung dieses Landschaftsarchitekten muss fragwürdig erscheinen und wirft zugleich die Frage auf, warum man für diesen zentralen Ort in Marburg nicht einen Städtebauarchitekten beauftragt? Damit könnte die Chance entstehen, diesen zentralen Stadtraum inmitten der Universitätsstadt als Schnittstelle öffentlich-kultureller Nutzung zu begreifen und gestalterisch zu formulieren. Das, was jedenfalls der junge Mann gestern vorgelegt hat, wird der Aufgabenstellung und den Möglichkeiten für einen großzügigen erlebbaren Stadtraum am Fuß der Oberstadt nicht annähernd gerecht.
Im Umfeld der Elisabethkirche wird sichtbar, obwohl baulich noch gar nicht abgeschlossen, wie ein ernsthafter Umgang mit Stadtraum als gestaltetes Verhältnis von Bauwerken und Freiflächen gelingen kann. Eine entsprechend anspruchsvolle Aufgabe stellt sich im Bereich der Biegenstraße zwischen Hörsaalgebäude, Stadthalle und Ernst von Hülsen-Haus. Tausende Menschen, ob Studierende und Schüler, Bewohner als Passanten, Besucher oder Kulturtouristen begegnen sich dort an jedem Tag. Immerhin begreift die Stadt es bereits als Chance dieses von markanten Gebäuden umstandene Areal durch Umgestaltung zu einem Platz mit Aufenthaltsqualität auszubilden. Dass dies freilich gar nichts mit einem ‚Ruheraum‘ zu tun haben kann und wird, wie von dem Landschaftsplaner angedacht, brachte Prof. Hubert Locher als ortskundiges Mitglied des Gestaltungsbeirats zum Ausdruck. Wer in der Stadtmitte einen Ruheraum sucht, findet nur 100 Meter entfernt den Alten Botanischen Garten.
Es wird so sein, dass im Moment noch gar nicht alle Bestimmungsmerkmale für die funktionalen Anforderungen für diesen Bereich vorliegen. So wurde etwa die in der Diskussion befindliche Frage des Baus eines Parkhauses unter der Erde in Verbindung zur Stadthalle überhaut nicht thematisiert. Immerhin ist ein Rückbau der Biegenstraße von drei auf zwei Fahrspuren angedacht. Doch eine übergeordnete Verkehrsplanung liegt nicht vor. Insofern kann es derzeit nur um die Eröffnung des Nachdenkens gehen, was genau seitens der Stadt gewollt ist.
Doch können Diskussionen nur dann zielführend werden, wenn über angemessene Zielformulierungen gesprochen wird. Der Marburger Stadtraum ist kein Pflanzbeet und keine Baumschule. So konnte man mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen, dass für die Aufgabe der Platzgestaltung in der Biegenstraße offenbar ein Landschaftsplaner mit fragwürdiger Kompetenz ausgewählt worden ist. Wie in der gestrigen Sitzung des Gestaltungsbeirats mehrfach seitens der teilnehmenden Bürger (Gerhard Haberle) artikuliert wurde, stellt sich bei verschiedenen Projekten die Frage nach Auslobung eines Architektenwettbewerbs. Ähnlich dem Wettbewerbsverfahren für den Rudolphsplatz könnte seitens der Stadt ein städtebaulicher Architektenwettbewerb auch für diesen Bereich ins Auge gefasst werden.
Damit ist gestern die Eröffnung der Diskussion geleistet worden. Zutreffend ist darin einbezogen der Beirat für Stadtgestaltung. Doch ähnlich wie in dem später ebenfalls verhandelten Thema Bebauung des jetzigen Brauereiparkplatzes seitens der Universität, sind für den Bereich zwischen Stadthalle und Hörsaalgebäude eine Menge Fragen und Ungereimtheiten überdeutlich geworden.
Es zeigt sich einmal mehr, dass sowohl die Stadt Marburg wie die Philipps-Universität in hohem Maße gefordert sind und bleiben, wenn es angesichts der Fülle der Baumaßnahmen mit stadtbildverändernder Eigenart gelingen soll zukunftsweisende Lösungen zu entwickeln und zu verwirklichen. Bisher gibt es nicht wenige Anzeichen wachsender Überforderung. Die schiere Menge der Projekte ist dabei ein bedrohlicher Berg.