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Marburger Universitätsentwicklung vor dem Debakel – Hunderte Millionen fehlen für Campusvorhaben

Marburg 28.11.2012 (yb) Später einmal wird niemand sagen können, es habe keine Informationen und Veranstaltungen über all das gegeben, was Universität und Stadt Marburg nachhaltig verändern und transformieren will und soll. Heute Abend waren annähernd 200 Interessierte in das Hörsaalgebäude gekommen, um Neues zu erfahren. Sie wurden nur teilweise enttäuscht. In vier Kurzreferate aufgeteilt, gab es zunächst viele Allgemeinplätze über den Stand Planungen im Angesicht der begonnenen Abrissarbeiten am Ort der zukünftigen Unibibliothek. Raphael Krückmann als verantwortlicher Projektleiter vom Hessischen Baumanagement langweilte anstatt zu informieren – zudem in kaum verstehbarer Sprechweise – mit technischen Ablaufinformationen. Er benannte Ende 2013 als Zeitpunkt, ab dem die Baugrube für das Großprojekt ausgehoben werden soll.

Als später Wolfgang Schuch (ADFC) von Projektleiter Krückmann wissen wollte, ob es denn nun endlich Klarheit über die Zahl der Fahrradparkplätze auf dem Gelände der zukünftigen Universitätsbibliothek gäbe, wurde er, wie schon bei einer Informationsveranstaltung im Januar, abschlägig beschieden. Keine Zahl. Im Unterschied dazu war zumindest ein Terminhinweis konkret. Am 26. Januar 2013 soll es einen ganztätigen Workshop zum Thema ‚Verkehrsentwicklung in der Nordstadt‘ geben.

Joachim Haak von der Bauverwaltung der Universität gab im zweiten Kurzreferat des Abends einen Überblick zum derzeitigen unfertigen Stand der Planungen bezüglich der (Um-)Nutzung von Gebäuden im vormaligen Klinikviertel, das bekanntlich zum Campus Firmanei umgeformt werden soll. Dabei berichtete er, dass das Gebäude der früheren Augenklinik nunmehr für Nutzungen durch naturwissenschaftliche Fachbereiche, darunter die Pharmazie, umgebaut werden soll. Derzeit sei man mit diesbezüglichen Vorplanungen beschäftigt, um damit die Grundlagen für Bedarfsanmeldungen für Wiesbaden zu schaffen. Bei Haak war keine Rede von weiterem Umzug auf die Lahnberge.

Als dritter Referent informierte Architekt Friedrich Bär zunächst über die städtebaulichen Umgebungsbedingungen am Pilgrimstein für den geplanten Neubau Deutscher Sprachatlas auf dem jetzigen Brauereiparkplatz. Danach gab er Einblick in die Planungen zur Gebäudestruktur und Raumaufteilung des dreieckigen lang gezogenen Baukörpers.

Für das Bauamt der Stadt informierte Reinhold Kulle über den Stand der Dinge zum Baurecht. Dafür sind zwei Bebauungspläne (B-Pläne) in Arbeit. Für den Bereich der Bibliothek soll der überhaupt erst Rechtsgrundlagen für neue Bebauung schaffende B-Plan im Februar 2013 dem Stadtparlament zur Verabschiedung vorgelegt werden.

Nahe zum Hörsaalgebäude am Pilgrimstein soll auf dem jetzigen Parkplatz auf dem vormaligen Brauereigelände das Gebäude für den Deutschen Sprachatlas entstehen. Daneben sieht die irreführend als ‚Bebauungsplan Deutscher Sprachatlas‘ bezeichnete Rahmenplanung ein Baufeld für einen weiteren, viel größeren Baukörper vor. Spekulativ gehandelt wird derzeit dafür ein Neubau für die Juristen. Doch Klarheit, gar Planungsicherheit gibt es dafür keine. ->Für Großdarstellung anklicken

Für den Brauereiparkplatz soll der diesbezügliche B-Plan im Herbst 2013 verabschiedet werden. Dabei leistet man sich eine Blankoplanung im Bereich des jetzigen ‚Brauereiparkplatzes‘ direkt unterhalb vom Parkhaus Pilgrimstein.

Um dies zu kaschieren, hat der Bebauungsplan einen verkürzenden und irreführenden Namen erhalten. Er heißt offiziell ‚Bebauungsplan Deutscher Sprachatlas‘. Doch er umschließt ein größeres Gebiet, das den jetzigen Parkplatz vollständig einbezieht und sieht ein zweites, deutlich größeres Baufeld vor.

Zutreffend ist alleine, dass es einen Bebauungsplan für den Deutschen Spracatlas braucht. Es mag sein, dass die Universitäts-leitung auf diese weitere Fläche schielt und diese bebauen möchte. Doch städtebaulich

Gebiet ‚B-Plan Deutscher Sprachatlas‘. ->Für Großdarstellung anklicken

würde damit eine enorme Verdichtung und Überlastung passieren.

Ob diese beengte Fläche zudem für die Juristen oder einen anderen Fachbereich eine gute Lösung und geigneten Standort bringen kann, soll hier als Frage und Zweifel deutlich artikuliert werden. In jedem Fall kann der B-Plan diesbezüglich als deutlicher Etikettenschwindel bezeichnet werden. Er schafft Baurecht für viel mehr Bebauung als lediglich den Deutschen Sprachatlas. Daran wird später niemand mehr rütteln können. Darin genau liegt die Absicht dieser gewollten weitgehenden Lizenz zum Bauen, die zugleich Etikettenschwindel betreibt.

Der Universität fehlen Hunderte Millionen

Es wurde dann im Rahmen von Fragen aus dem Publikum Aufgabe von Unipräsidentin Krause unmißverständlich eine entscheidende Grundinformation weiter zu geben: Das Geld wird auf keinen Fall reichen. Im Rahmen des Landesprogramms HEUREKA mit einer Laufzeit bis 2019 seien für Marburg lediglich 440 Millionen Euro eingeplant. Dazu kämem weitere 42 Millionen für Baumaßnahmen. Doch mit den beiden Großbaumaßnahmen – Chemie auf den Lahnbergen und neue Universitätsbibliothek im Campus Firmanei, beide mehr als 100 Millionen Bausumme – seien bereits zu viele Mittel gebunden, sagte Krause.

Als jemand nach dem Zeitpunkt des Umzugs der Physik auf die Lahnberge fragte, musste die Unipräsidentin ‚die Hose runter lassen‘. Daran sei derzeit keinesfalls zu denken, sagte sie. „Mehr als die beiden begonnenen Großprojekte können nicht finanziert werden“ sagte sie. „Es ist kein Geld mehr da, um noch einen Umzug einer großen Naturwissenschaft auf die Lahnberge bezahlen zu können.“

Dies wurde noch anschaulicher als auf den gegebenen Verbleib der Pharmazie und der vorklinischen Medizin im Lahntal verwiesen wurde. Das waren keine gänzlich neuen Informationen. Ausdruck dafür sind die derzeitigen Vorplanungen für die Umnutzung des Gebäudes der Augenklinik in der Robert-Koch-Straße. Dorthin sollen Bereiche des Fachbereichs Pharmazie umziehen, nachdem mit erheblichen Investitionen umgebaut, modernisiert und ausgestattet worden ist.

Die Campusplanung ist obsolet – Improvisation als Heilmittel

Damit ist die schöne Campusplanung für die Lahnberge und die Firmanei obsolet. Sie ist Makulatur, kann nur in Teilen und als Stückwerk verwirklicht werden. Bereits vor längerer Zeit hatte Marburgs Unipräsidentin diesbezüglich von 800 Millionen Euro gesprochen, die es mindesten für die Verwirklichung der nunmehr aufgeflogenen Planungen zweier Standorte für die Uni brauchen würde. Im Hörsaalgebäude konnte sie nicht einmal 500 Millionen Euro als Verfügungsmasse benennen. So etwas kann man getrost als ein riesiges Loch bezeichnen. Die Philipps-Universität steht vor einer eklatanten Unterfinanzierung ihrer vielbeschriebenen baulichen Zukunft.

Der Abend hat nicht viel Neues zu den angeprochenen Projekten erbracht. Doch wer zuhörte, musste vernehmen, dass riesige Finanzlücken und als Folge davon längst Stückwerk das Handeln der Akteure in Marburg bestimmt. Würden ansonsten Millionen in die Umnutzung der Augenklinik gesteckt – für naturwissenschaftliche Nutzungen?

Zugleich hat man nicht genug Raum für die Geisteswissenschaftler im gewollten Campus Firmanei. Man braucht also weiter die Türme am Krummbogen. An Stelle grundständiger Planung und Umsetzung wird ein Umzug von Naturwissenschaftlern unten im Lahntal vorbereitet. An die Stelle von großräumiger Universitätsplanung und -entwicklung wird ‚klein klein‘ getreten.

Es ist nicht so lange her, da hieß es noch die Naturwissenschaften kommen auf die Lahnberge. Das ist auf lange Zeit vorbei und seriös nicht mehr absehbar.
Die überhaupt erst werden sollenden Campus Firmenei und Campus Lahnberge in Marburg sind eben nicht der Campus Westend. Letzterer findet sich in Frankfurt und dessen Ausbau kam vorher, finanziert aus dem HEUREKA-Programm.

 

 

 

 

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