Muntere Marburger Stadtverordnete mit vielen Themen und Aufgaben – Antrag zur ‚Vergangenheitsaufklärung‘ führt zu Eklat
Marburg 24.5.2013 (yb) Die heutige Stadtverordnetensitzung bei sonnigem Wetter hat ihren Anfang in gelöster Stimmung genommen. In der ‚Aktuellen Stunde‘ wurden 19 Fragen von Stadtverordneten beantwortet. Angefangen mit dem schwierigen Thema nächtliche Lärmbelästigung in der Oberstadt, zum Verkauf von ‚Halalfleisch‘ (Schächtfleisch) bis hin zur neuen Strandbar an der Lahn, nahe an der Bahnhofstraße/Elisabethbrücke, der Vila-Vita-Gastronomie lagen Fragen vor, die vom Magistrat beantwortet wurden.
Als erster regulärer Tagesordnungspunkt kommt als Thema Kauf des Sportgeländes des VFB Marburg durch die Stadt Marburg als Maßnahme zur Abwendung einer Insolvenz des Vereins. Es liegt dazu ein Antrag der Fraktion Marburger Linke vor:
Die Stadtverordnetenversammlung wird gebeten, folgenden Beschluss zu fassen:
1. Die Stadt Marburg macht von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch und erwirbt das Grundstück des VfB 1905 Marburg an der Gisselberger Straße.
2. Der Magistrat trifft in Absprache mit den öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften die notwendigen Vorkehrungen, damit auf dem Gelände an der Gisselberger Straße Wohnungen im Sinne des sozialen Wohnungsbaus errichtet werden können.
3. Als Ersatz für die wegfallende Spielfläche an der Gisselberger Straße wird in Abstimmung mit den Marburger Vereinen ein weiterer Kunstrasenplatz realisiert.
Zuvor wird unter Hinweis auf gegebene Abläufe und Verfahrensschritte darüber informiert, dass der eigentliche Beschluss zum Erwerb durch die Stadt Marburg bereits gefasst worden ist. Insofern findet die beantragte Aussprache vor dem Hintergrund dieser Beschlusslage statt. Neben der äußerst schwierigen und verfahrenen Finanzlage des Vereins, die mit dem städtischen Kauf nur eine bedingte Verbesserung erfährt, sind weitere Aspekte bei diesem Thema wirksam. In der der Stadtverordnetenversammlung vorweg gehenden Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses hatte Oberbürgermeister Egon Vaupel „sozialpolitische und sportpolitische“ Motive benannt, die das städtische Engagement und Handeln bestimmen würden.
Dies klingt auch in ersten Beiträgen der Diskussion an. Es sei die hervorragende Jugendarbeit des VfB Marburg und deren Zukunft, die das städtische Engagement begründe und notwendig mache. Mit dem gewollten Überleben des Vereins würde vor allem dessen gute und wichtige Jugendarbeit geschützt und gestützt. Die Zielstellungen – mehr noch die sich aus Vollzug des Antrags der Fraktion Marburger Linke sich ergebenden Folgen – werden in Frage gestellt. Begründung: ungünstige Folgen für die Stadt Marburg als gewollte und mittlerweile in Vollzug getretene Käuferin.
Zweifel an dem Kauf durch die Stadt Marburg werden gleichwohl artikuliert, inbesondere werden die Chancen des Vereins seine verbleibenden hohen Verbindlichkeiten strukturell abbauen zu können, in Frage gestellt. Im Vorfeld bereits haben verschiedene Stadtverordnete deutliche Zweifel an der Überlebensfähigkeit des Vereins zum Ausdruck gebracht.
In der abschließenden Abstimmung wurde, wie zuvor im Ausschuss, der Punkt 1 des Antrags für erledigt erklärt. Für die Punkte 2 und 3 stimmten die Abgeordneten der Marburger Linke, die anderen Stadtverordneten stimmten dagegen.—>Das Thema wird von das Marburger. später redaktionell berichtet und vertieft.
Einer der nächsten Anträge mit Aussprache ist von den ‚Bürgern für Marburg‘ gestellt:
Die Stadtverordnetenversammlung wird gebeten, folgenden Beschluss zu fassen (Text wie in Vorlage):
1. Der Magistrat wir gebeten, einen Auftrag an die Geschichtswerkstatt Marburg zu erteilen, der darlegen und dokumentieren soll, welchen Einfluss die SED auf die KPD Marburg seit ihrem Einzug ins Stadtparlament 1971 auf dieses und den Magistrat hatte.
2. Des Weiteren sollen die Auswirkungen der SED auf die Zusammensetzung und Arbeit des Marburger Magistrates und die Stadtverordnetenversammlung, insbesondere die Verknüpfung der Mitglieder der Linken zur SED als Rechtsnachfolgerin und dessen Auswirkungen auf die Stadt Marburg erforscht und dokumentiert werden.
Der Antrag wird eingangs von Andrea Suntheim-Pichler (Bürger für Marburg) begründet. Eine Gegenrede kommt von Henning Köster (Fraktion Marburger Linke), der anbietet im Café Vetter der Antragstellerin aus seiner eigenen Vergangenheit inklusive seiner früheren Mitgliedschaft in der DKP (Deutsche Kommunistische Partei) anschaulich zu berichten, was Köster in wenigen Sätzen darzustellen nicht ohne Humor gelingt. Anschließend berichtet Ulrich Severin (SPD) von eigenen Erfahrungen in längst vergangenen Jahren, als es in Marburg die ‚Beschlusslage‘ gab „einem Antrag der DKP auf keinen Fall eine Zustimmung“ zu gewähren. Dies habe zu absurden Verhaltensweisen geführt, etwa in Gestalt eines ‚Folgeantrags‘ wenige Wochen später, in dem ein zuvor von der DKP beantragtes Anliegen (Anbringung eines Geländers an einer Treppe zum Schloss) mit einer anderen antragstellenden Partei beschlossen worden sei. Weitere Stadtverordente geben Stellungnahmen ab, bis zu einem Zwischenruf (beleidigende Äußerung) und Unterbrechtung der Sitzung mit Einberufung des Ältestenrats.
Nach längerer Unterbrechung und Sitzung des Ältestenrats bringt der Stadtverordnetenvorsteher Bedauern zum Ausdruck und verweist unter Beifall vieler Stadtverordneter auf die problematische Wirkung solcher entgleisender Debattenverläufe und dass es wichtig sei, gegenüber Bürgerinnen und der Öffentlichkeit die sachliche Orientierung der parlamentarischen Arbeit zu profilieren.
Danach gibt ein Stadtverordneter der CDU, wie im Ältestenrat verabredet, eine Stellungnahme ab und der zwischenrufende Stadtverordnete aus der Fraktion der SPD entschuldigt sich für seine entgleisende Äußerung und artikuliert eine persönliche Zusatzbemerkung. Danach verlassen die Stadtverordneten der CDU geschlossen die laufende Sitzung.
Der Stadtverordetenvorsteher macht weiter in der Tagesordnung und fordert auf die weiteren Tagesordnungspunkte sachlich zu erledigen, was in wenigen Minuten geleistet wird und die Sitzung vor 20 Uhr beendet wird. Fotografien von Hartwig Bambey
—>Nachbetrachtung zur Stadtverordnetensitzung