Fahrrad- und Skate Demo Marburg brachte radelnde Verkehrsdemonstration auf die Stadtautobahn
Marburg 16.6.2013 (pm/red) Die inzwischen dritte ‚Fahrrad- und SkateDemo‘ in Marburg am 14. Juni 2013 wurde wieder durch den AStA Marburg ausgerichtet. Sie wird als voller und großer Erfolg verbucht. „Trotz der gigantischen Zahl von etwa 300 TeilnehmerInnen, was etwa vier Mal so viele sind wie in den Vorjahren, lief die Demo wie gewohnt sehr konstruktiv-kritisch und absolut friedlich ab“, berichtete Veranstaltungsleiter Torben Schubert, Referent für Ökologie und Mobilität des AStA Marburg. Wie schon in den letzten Jahren bemängelten die Demonstrierenden von Jung bis Alt desolate Zustände bei Radwegen, gefährliche Ampelschaltungen für Fahrradfahrer und permanent überfüllte Stellplätze für Fahrräder.
Durch den vom ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad Club) ausgerichteten ‚Fahrradklimatest‘ sieht man sich bestätigt. Im Februar wurden die Ergebnisse dieser großen Studie zur Radverkehrssituation in Städten in ganz Deutschland veröffentlicht. Marburg landete weit abgeschlagen auf dem 237. Platz von insgesamt 252 Städten mit unter 100.000 Einwohnern.
Zentrales Anliegen Veranstalter war es auf die Grundlagen dieser Missstände zu verweisen. Sie hatten angekündigt und beantragt, im Zuge der Demonstration die Stadtautobahn (B3) als Quelle von Lärm- und Abgasemissionen und zugleich als Symbol für autofixiertes Denken zu befahren. Dieses Anliegen wurde durch das städtische Ordnungsamt abgelehnt. In erster Instanz vor Gericht bestätigte das Verwaltungsgericht in Gießen. In zweiter Instanz revidierte der Verwaltungsgerichtshof in Kassel diese Entscheidung. Dort sprach man dem Anliegen Demonstration das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit zu – selbst wenn dadurch einige Staus und Unannehmlichkeiten für Autofahrende auf der B3 entstehen würden.
In der Begründung des Beschlusses des hessische Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom Morgen des Tages der Demonstration findet sich ausgeführt:
„Im Vergleich zu Straßensperrungen aus anderen Anlässen etwa bei […] sportlichen Veranstaltungen streitet für den Antragsteller [gemeint Torben Schubert] hier zusätzlich das Grundrecht aus Art. 8 GG.“
Besonders während der 15minütigen Passage auf der gesperrten Trasse, machte sich dann euphorische Stimmung breit. Freude über den errungenen juristischen Erfolg erfasste die Teilnehmenden der rollenden Demonstration und wurde verstärkt von ihrem ungewöhnlichen Erlebnis inmitten von Marburg. Zuvor hatten die Demonstranten bei einer Schweigeminute bei der Elisabethkirche Opfern von Einschnitten der Demonstrationsfreiheit weltweit ihr Gedenken gewidmet und besorgt dabei ihre Blicke nach Istanbul und Frankfurt geblickt.
„Hört man hier in Marburg ‚Stadtautobahn‘ und ‚Studierende‘ in einem Satz, erscheinen in den Köpfen von manchen Bilder der Bildungsstreikproteste von 2006. Es macht sich gar Panik vor Krawall breit“, gab ASta-Referent Torben Schubert zu bedenken. „Solche Ängste dürfen nicht über das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit gestellt werden. Es stimmt mich sehr positiv, dass wir heute beweisen konnten, wie entschlossen und friedlich-kreativ Proteste ablaufen können.“
Für rund 15 Minuten war die südliche Fahrtrichtung der B3-Trasse vom Marburger Hauptbahnhof bis zur Abfahrt Marburg Mitte für die Demonstration gesperrt worden, die Gegenfahrbahn nach Norden konnten die Kraftfahrzeuge passieren. Nach Angaben der Polizei gab es einen Rückstau bis zu 5 Kilometer Länge Richtung Norden zu beobachten.
Bezüglich dieser zu erwarten Beeinträchtigung des KFZ-Verkehrs hatte der Verwaltungsgerichtshof in seiner Begründung im Sinne des Anmelders Stellung bezogen: „Sein Anliegen in relativ beschränktem zeitlichen Umfang und lediglich auf einer Teilstrecke seiner Demonstration auch die ‚Stadtautobahn‘ zu benutzen, wird getragen vom Zweck der Demonstration, für eine Änderung der Verkehrspolitik für Marburg zu werben und auf die vom Anmelder empfundene alltägliche Beeinträchtigung durch den Verkehr auf der Stadtautobahn aufmerksam zu machen.“
Vor und nach der Fahrt über die Stadtautobahn gab es in der Innenstadt Kundgebungen, bei denen die Veranstalter zu ihrer gemeinschaftlichen Aktion (vekehrs-)politischen Forderungen zum Ausdruck brachten. Wie in Marburg reagiert und gehandelt wird und vergangene Versäumnisse in der Stadt- und Verkehrsplanung angegangen werden, wird sich zu zeigen haben.
„Das Gefühl der Freiheit, als wir dort über die B3 gefahren sind, war das schönste, was ich in meinen 43 Jahren hier in Marburg erleben durfte“, sagte ein älterer Teilnehmer sichtlich gerührt nach Abschluss des Demonstration.
„Alternative Mobilität macht Spaß, ist kostengünstig, umweltschonend und friedlich – spätestens nach dem heutigen Tag dürften auch bei den größten Skeptikern die Zweifel ausgeräumt sein“, stellte der AStA abschließend fest.
Fotografien Hartwig Bambey © 2013.