viva piazza fridericianum – Stricken, Stricken, Stricken bis zum 8. März

22.12.2024 (yb) Viele, sehr viele 50 x 50 cm große gestrickte oder gehäkelte Decken sollen den Friedrichsplatz am 8. und 9. März bedecken und werden anschließend zu Gunsten des Autonomen Frauenhauses Kassel versteigert.

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Zur Zukunft der Stadtbücherei im Digitalen Zeitalter

Stadtbuecherei140205 (yb) Alle Welt nutzt das Internet und die nach wie vor rasante Entwicklung digitaler Techniken. Dabei wundert man sich beinahe schon nicht mehr über die Technken zur Ausspähung von Bürgern und führenden Politikern. Es artikuliert sich längst und auf breiter Front ein durchgreifender Wandel, der nicht alleine von der Technik geprägt wird. Es findet zugleich ein Kulturwandel statt, der an den Grundlagen unseres Zusammenlebens rüttelt. Während vielerorts Innenstädte veröden, boomt der Onlinehandel, Computerspiele und sogenannte „Soziale Netzwerke“ erheischen wachsende Zuwendung und Bedeutung. Die über fünf Jahrhunderte gewachsende Gutenbergkultur mit dem Buch als Leitmedium ist dabei längst massiv unter Druck geraten. So lohnt eine vertiefende Beschäftigung mit der Stadtbücherei Marburg bezüglich wahrnehmbarer Entwicklungen. Die Inanspruchnahme der Stadtbücherei liegt bei sinkender Zahlen über mehrere Jahre hinweg bei Besuchern und Medienausleihe auf einem hohen Niveau. Das verdeutlichte deren Leiter Diplom Bibliothekar Jürgen Hölzer in einem Gespräch mit der Redaktion. Der Begriff Medienausleihe bringt dabei bereits zum Ausdruck, dass die Stadtbücherei inzwischen mehr anbietet als alleine Bücher. Man hat sich längst für digitale Medien geöffnet und kann bei den Hörbüchern wachsende Ausleihzahlen vorweisen.

Während bei Stadtbibliotheken in den Ausleihzahlen im allgemeinen ein Faktor 3 bis 4 bezogen auf die Gesamtbevölkerung beobachtet wird, also pro Einwohner im Durchschnitt 3 bis 4 Entleihungen zu Stande kommen, liegt diese Zahl in Marburg deutlich höher. Bei knapp 80.000 Einwohnern in Marburg werden im Jahr 413.479 Medien körperlich entliehen, rechnet man die „Onleihe“ mit 45.878 Leihvorgängen (körperlose Ausleihe über das Internet) dazu, gibt es in Marburg 459.357 Ausleihvorgänge im Jahr. Damit kommt in Marburg ein Faktor 5,5 zustande, die Inanspruchnahme der Stadtbücherei liegt deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt. Dies ist sicherlich auch Ausdruck des großen Engagements der gewachsenen Mitarbeiterzahl, die nunmehr 27,5 Stunden Öffnungszeit in der Woche anbieten können.

Doch trotz einigem Engagement geht das Digitale Zeitalter an der Stadtbücherei nicht spurlos vorbei. Wer denken würde, dass das zusätzliche Angebot von digitalen Medien bis hin zu besonderen und anspruchsvollen Filmen auf DVD der Bibliothek zusätzliche NutzerInnen und wachsende Ausleihzahlen beschert haben, würde daneben liegen. Trotz großer Medienvielfalt und Öffnung für digitale Medien gehen die Nutzerzahlen in den letzten Jahren zurück. Nicht alleine das Buch als Medium erfährt weniger Inanspruchnahme. Die Angebote auf digitalen Trägern können die Rückgänge beim Buch nicht einmal ausgleichen. Ausnahmen sind alleine die Ausleihe von Hörbüchern und die Angebote zur „Onleihe“. Doch die Ausleihe über das Internet geht am Geschehen der Stdtbibliothek vorbei. Sie funktioniert individuell, zu Hause am eigenen Computer, ist körperlos und bedarf lediglich der einmaligen Anmeldung in der Stadtbücherei.

Wenngleich die Ausleihe und Inanspruchnahme der Bibliothek auf hohem Niveau liegt, hat somit die digitale Revolution deutliche Spuren und Folgen in der Marburger Stadtbücherei hinterlassen. Auch in Marburg nagt das digitale Zeitalter an der Gutenbergkultur. Die Aufgabenstellungen einer zeitgemäßen Stadtbücherei seien Veränderungen unterworfen, erläutert Dipl Bibl. Hölzer. Man wolle und müsse sich dem stellen. So konnten digitale Medien Einzug halten und nunmehr sollen auch Spielekonsolen (für Computerspiele) dazukommen. Gleichzeitig sei die Bibliothek wichtiger geworden als öffentlicher Ort der Begegnung, der Kommunikation. Dort treffe man sich, viele BesucherInnen würden alleine zur Zeitungs- und Zeitschriftenlektüre kommen, ganz ohne Ausleihe.

Mit organisatorischen und räumlichen Umstrukturierungen hat man in Marburg zudem versucht auf Interessen und Bedürfnisse der Kundschaft einzugehen. Dazu gehören ruhige Leseecken und Tische, an denen auch eine studentische Arbeitsgruppe einen Platz finden kann. Den Kern markiert dabei immer noch die Buchausleihe mit einem stabilen Anteil von rund 60 Prozent. Die Samstagsöffnung habe dazu geführt, dass vermehrt Familien, darunter auch berufstätige Väter regelmäßig in den Räumen unterwegs sind, berichtet Jürgen Hölzer.

Es sind samt personeller Aufstockung um 1,5 Stellen zu Gunsten erweiterter Öffnungszeitungen also nicht wenig Anstrenungen nötig, um mit den Veränderungen im digitalen Zeitalter einigermaßen mithalten zu können. Die klassische Stadtbücherei ist seit Jahren und Druck, hat sich dabei als Medienzentrum ein Stück weit profiliert und ringt aber weiter um ihren zukünftigen Aufgaben und Bedeutung.

Doch alle kontinuierlichen Aufwendungen zusammen verhindern nicht rückläufige Nutzer- und Ausleihzahlen. Sie wirken allenfalls kompensierend,  sind jedoch ganz und gar notwendig um die Bedeutung und Leistungsfähigkeit bei sich ständig wandelnden Medienangeboten und Nutzerverhalten einigermaßen zu halten. Mit Blick in die Zukunft ergeben sich daraus nicht wenige Fragen.

Die Räumlichkeiten in der Ketzerbach sind gut gefüllt. Mehr geht dort nicht mehr. Soll im Gebäude eine Lesung stattfinden, müssen Bücher und Regale dafür beiseite geräumt werden. Es fehlt also an Raum und Platz, ganz und gar für andere und weitergehende Veranstaltungen, die sich in einer Stadtbibliothek gut denken lassen.

So ist dieser Stadtbücherei, wie denen in vielen anderen Städten, eine gebührende kommunalpolitische Wahrnehmung zu wünschen. Will man in Marburg der zunehmenden Vereinzelung und Individualisierung im Medienkonsum wirksam etwas entgegensetzen, stösst die gegebene Ausstattung an deutliche Grenzen. Noch sind es 87.560 Besucherinnen und Besucher, die über das Jahr den Weg in das mehrgeschossige Buchhaus finden. Doch den rückläufigen Zahlen im mehrjährigen Trend kann die engagierte Arbeit unter den gegebenen Bedingungen offenbar nichts wirksam entgegensetzen.

Es braucht also mehr als Jürgen Hölzer und seinen Kolleginnen und Kollegen an Geld, Möglichkeiten und Raum zur Verfügung steht. Denn dass die Entwicklung – gar der Siegeszug – des Digitalen weitergeht, steht außer Frage. So wird eine stärkere kulturpolitsche Zuwendung und Wahrnehmung unabdingbar, wenn die Stadtbücherei Bedeutung und Stellenwert in der Universitätsstadt behalten soll.

—>Zum Bericht „Weniger Nutzer sinkende Buchausleihe…“

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