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Wie eine Regio-Tram Gießen-Marburg auch die Lahnberge erschließen kann

Schema Region-Tram Marburg-Giessen KopieMarburg 7.4.2016 (red) Die zum 1. April verfügte Einrichtung einer Umweltzone in Marburg hat einmal mehr vor Augen geführt, dass die hiesige Verkehrspolitik den Erfordernissen bei weitem nicht gerecht wird. Neben den enormen Belastungen der Stadt durch die Stadtautobahn (B3A) droht dem busgestützten ÖPNV in Marburg der Infarkt. Die durchschnittliche Geschwindigkeit der Busse sinkt wegen zu hoher PKW-Dichte auf den Straßen der Stadt während die  Fahrgastzahlen steigen. Insbesondere die Anbindung des Klinikums und der Naturwissenschaften auf den Lahnbergen sind unzureichend. Buszugsystem oder Seilbahn wurden als Lösungsansätze vorgestellt und diskutiert. In einem Gastbeitrag veranschaulicht der Gießener Verkehrskoordinator Reinhard Bayer eine (verblüffende) Alternative auf Schienen, die er zugleich in einem mittelhessischen Regiotramsystem andenkt und vorschlägt.

 

Reinhard Bayer bei einer Veranstaltung in Marburg. Sternbald-Foto Hartwig Bambey

Reinhard Bayer bei einer Veranstaltung in Marburg. Sternbald-Foto Hartwig Bambey

Insellösung oder regional vernetzt – diese Frage stellt sich bei Verkehrsprojekten des öffentlichen Verkehrs immer wieder. Die in Marburg angedachte Seilbahn besticht durch ihre direkte und schnelle Verbindung zwischen der Innenstadt und den Lahnbergen – mit den regionalen Bahn- und Buslinien ist sie jedoch nicht verknüpft. Mindestens die Hälfte der auf den Lahnbergen arbeitenden und studierenden Menschen kommt jedoch aus dem Umland Marburgs.
Gibt es also für Marburg das Verkehrsmittel, welches möglichst direkt und schnell von der Stadt zu den Lahnbergen führt und ebenso optimal die Verbindung in die Region herstellen kann?

Aktuell, nachdem der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) auf Drängen der Stadt Marburg Ende 2014 ein Drittel der Regionalbahnen zwischen Marburg und Gießen in Express-Züge umgewandelt hatte, stellte ich mir die Frage, ob möglichst viele Defizite des ÖPNV in der mittelhessischen Region mit nur einem Verkehrsmittel zu lösen sind.
Naheliegend ist das Schienenverkehrsmittel, das sowohl DB-Gleise befährt wie auch abseits davon als Stadt- oder Straßenbahn Stadtbereiche erschließen kann. Karlsruhe und viele andere Städte haben es längst vorgemacht, die nächstliegende ist Kassel, die eine solche Regio-Tram betreibt.

Es gilt also das Konzept einer Regio-Tram Gießen-Marburg (RTGM) oder Regio-Tram Mittelhessen (RTM) zu entwickeln. Für die zwischen Marburg und Gießen nunmehr nur noch im mageren Stundentakt unzureichend bedienten Gemeinden sollten wieder gut getaktete Ersatzverbindungen geschaffen werden. Gleichzeitig sind in beiden Städten die jeweils größten Betriebe an die RTGM/RTM anzubinden. Dies ist das Universitätsklinikum Gießen-Marburg mit insgesamt 9.600 Arbeitsplätzen, also über 4.000 an jedem Standort, rund ebenso vielen Studierenden und über 1.000 Tagespatienten. Am Marburger Standort auf den Lahnbergen sind zudem weitere große Fakultäten der Naturwissenschaften angesiedelt, so dass eine Zahl von 10.000 Personen, die täglich auf die Lahnberge fahren, eher zu niedrig gegriffen ist. Für die Marburger Lahnberge können somit bei 20 Prozent ÖPNV-Anteil mindestens 2.000 Fahrgäste je Richtung, also 4.000 als tägliches Grundpotential für die Regio-Tram angenommen werden.

Der entscheidende Vorteil der RTGM/RTM ist ihre hervorragende Verknüpfung mit dem Bahnnetz und den Busnetzen der Region. Von allen 8 Bahnlinien, die Gießen und Marburg bedienen, sind dann die beiden Klinikstandorte mit nur einem einzigen Umstieg in den jeweiligen Hauptbahnhöfen zu erreichen. Das gleiche gilt für fast alle Regional- und Stadtbuslinien in Marburg und Gießen.

Da Regio-Trams wie Straßenbahnen für bis zu 10 Prozent Steigung im Reibungsbetrieb geeignet sind, gilt es, in Marburg die kürzestmögliche Trasse von der Main-Weser-Bahn zu den Lahnbergen zu finden, die auch und vor allem den Marburger Hbf anbindet.

Varianten für RTGM-/RTM-Trasse in Marburg

Die RTGM/RTM kann auf den DB-Gleisen von Süden/Gießen kommend ab der Überführung der Rudolf-Bultmann-Straße an den Ostrand des Bahngeländes geführt werden und auf einer Rampe ansteigen bis auf die Geländehöhe des Ortenbergsteges, wo auch die Haltestelle Hbf angelegt wird. Ab hier sind 4 Varianten möglich:

Variante 1: Ab hier führt sie in einem Rechtsbogen (Regio-Trams können 25 Meter-Radien durchfahren) über den Nordrand des Sportplatzes in die Schützenstraße und folgt dieser bis zum Ortenbergplatz. Dort entsteht die Haltestelle Psychichatrische Klinik / Zahnklinik.
Die Trasse führt von dort in einem Linksbogen weiter durch die Hans-Sachs-Straße und mündet in die Dürerstraße nach Osten ein. Eine Haltestelle am Tabor-Haus ist möglich. Die Trasse folgt der Dürerstraße und den ansteigenden Waldwegtrassen Richtung Uni-Heizwerk.

Variante 2: Ab Ortenbergsplatz führt die Trasse, eventuell mit kurzem Tunnelabschnitt, nach Osten in den Wald und folgt den ansteigenden Höhenlinien nach Norden und Osten entlang dem Taleinschnitt bis zum Uni-Heizwerk (erhöhter Eingriff in den Waldbestand).

Variante 3: Mittels der Steigungsfähgikeit der Stadtbahnen / Straßenbahnen mit rund 10 Prozent Steigung wäre auch ab Ortenbergsteg die durchgehende Befahrung der Dürerstraße möglich, jedoch bestehen dort zwei bauliche Engstellen und weder die Psychiatrische Klinik noch die Zahnklinik wären ausreichend angebunden.

Variante 4: Die Trasse bleibt auf Bahn-Niveau und wird unter dem Ortenberg in einen Tunnel geführt, der am östlichen Ende der Dürerstraße aus der Erde tritt. Dann weiter wie die  Varianten 1-3. Neben den Nachteilen, dass weder Psychiatrische Klinik, Zahnklinik noch Tabor anbindbar sind, wird die Tunnelstrecke von rund 750 Metern Länge höchstwahrscheinlich nicht finanzierbar sein.

Schema Region-Tram Marburg-Giessen KopieFortsetzung aller 4 Varianten: Das Heizwerk wird umfahren und die Trasse führt nach Süden zu den vier Haltestellen Uni-Klinik, Chemie, Biologie und zur Endhaltestelle Vorklinik/Botanischer Garten.
Ausgehend vom 30-Minuten-Grundtakt werden alle Orte und Bahnhaltepunkte zwischen Marburg und Gießen bedient, in den Hauptverkehrszeiten können dichtere Taktfolgen in beiden Städten angeboten werden.

Verbindungsmöglichkeit zur Marburger Innenstadt
In Marburg kann etwa 1 km südlich des Hauptbahnhofs eine Ausfädelung / Abzweigung in die Innenstadt entstehen, zum Beispiel via Erlenring-Brücke, Universitätsstraße zum Schulzentrum Süd.

RTGM-/RTM-Trasse in Gießen
In Gießen gelingt die Anbindung der Klinikspforte bei Ausfädelung aus dem westlichsten Gleis des Hauptbahnhofes (Gleis 5 oder 6/7/8) über die Straßen Margarethenhütte, Kliniksbrücke und Klinikstraße bis zur Endhaltestelle vor dem Haupteingang des Uni-Klinikums an der Einmündung der Gaffkystraße. Eine weitere Haltestelle wäre im Kreuzungsbereich mit der Frankfurter Straße, vorzugsweise westlich, vorzusehen.

Reinhard Bayer (1951 Freiburg i.Br.), M.A. Soziologie/Politikwissenschaft – RTWH Aachen, war in Aachen Fraktionsassistent der Grünen im Rat, leitete deren ÖPNV-AG, lebt seit 1990 in Gießen und war bis 2010 Verkehrskoordinator in der Stadtverwaltung. Mitglied der Grünen, im VCD und der Gewerkschaft der.di.
Diskussion, Rückmeldung und Kritik bitte nur per E-Mail: bayer.najoan@gmx.de

Dieser Textbeitrag findet sich in der neu erschienenen Broschüre
M.Jäger-Gogoll, S.Leidig, J.Schalauske, W. Wolf (Hrsg.)
Stadt, Lahn, Autowahn – Marburg und die B3A
Verfehllte Verkehrspolitik und Alternativen
ISBN 978-3-00-052275-8, Ladenpreis 3,80 Euro

Inserat Unterstuetzung das Marburger 560x90

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