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Bundesweiter Meilenstein: W-LAN-Versorgung in Marburg via Freifunknetze initiiert

Am Einzeltisch in der Stadtverordentenversammlung PIRAT Dr. Michael Weber. Sternbald-Foto Hartwig Bambey

Am Einzeltisch in der Stadtverordentenversammlung. Dr. Michael Weber von der PIRATEN-Partei. Sternbald-Foto Hartwig Bambey

Marburg 7.6.2016 (red) Deutschland hinkt in der Entwicklung und dem Ausbau Digitaler Netze hinterher. Als eine heute geradezu selbstverständliche Anforderung wird die öffentliche Zugänglichkeit über W-LAN in das Internet betrachtet und gefordert. Dies gilt auch für die Universitätsstadt Marburg. Inzwischen hat der Bundesgesetzgeber eine Hürde abgeräumt. Anbieter von offen, frei zugänglichen W-LAN-Netzpunkten sind aus der Haftung genommen, was NutzerInnen dabei zulässig oder unzulässig an Nutzungen (Contendownloads, strafbare Inhalte) in Anspruch nehmen. Bereits vor der Beseitigung dieser rechtlichen Hürde hat die Marburger Stadtverordnetenversammlung im Mai 2016 einen wichtigen Beschluss verabschiedet. Die Redaktion von das Marburger. hat dazu ein Gespräch mit dem Antragsinitiator Dr. Michael Weber, Stadtverordneter der PIRATEN, geführt.

Redaktion: In der Maisitzung der Stadtverordneten wurde ein gemeinsamer Antrag von Ihnen Herr Dr. Weber für die PIRATEN-Partei als Initiator und der SPD-Fraktion zu Einrichtung von W-LAN im Marburger Stadtgebiet verabschiedet.
Was ist der allgemeine Hintergrund dafür?
Dr. Weber: Der Kreisverband MR-BID der Piratenpartei hat vor der Kommunalwahl  gesagt, dass er sich in Marburg und Umgebung für freie Netze im Sinne eines öffentlichen WLANs auf Basis eines Freifunk-Ansatzes einsetzen wird. Wir haben dementsprechend zusammen mit den Marburger Freifunkern ein Förderkonzept ausgearbeitet und dieses angesichts der Tatsache, dass wir in MR und im Kreis nur jeweils eine Parlamentariererstimme haben, als Antragsentwurf der Marburger SPD vorgelegt mit dem Ziel, einen gemeinsamen, mehrheitsfähigen Antrag zu formulieren. Das hat sehr gut funktioniert, der Antrag wurde gemeinsam überarbeitet und ist nun vom Parlament beschlossen worden. Ich persönlich halte dies für einen nach meinem Kenntnisstand bundesweit einmaligen Meilenstein. Denn der Antrag ist ja nicht nur als Anschubförderprogramm für in Eigeninitiative aufgebaute freie Netze zu verstehen, sondern hier bekennt sich eine Kommune öffentlich zum Konzept Freifunk und bietet konkrete Hilfe an, dieses Konzept zu unterstützen.

Redaktion: Zielstellung im Antrag ist nicht, dass die Stadt Marburg hier als Dienstleister in der Fläche auftreten soll. Stattdessen soll es um den Aufbau freier Datennetze gehen, die ohne Registrierungszwang genutzt werden können. Warum dieser Weg und wie kann das funktionieren?
Dr. Weber: Im Grunde zielt dieser Antrag darauf ab, im Bereich Netzinfrastruktur in Marburg das richtig zu machen, was bei der Energieversorgung der Bundesrepublik vor Jahrzehnten falsch gelaufen ist: Eine Vermeidung von zentralen Strukturen und hin zu eigenbetriebenen, dezentralen Strukturen, wo es kein Monopol oder eine zentrale Abschaltmöglichkeit gibt.

Hier geht es um eine „Graswurzelbewegung“ in Sachen freie Netzzugänge – auch vor dem Hintergrund eines knappen Finanzierungshaushalts. Es kann mit diesem Ansatz vielleicht gelingen, in einem sich weitgehend selbstorganisierenden Prozess auch Menschen solidarisch einen Netzzugang zu ermöglichen, die ihn sich bislang nicht leisten konnten – Stichwort ALG II/Grundsicherungs-Empfänger.

Weiterhin ist es möglich, über Richtfunk auch Marburgs Außenstadtteile und sogar den Landkreis in Regionen anzubinden, wo Internetzugänge derzeit noch nicht ausreichend verfügbar sind. Bei Bedarf kann man einfach die Marburger Freifunker kontaktieren und dort um Unterstützung bitten, sofern die auf deren Webseite reich illustrierten Anleitungen nicht ausreichend sein sollten oder noch anderweitige Fragen bestehen.

Redaktion: Was soll die Stadt Marburg dazu leisten, eine finanzielle Förderung und…?
Dr. Weber: Zunächst einmal ging es uns um das grundsätzliche Bekenntnis einer Kommune zur Unterstützung des Ansatzes Freifunk. Dann unterfüttert der beschlossene Antrag dieses Bekenntnis mit ganz konkreten Handlungsanweisungen, die zum Ziel haben, die Bevölkerung über das Konzept Freifunk zu informieren und ein finanzielles Anschubförderprogramm aufzulegen, damit die vornehmlich technische Mitmachhürde überwunden werden kann. Es soll gemäß dieses Antrags zudem ein Ansprechpartner in der Stadt für das Thema Freifunk benannt und darüber nachgedacht werden, ob auch die städtische IT-Infrastruktur Freifunk unterstützend eingesetzt werden kann.
Derzeit ist es ja so, dass die Freifunker einen eigenen Server betreiben, und es wäre natürlich eine Überlegung wert, ob die dort laufenden Prozesse vielleicht auch auf einem städtischen Server möglich wären.

Redaktion: Ist das ein hinreichender Ansatz für eine relevante Flächenabdeckung und was ist überhaupt der Vorteil beim Aufbau freier Datennetze?
Dr. Weber: Die Qualität eines Freifunknetzes hängt vor allem von der Zahl der Unterstützer ab. Das ist einer der Gründe, warum die Stadt diesen Ansatz auch finanziell unterstützt: Wenn erst einmal eine gewisse Anzahl an Routern in Marburg arbeitet, wird sich schnell herumsprechen, dass und wo genau man gut ins Netz kommt. Dadurch wird das Prinzip Freifunk an sich bekannter und es wird sich auch herumsprechen, dass man sehr einfach selbst zu einer weiteren Verbesserung des Freifunknetzes beitragen kann. Ich gehe da von einem Schneeballeffekt aus, der eine sehr gute Netzabdeckung möglich macht – auch außerhalb Marburgs Kernstadt.

Des weiteren ist interessant, dass ein Freifunknetz auch unabhängig vom Internet funktionstüchtig ist, es also den Teilnehmern ermöglicht, internetunabhängig miteinander zu kommunizieren. Die Bedeutung solcher Informationsaustauschmöglichkeiten kann man gar nicht überbewerten.
Und schliesslich sind die Freifunk-Netzzugänge registrierungsfrei, gebührenfrei nutzbar, man muss nicht umständlich ein Passwort erfragen oder damit rechnen, dass personenbezogene Daten, IP-Addressen oder gar ganze Datenströme aufgezeichnet werden. Man kommt einfach stressfrei anonym ins Netz und erhält auch keine vorgefilterten Teilinhalte.

KarteW-LAN MarburgRedaktion: Wie schätzen Sie den Zeithorizont ein? Marburg liegt hier bereits hinten? Wann könnten die ersten Anbieter erreichbar sein?
Dr. Weber: Das Freifunk-Projekt ist längst in vollem Gange. Auf folgender Karte bekommt man beispielsweise einen ziemlich guten Überblick, wo man bereits heute ohne Registrierungszwang und kostenfrei ins Internet kommt.

Man beachte, dass es inzwischen bereits erste Router außerhalb des Marburger Kernstadtgebiets gibt. In der Stadt selbst sind auch erste Gewerbe angebunden und selbstverständlich kommt man damit in einem gewissen Radius um jeden Router als beliebiger Passant ins Netz.Was das vom Stadtparlament Ende Mai beschlossene Förderprogramm betrifft, so ist Marburg nach meinem Kenntnisstand diesbezüglich absoluter Vorreiter in der Bundesrepublik. Ich habe gerade vergangenes Wochenende auf der ‚Maker Faire‘ in Hannover mit Vertretern anderer Freifunk-Gemeinschaften gesprochen und dort hat man „Bauklötze gestaunt“, dass es so etwas bei uns gibt und wird sich nun daran machen, dies zu kopieren.

Redaktion: An wen richtet sich das Angebot öffentlich zugänglicher W-LAN-Netze?
Dr. Weber: An jeden. Wenn es nach uns Piraten geht, übrigens in Kürze auch an diejenigen, die selbst gar keinen eigenen Computer, kein Smartphone oder Internetzugang besitzen. Warum soll es in der Stadt nicht – auch im Zusammenhang mit Bestrebungen zu mehr Bürgerbeteiligung – öffentlich zugängliche Terminals geben, die dann gleich ans Freifunk-Netz angekoppelt sind?

Redaktion: Geht mit relevant verfügbaren freiem W-LAN-Verbindungen eine Erleichterung und Veränderung der netzbasierten Kommunikation einher?
Dr. Weber: Selbstverständlich. In Reichweite eines Freifunk-WLAN-Routers kann jede Person rund um die Uhr kostenfrei Informationen einholen. Ob ich nun mit einem Smartphone durch die Straßen schlendere und plötzlich etwas recherchieren möchte oder ob ich irgendwo in einem Freifunk-betreibenden Café einen Kaffee schlürfe. Viel wichtiger jedoch: Wohnt beispielsweise jemand ohne eigenen Internetanschluss neben jemandem, der einen Freifunk-Router am Internet betreibt, so kann diese Person über den anderen Router ins Netz. Wir haben hier also ein freiwillig von den Bewohnern dieser Stadt solidarisch betriebenes Netz vor uns, eine Art Graswurzelbewegung, die es per Richtfunk übrigens auch ermöglicht, Außenstadtteile und den Landkreis anzubinden.

Redaktion: Was würden Sie sich idealerweise in Marburg als Stadt mit 26.000 Studierenden wünschen, Herr Dr. Weber?
Dr. Weber: Meine Vorstellungen sind nicht auf die Studierendenschaft beschränkt. Interessant wäre es aus meiner Sicht allerdings schon, wenn sich auch die Universität mit all ihren Einrichtungen und das Studentenwerk mit seinen Wohnheimen und Mensen dem Freifunkprinzip öffnen würde.

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