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OB Spies beantwortet Offenen Brief zur Flüchtlingsfrage

Marburg 13.10.2016 (red) Die Veröffentlichung des Offenen Briefs der Gruppe ‚No Border Marburg -Asylbegleitung Mittelhessen e.V.‘ an den Marburger Oberbürgermeister zur Flüchtlinsfrage in Marbuerg am 10. Oktober in das Marburger. hat bei der Leserschaft viel Interesse gefunden. Mit der Veröffentlichung wollte die in der Flüchtlingsbetreuung engagierte Gruppe etwas anst0ßen. Das ist ihr in jedem Fall gelungen. So wurde beispielsweise in Ausschussitzungen der Stadtverordnetenversammlung darüber diskutiert. Jetzt antwortet Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies ‚No border Marburg‘ selbst in einem Offenen Brief, den wir als Online-Magazin ebenfalls veröffentlichen:

Offener Brief von Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies vom 13.10.2016

Sehr geehrter Herr Edinger,
sehr geehrte Damen und Herren,

 
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 10.10.16, indem Sie Ihre Sichtweise der Asyl- und Integrationsleistungen der Stadt Marburg darlegen.

Obwohl wir uns seit Jahren für die menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten einsetzen und in Zusammenarbeit mit unglaublich motivierten Ehrenamtlichen viele sehr gute Erfahrungen sammeln konnten, gibt es immer wieder neue Ideen oder berechtigte Kritik, die uns weiterbringen. Um unsere Strukturen und Angebote stetig zusammen mit allen Beteiligten zu hinterfragen und fortzuentwickeln haben wir Gremien wie der Runde Tisch Integration, in denen wir im gegenseitigen Austausch und auf Augenhöhe vertrauensvoll auch Kritikpunkte ansprechen. Häufig, so meine Erfahrung, führen sachorientierte Vorschläge an diesen Orten schneller und leichter zum Erfolg, als über die Presse ausgetragene Streitgespräche.

 
Vor diesem Hintergrund hätte ich es begrüßt, wenn Sie das Gespräch direkt mit mir gesucht hätten. Dann wären viele Missverständnisse und Fehlinformationen auf kurzem Wege geklärt worden. Die Informationen, die im Moment im Netz stehen, sorgen wiederum für Irritationen, die aufzuklären ich ebenfalls mit einem Offenen Brief antworte. Gerne lade ich Sie dennoch ins Rathaus ein, um Ihre Vorschläge im direkten Gespräch zu beraten.

 
Unserem ehemaligen Oberbürgermeister Egon Vaupel ist es zu verdanken, dass die Universitätsstadt Marburg von Anfang an eine Vorreiterrolle in der Unterstützung und solidarischen Aufnahme von Geflüchteten gespielt hat. Ich bin auch persönlich fest davon überzeugt, dass Menschen, die vor für uns häufig nur schwer vorstellbaren Gefahren geflohen sind, all unsere Unterstützung verdienen. In Marburg haben wir es zusammen mit beeindruckend engagierten Ehrenamtlichen geschafft Strukturen, Angebote und eine Atmosphäre zu schaffen, in der Geflohene ankommen können und die deutschlandweit zu Recht immer wieder als Vorbild dient. Das Portal Gisselberg ist bereits seit Anfang des Jahres ein Angebot sowohl für Menschen im Camp, als auch für Zugewiesene, sodass keine Rede davon sein kann, dass es zum einen keine Konzepte, und zum anderen keine Verzahnung der beiden Bereiche gegeben habe. Im Gegenteil, die Universitätsstadt hatte mit der Schaffung eines „Zentrum für Flüchtlinge“ genau diese Verknüpfung vollzogen.

 
Marburg ist hessenweit die einzige Stadt, die Ombudspersonen in der Erstaufnahmeeinrichtung in Cappel eingesetzt hat. Die Ombudspersonen waren regelmäßig im Camp und im Portal Gisselberg, Zentrum für Flüchtlinge, tätig. Das Portal war sowohl für die Camp-Flüchtlinge als auch für die zugewiesenen Flüchtlinge gleichermaßen ein Treffpunkt. In der städtischen Pressemitteilung vom 7. Oktober habe ich im Sinne aller Beteiligten die landesweite Einführung von Ombudsleuten gefordert und die Fortführung in Marburg zugesagt.

Nachdem das Land Hessen die HEA geschlossen hat, war es uns wichtig die hervorragende Arbeit der Ombudspersonen fortzuführen und uns ganz auf die zugewiesenen Flüchtlinge zu konzentrieren. Insofern ist Ihre Kritik, dass wir die zugewiesenen Flüchtlinge nicht genügend miteinbezogen hätten, nicht ganz richtig. Wir freuen uns aber, dass Sie uns in der Sache zustimmen und das Modell der Ombudspersonen für eine wichtige Institution halten.

 
Zu Ihrer Frage der Unterbringung von Geflüchteten ist zu sagen, dass die Universitätsstadt insgesamt 73 verschiedene Objekte angemietet hat. Bei der weitaus überwiegenden Zahl handelt es sich um dezentrale Objekte, das heißt einzelne Wohnungen unterschiedlicher Größe und Beschaffenheit, sowohl von Wohnungsbaugesellschaften als auch von Privatvermieter/innen, kleinere Häuser sowie „nur“ drei größere Wohneinheiten. Obwohl das Gesetz eine Unterbringung in großen Unterkünften vorschreibt nutzen wir so weit wie irgend vertretbar privaten dezentralen Wohnraum. Die Liga der Freien Wohlfahrtspflege hat für die Unterbringung von Asylbewerber/innen und anderen Geflüchteten Standards beschrieben, die, obwohl sie keine verpflichtende Bindungswirkung entfalten, weit überwiegend bei der Auswahl der angemieteten Objekte erfüllt sind. Durch das Unterbringungskonzept im Bereich der Universitätsstadt Marburg entstehen nachbarschaftliche und zivilgesellschaftliche Kontakte, die durchgängig für beide Seiten als hilfreich empfunden werden. In begründeten Einzelfällen (z.B. gesundheitliche oder familienfördernde Gründe) erkennen wir selbstredend die Notwendigkeit einer abweichenden Unterbringung in privat angemietetem Wohnraum an.

Für Ihre These, dass die Stadt Marburg sich weigere, Asylsuchende, die von den Kommunen des Landkreises Marburg-Biedenkopf in die Universitätsstadt umziehen möchten, aufzunehmen, gibt es Vereinbarungen zwischen Stadt und Landkreis. In enger Absprache mit dem Landkreis haben wir z.B. aus gesundheitlichen Gründen bereits mehrere Umverteilungsanträgen gerne entsprochen. Die Stadt und der Landkreis arbeiten u.a. in dem Projekt VOICE sehr gut zusammen. Die Kleiderkammer im Portal ist für Stadtinhaber/innen sowie für alle Geflüchteten (auch aus dem Landkreis) geöffnet. Die Angebote im Portal Gisselberg waren ebenfalls für alle Geflüchteten aus Stadt und Kreis geöffnet und wurden auch von im Landkreis lebenden Geflüchteten gerne genutzt. Die Stadt und der Landkreis sehen sich hier nicht in einer Konkurrenz, sondern versuchen in Kooperation mit der Agentur für Arbeit für alle hier lebende Flüchtlinge bedarfsgerechte Angebote anzubieten.

Die Kooperation und der Austausch mit den freien Trägern und der von städtischer Seite einberufene Runde Tisch Integration tragen kontinuierlich dazu bei, dass die Integration von Geflüchteten als ein steter Prozess verstanden wird, den es gemeinsam weiterzuentwickeln gilt. In Marburg leben über 140 Nationen und von daher ist es selbstredend, dass sich die Universitätsstadt als offene und multikulturelle Stadt versteht, bei der Migration nicht nur ein theoretischer Begriff ist, sondern selbstverständlich im Alltag mit dazu gehört. Die Arbeit, die Konzepte und der Einsatz, den die Freien Träger, die vielen Ehrenamtlichen und die Stadtverwaltung leisten, sind aus unserer Sicht genau das partizipative Handeln, wie man es sich für eine Stadt nur wünschen kann.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen zeigen, dass die von Ihnen geforderten „langfristigen nachhaltigen integrativen Konzepte“ in Marburg bereits Realität sind. Wir bleiben immer offen für neue Ideen. Gerne lade ich Sie ein, sich in unseren Gremien einzubringen und sich dadurch ein eigenes Bild über die Gesamtsituation zu machen. Persönlich stehe ich Ihnen selbstverständlich gerne für ein Gespräch zur Verfügung. Ich freue mich von Ihnen zu hören

Herzliche Grüße
Dr. Thomas Spies

—>Offener Brief von ‚No Border Marburg -Asylbegleitung Mittelhessen e.V.‘

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