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Bahnhofsviertel, Universitätsstrasse und die IG MARSS

Pläne, Baustellen und weitere Diskussionen um das Marburger Stadtbild

Marburg, 27.Januar (yb) – Ob Kassel im Norden oder Gießen und Wetzlar in Mittelhessen, die Finanzlage nicht nur der kreisfreien Städte ist desolat. Haushaltspläne mit wachsenden Defiziten werden aufgestellt, benötigen zudem Genehmigung durch den Regierungspräsidenten. Klamme Kassen landauf landab ist eine milde Beschreibung der Finanzierung kommunaler Aufgaben.

Ganz anders dagegen ist die Lage in Marburg – dem IHK-Bezirk Kassel zugehörig–  historisch jedoch in Oberhessen verortet. Die gute Finanzausstattung von Marburg findet einen Niederschlag in zahlreichen Planungsvorlagen, Baustellen und nicht zuletzt Diskussionen in Politik und Bürgerschaft. So konnte Oberbürgermeister Egon Vaupel (SPD) beim Neujahrsempfang der Universitätsstadt Marburg zunächst über 1000 Gäste in der Stadthalle begrüßen. OB Vaupel trug die goldene Amtskette sichtlich mit Selbstbewusstsein. Er berichtete den dicht an dicht stehenden Gästen von der soliden Finanzlage seiner Stadt. Der Kämmerer habe gut vorgesorgt und solide gewirtschaftet – in Marburg werden bekanntlich die Aufgaben des Kämmerers vom Oberbürgermeister versehen. Die Lahnstadt mit Elisabethkirche und dem Landgrafenschloß über der Altstadt ist so gut wie schuldenfrei.

Mit der Bahn nach Marburg Reisende, die das Bahnhofsgebäude verlassen haben, nehmen zuerst das Betonbauwerk der Stadtautobahn war. Wer das monströse Gebilde passiert hat, dem wird jenseits der Lahn eine Großbaustelle ins Auge fallen. Auf einer in Kürze von alter Bebauung geräumten Fläche beachtlichen Ausmaßes soll eine Hotelanlage mit Kommunikations- und Informationszentrum entstehen. Bauherr ist die in Marburg ansässige Deutsche Vermögensberatung (DVAG). Anstelle der Abrissbagger werden dort bald Kräne stehen. Das Investitionsvolumen beträgt rund 50 Millionen Euro.

In Sichtweite dieser Großbaustelle steht am Rand des alten Klinikviertels auf der anderen Straßenseite bereits ein Bauschild für das „Chemikum“ als zukünftige naturwissenschaftliche Mitmacheinrichtung. Um die Ecke ist es dann nicht mehr weit zur Elisabethkirche, deren Umfeld bereits großzügig umgestaltet wurde. So begegnen Besuchern und Touristen beinahe überall in Marburg Baumaßnahmen, die nachhaltig in das Stadtbild eingreifen.

Bei einer Veranstaltung zur Bürger- und Anliegerinformation zum weiteren Umbau der Universitätsstraße in Richtung Wilhelmplatz beantworteten Oberbürgermeister Vaupel und Bürgermeister Dr. Kahle (Grüne) mit Bauplanern die Fragen von etwa 50 interessierten Bürgern. Im Sitzungssaal des Stadtparlaments wurde die Ablaufplanung vorgestellt. Diese Baumaßnahme erscheint im Vergleich zu anderen eher klein. Wegen der notwendigen Verkehrsumleitungen werden jedoch bis zum Jahresende zwangsläufig Beeinträchtigungen für Bewohner im Südviertel entstehen. Darüber wurde lebhaft diskutiert, Anlieger waren anwesend und verstanden es ihren Bedenken Ausdruck zu verleihen.

Eine Woche zuvor hatte eine Lokalen Agendagruppe zusammen mit der IG MARSS (Initiativgruppe Marburger Stadtbild und Stadtentwicklung) zusammen mit zu einer Informationsveranstaltung in den Sitzungssaal der Stadtverordneten eingeladen. Die Zukunft der Stadtautobahn war ein Hauptthema. Im vergangenen September hatte dazu die Fraktion „Marburger Linke“ einen Antrag für die Auslobung eines bundesweiten Ideenwettbewerbes gestellt. Dessen Aufgabenstellung sollte werden, die Stadtautobahn im Kernbereich von Marburg unter die Erde zu verlagern. Der Antrag war mehrheitlich abgelehnt worden.

Zunächst erläuterte der Stadtverordnete Dr. Michael Weber, Fraktion Marburger Linke, in einem bebilderten Vortrag Beispiele anderer Städte. Es wurde anschaulich, dass in z.B. Düsseldorf, Nürnberg, Augsburg oder in Bremen vergleichbare Stadtautobahnen erfolgreich zurückgebaut worden sind.

Marburgs ehemaliger Stadtbaudirektor Elmar Brohl erläuterte in seinem Vortrag, dass mit einer Stahlkonstruktion über dem Flußlauf der Lahn, parallel zur derzeitigen Stadtautobahn, der Verkehrsfluss während der Bauzeit gewährleistet werden kann. Damit erhielt die bautechnische Umsetzbarkeit eines Tunnelbauwerkes eine große Anschaulichkeit für das Publikum.

Einer Diskussion mit hoher Kompetenz war Grundlage gegeben. Bürgermeister Dr. Franz Kahle, der zugleich Baudezernent ist, vertrat für den Magistrat eine ablehnende Position. Kosten in Höhe von 500 bis 900 Millionen Euro seien nicht zu finanzieren, führte er aus. In der Diskussion wurde diese Baukostenschätzung wegen der Höhe und Diskrepanz der Summen in Frage gestellt. Zudem würde der Bund als Baulastträger 75 Prozent der Kosten übernehmen, wurde eingewendet. Zu erwarten seien enorme Gewinne für das Stadtbild und an Lebensqualität für zukünftige Generationen. Auch die Flächengewinne bei Umsetzung eines Tunnelprojektes in Marburg seien wirtschaftlich zu betrachten, war zuvor bereits vorgetragen worden.

In seiner Rede während des Neujahrsempfanges hat Oberbürgermeister Vaupel die anstehenden baulichen Investitionen für 2010 aufgezählt. Für Seniorenwohnheim, Schulbauten und viele andere Maßnahmen sind rund 50 Millionen Euro Investitionen veranschlagt.

Die Debatte um Stadtentwicklung und Stadtbild von Marburg ist zeitig im Januar eröffnet worden. Womöglich findet die DVAG als Investor im Bahnhofsviertel gefallen an der Idee einer Verlegung der Stadtautobahn unter die Erde. Nicht zuletzt ist die DVAG ein bedeutender Steuerzahler in der Universitätsstadt an der Lahn. Der Gedanke einer „Koalition“ zwischen der Vermögensverwaltungsgesellschaft und der Fraktion „Marburger Linke“ hat etwas Reizvolles.

Die Diskussionen werden weitergehen, sie sind vielleicht überhaupt erst zu eröffnen. Stadtentwicklung in Marburg ist ein spannendes Thema. Diskussionen um das Stadtbild lohnen allemal – nicht alleine, wenn es um Weltkulturerbe geht.

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