Randnotizen – eine Koalition der Opposition
Marburg 27. Februar (yb) Das wird nicht allzu häufiges Geschehen sein. Während der „Aktuellen Stunde“ am Beginn der Stadtverordnetensitzung am 26. 02 2010 sitzen vier Vertreter von Fraktionen in der unteren Etage und geben der Presse Erklärungen ab. In fünf Notizheften wird mitgeschrieben, um Bericht erstatten zu können. Anlaß und Thema des Pressegespräches, zu dem die Oppositionsfraktionen ad hoc eingeladen hatten, gibt der geplante Doppelhaushalt 2010/2011.
Verfahrensweise und Zeitplan mißfallen CDU, FDP, Marburger Bürgerliste (MBL) und der Fraktion Marburger Linke. Dem ist der Vorschlag der rot-grünen Koalition vorangegangen den Haushalt nunmehr erst im Juni zu verabschieden. Nach Beratungen in Hauptausschuß und Ältesterat sind den Oppositonsparteien im Marburger Stadtparlament von Rot-Grün Gespräche über den strittigen Doppelhaushalt angeboten worden. Auf dieses Angebot wollten sie eingehen, forderten jedoch ein gemeinsames Gespräch zugleich mit allen vier Fraktionen. Das wurde von Rot-Grün abgelehnt. Danach stellt sich die Situation recht unübersichtlich dar.
Roger Pfalz (CDU) bezeichnete das Gesprächsangebot als „Feigenblatt“. Angesichts politischer Zerissenheit innerhalb der Regierungskoalitionen SPD und Grüne solle lediglich auf die Zeitkarte gesetzt werden. Gerlinde Schwebel (FDP) bekräftigte diese Einschätzung und verwies auf den ursprünglichen Beschluß ihrer Fraktion aus Dezember 2009 zur Zustimmung. Angesichts des gegenwärtigen Stillstandes seien die Bürger und Vereine die Leidtragenden. Hermann Uchtmann von der MBL legte Wert auf die Feststellung, dass den Oppositonsfraktionen nicht die Verantwortung für den gegenwärtigen Zustand zugewiesen werden könne. Die Ursache der Probleme liege alleine im Festhalten von Kämmerer Egon Vaupel (SPD) am Doppelhaushalt für die Jahre 2010 und 2011.
Die weitestgehende Einschätzung war aus dem Mund von Georg Fülberth (Fraktion Marburger Linke) zu vernehmen. „Die Stadt steuert auf einen Zustand der Unregierbarkeit hin“ sagte er und verwies auf die interne Uneinigkeit von SPD und Grünen in Sachen Windkraftnutzung. Dem widersprach Roger Pfalz mit Verweis auf die Handlungsfähigkeit des Magistrates, wenngleich es sich keinesfalls um einen Normalzustand handele. Einer fehlenden Mehrheit von SPD und Grünen könne mit wechselnden Mehrheiten abgeholfen werden, erkärte er.
Als „Haushaltsbeschleunigungsverfahren“ lässt sich jedenfalls nicht bezeichnen, was aus der politischen Auseinandersetzung zur Verabschiedung eines Haushaltes zu vermelden ist. Ob nun eine Koalition der Opposition waltet, die es bekantlich nicht gibt, Obstruktion oder schlicht eine demokratische Streitkultur ihren Ausdruck findet, wird sich zeigen. Die alles andere als komfortable Mehrheit von einer Stimme für SPD und Grüne im Stadtparlament gibt nun einmal Humus für (partei-)politischen Streit. Die Ergebnisse der Auseinandersetzungen haben sich zu erweisen. Das momentane Hochwasser der Lahn wird bis dahin längst abgelaufen sein.
Die Debatte vor dem Sturm
Wie sich in Ausschußsitzungen in der Vorwoche bereits abgezeichnet hatte, fand sich in der Abstimmung im Stadtparlament keine Mehrheit für eine Windkraftnutzung auf den Lahnbergen. Man sei ökölogischer Energiegewinnung nicht grundsätzlich abgeneigt, der Standort habe keine hinreichende Eignung, im bisherigen Verfahren seien Ortsbeiräte nicht hinreichend berücksichtigt worden – die Debatte darum drehte sich im Kreis. Nicht genug damit, es wurden die Windräder in neuer Technik und Bauweise gar als Monster bezeichnet. Zumindest fand sich einstimmige Zustimmung des Parlaments dafür, dass an ertragreichen Standorten im Landkreis die Stadtwerke Windkraftanlagen errichten sollen, mit der Zustimmung der Bevölkerung als Grundlage.