Luftseilbahn als Luftnummer
Marburg 5.7.2010 (yb) Ein Infobend mit 100 Teilnehmern, ein versierter Vortrag, Publikumsfragen und Podiumsgespräch. Voraussetzungen, um Inhalt und Thema unters Volk zu bringen. So geschehen bei der Veranstaltung der Marburger Grünen am 1. Juli zur Seilbahnprojektidee auf die Lahnberge. Doch haben kritische Fragen und sachliche Einwendungen von Besuchern dem nicht ganz taufrischen Thema entscheidendes von seiner Attraktivität genommen. Eigentlich wurde die bei Marburger Grünen nach wie vor virulente Nahverkehrsidee einer Seilbahn auf die Lahnberge entzaubert. Dies zudem unmittelbar vor den Augen der örtlichen Grünen Parteiprominenz, die mit Bürgermeister, Landtagsabgeordneter und weiteren Mandatsträgern maßgeblich zur Veranstaltung beigetragen hat.
Von wegen in 8 Minuten auf die Lahnberge
Der Titel des Infoabend am 1. Juli „In 8 Minuten auf die Lahnberge…“ sollte die hohe Transportgeschwindigkeit einer Luftseilbahn betonen. Im illustrierten Referat mit Planszenario wurde dann eine Fahrzeit von 7 Minuten und 33 Sekunden vorgestellt. Zwischen Talstation Schülerpark und Bergstation beim Klinikum Lahnberge mit 2100 Metern Trassenlänge. Technik, Transportleistung, Trassenführung – der Referent vom Seilbahnhersteller Leitner hatte es verstanden das Publikum zu beeindrucken.
Die anschließende Gelegenheit für Fragen und Diskussion wurde lebhaft in Anspruch genommen. So wurde von einem Besucher eine ebenso einfache Rechnung aufgestellt:
10 Minuten Busfahrt Wilhelmsplatz zur Stadthalle
5 Minuten Fußweg zur Talstation Schülerpark
8 Minuten Seilbahnfahrt
10 Minuten Fußweg von Bergstation Klinikum zur Biologie im Campus Lahnberge
Dieses Zahlenbeispiel offenbarte gleich mehrere Schwachstellen einer Seilbahn. Eine Seilbahnverbindung, wie vorgestellt, wäre eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung, allenfalls mit Zwischenhalt am Kaiser-Wilhelm-Turrm. Doch wären weder Startort unten noch Ankunftsort oben eigentliche Zielorte der meisten Nutzer. Diese müssen zuvor aus dem verstreuten Stadtgebiet zur Talstation transportiert werden, etwa per Bus. Bei einer Bergstation am Klinikum würde dann eine weiteres Wegstück zum Campus Lahnberge anschließen.
Es wurde die Frage gestellt, wieso eine Talstation Uferstraße oder Schülerpark angedacht sei. Eine Platzierung am Bahnhof sei vorteilhafter und anzustreben. Vorteile einer Talstation Bahnhof oder Waggonhallengelände wurden erörtert. Damit jedoch käme keine direkte Verbindung Richtung Campus Firmanei zustande.
Die angedachte Trasse leistet keine Verbindung der beiden zukünftigen Campusorte. Dafür müsste es am Firmaneiplatz (via Deutschhausstraße) losgehen. Endstation oben müsste sein die Biologie im ausgebauten Campus Lahnberge. Doch dies würde die Fahrstrecke verdoppeln,das wäre ein ganz anderes Ding.
Wieviele Personen müssen eigentlich transportiert werden?
Als Transportkapazität der Luftseilbahn sind 2.800 Personen benannt. Pro Stunde. Am Tag wären dies mehr als 33.000 Personen. Dagegen wirkt ein vermuteter Transportbedarf von 2000 Personen zwischen Stadt und Klinikum Lahnberge bescheiden. Selbst weitere 2000 oder 4000 Studierende zum Campus Lahnberge bleiben weit unter der Kapazität.
Es gibt derzeit keine Zahlen, keine Prognose zum Verkehrsaufkommen. Benannt ist ein Ausbau beim Klinikum und die Konzentrierung der Naturwissenschaften auf den Lahnbergen. Bis zum Jahr 2017 rechne die Universität mit steigenden Studentenzahlen, berichtete Bürgermeister Kahle. Die Transportkapazität zu den Lahnbergen mit Bus beträgt derzeit 600 Personen in der Stunde.
Energetischer und ökologischer Vorteil ?
In Gegenüberstellung wirkt der energetische Einsatz einer Luftseilbahn effektiver. Sie braucht eine Antriebsleistung von 650 KiloWatt (kW). Ein einzelner Stadtbus benötigt 140 kW Antriebsleistung. So entstünde bei hoher Nutzung der Kapazität einer Seilbahn ein Vorteil in der ökologischen und ökonomischen Bewertung. Alleine 10.000 oder 15.000 Nutzer am Tag sind nicht in Sicht und benennbar. Dabei sieht eine solche Bewertung davon ab, dass eine Seilbahn nicht die einzige Verbindung werden kann. Busverbindung und PKW-Einsatz würden keinesfalls ersetzt werden. So wurde eine zusätzliche touristische Nutzung ins Feld geführt. Wieviele Touristen zu welchen Zielen auf die Lahnberge wollen, sagte freilich niemand, bei einem Touristenticket für 5 Euro.
Ausbau ÖPNV Marburg, aber wie ?
Es gibt derzeit keine belastbaren Zahlen zum Bedarf. Studierende verweisen auf die 30 Minuten Verbindungszeit zwischen Stadtmitte und Lahnbergen. Doch wird dies eine Seilbahn nicht entscheidend ändern. Jedoch mussten Nutzer der Stadtbuslinien mit dem letzten Fahrplanwechsel eine Ausdünnung der Taktzeiten hinnehmen.
So machte der Infoabend zur Luftseilbahn auf die Lahnberge viele Fragen und Unklarheiten sichtbar. Eine letztliche sachliche Bewertung ist derzeit kaum möglich. Ob dieses Thema in Marburg in Wahlkampfzeiten (für die Grünen) tauglich ist, ist als Frage zu stellen. Der Möglichkeit nicht zu sagen Gefahr, dass die Luftseilbahn zu einer Lufnummer gerät, sollte ins Auge geblickt werden. Zum vorhergehenden Bericht und Informationen und Aussagen Grüne Marburg im Internet.
Zudem ist eine erkleckliche Zahl Marburger gerade dabei, eine Bürgerinitiative für eine Tunnelführung oder anderweitigen Rückbau der Stadtautobahn zu organisieren. Lärmbelästigung, Luftverunreinigung und Zerschneidung des Stadraumes von der B3A sind für viele Bewohner ein erhebliches Problem, das zukünftig wieder mehr in die öffentliche Meinungsbildung geraten wird.