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Marcel Reich-Ranicki und die Eröffnung der „Arbeitsstelle für Literaturkritik“

Der Publizist Marcel Reich-Ranicki (rechts) und Professor Thomas Anz trafen sich zu einem Podiumsgespräch über „Literaturkritik als Beruf“. (Foto J.Scholten)

Marburg 6.7.2010 (pm/red) Der 90jährige Publizist Marcel Reich-Ranicki hat anlässlich der Einweihung der nach ihm benannten „Arbeitsstelle für Literaturkritik“ an einem Podiumsgespräch teilgenommen.

Der „Literaturpapst“ gab dabei auf Fragen des Literaturwissenschaftlers Professor Thomas Anz Auskunft zur Profession des Kritikers.

Mehr als 1.000 Zuhörerinnen und Zuhörer bedachten den Auftritt des 90-Jährigen im Hörsaalgebäudes mit tosendem Beifall.
„Kritik ist harte Arbeit“: Mit diesen Worten bestätigte Reich-Ranicki, dass er nicht nur das Talent zum Entertainer besitzt, sondern auch ein ernsthafter Literaturkritiker ist, „über den zu forschen sich lohnt“, wie Gastgeber Anz eingangs betont hatte. Freilich kam die Unterhaltung bei der einstündigen Diskussion über „Literaturkritik als Beruf“ nicht zu kurz.

Pointe und Kompetenz eines Doyen

Vom ersten Satz an war er da, der Reich-Ranicki-Sound, in pointierter Rede und seinem rollenden R.  Beide Motive – einerseits die Mühen des Rezensenten, andererseits die Lust an der medialen Vermittlung – zogen sich durch den Abend. „Marcel Reich-Ranicki gehört zu denjenigen, die hohe Ansprüche an Literaturkritik mit einem Maximum an Klarheit und Verständlichkeit verknüpfen – und dies mit Witz und Kompetenz“, erklärte Anz.
Dank dieser Doppelbegabung erfuhr das Publikum eine Menge über die Arbeit der Kritik. Anz erinnerte daran, dass Reich-Ranicki nicht nur selbst als Rezensent hervorgetreten ist, sondern mit seinem Buch „Anwälte der Literatur“ auch ein lesenswertes historisches Werk vorgelegt habe.
Immer wieder kam Reich-Ranicki auf Größen der Zunft wie Tucholsky, Heine und Schlegel zu sprechen. „Ich habe viel gelernt von Kritikern wie Kerr und anderen“, sagte er auf die Frage nach Vorbildern, die ihm besonders nahe stehen – nicht ohne eine kleine Boshaftigkeit mit aktuellem Bezug: „Die Zahl der bedeutenden Kritiker war stets sehr klein und ist jetzt noch viel kleiner.“

Damit hatte es sich dann aber mit der Polemik an diesem Abend. Ein altersmilde wirkender Reich-Ranicki ließ sich bereitwillig darauf ein, Fragen zum Wesen seiner Profession zu beantworten. „Kritik ist nicht dazu da, nur zu rühmen, und nicht dazu da, nur zu tadeln“, betonte der betagte Publizist; „die wichtigste Arbeit besteht darin, die Literatur darzustellen.“

Arbeitsstelle als Spezialarchiv

Die „Arbeitsstelle Marcel Reich-Ranicki für Literaturkritik in Deutschland“, die das Institut für Neuere deutsche Literatur im Rahmen des Studien- und Forschungsschwerpunktes „Literaturvermittlung in den Medien“ errichtet hat, archiviert alle Zeitungsartikel, die der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki bisher veröffentlicht hat und die von ihm selbst gesammelt wurden. Dazu sammelt sie Buchpublikationen, Bücher über ihn und aus seiner Bibliothek, sowie andere Arbeitsmaterialien, die Reich-Ranicki der Arbeitsstelle zur Verfügung gestellt hat.

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