Bürgerarbeit in Marburg-Biedenkopf
Marburg 17.7.2010 (yb) „Wir wollen in den kommenden drei Jahren rund 1.400 langzeitarbeitslose Menschen aktivieren und beginnen jetzt mit den Vorbereitungen dafür“. Diese Worte des Marburg-Biedenkopfer Landrats Robert Fischbach (CDU) finden sich in einer Pressemitteilung des Landkreises. Deutliche Worte findet der Landrat und benennt einen weiteren Schritt der Durchsetzung einer „Workfare“ (Arbeits-Dienst-Pflicht) im Unterschied zur „Welfare“ (Wohlfahrt), die mit Sozialstaat verknüpft ist.
Landkreis als Speerspitze für „Bürgerarbeit“
Der Landrat sagt nicht, dass er 1.400 Menschen „in Lohn und Arbeit bringen“ will, Fischbach will lediglich „aktivieren“. Er ist wahrscheinlich Realist genug, um zu wissen, dass er den 1.400 Menschen keine Arbeit geben oder vermitteln kann. Weil schlicht keine (bezahlte und reguläre) Arbeit für so viele und noch mehr Arbeitslose vorhanden ist. Der Kreis sei die einzige Optionskommune in Hessen, die das Modellprojekt „Bürgerarbeit“ umsetzt, wird mitgeteilt. Mit positivem Bescheid des Bundesarbeitsministeriums habe das Kreisjobcenter (KJC) bereits mit der Umsetzung begonnen.
Arbeitspflicht mit Niedrigstlohn als Bürgerarbeit
„Bürgerarbeit“ soll beginnen mit einer sogenannten Aktivierungsphase, gefolgt von einer Beschäftigungsphase. Es soll neues Instrument werden, um langzeitarbeitslose Menschen in Arbeit zu bringen.
Gelingt keine Integration in den ersten Arbeitsmarkt, kommt eine Vermittlung auf einen so genannten „Bürgerarbeitsplatz“ als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Dabei soll es sich um zusätzliche und im öffentlichen Interesse liegender Arbeit handeln. Der Monatsverdienst soll 900 Euro brutto für eine Beschäftigung mit 30 Wochenstunden betragen.
Weiterer Abbau des Sozialstaates mit Bürgerarbeit ?
Der von einer Koalition von CDU, Grünen, FDP und Freien Wählern regierte Landkreis Marburg-Biedenkopf will ganz vorne dabei sein, dieses neue Modell der schwarz-gelben Berliner Koalition zu testen. Kritisch dazu steht die Kreistagsfraktion der Linken. Sie hat einen Antrag zur Veröffentlichung des Konzeptes des Landkreises eingebracht. Das schwarzgelbe Konzept der Bürgerarbeit wird von Seiten der Linken grundständig kritisiert. Diskussionen und Ansätze für Bürgerarbeit gibt es seit einigen Jahren mit zugleich kontroversen Diskussionen.
Reservearmee für ausfallende Zivildienstleistende ?
Während in Berlin die Abschaffung des Wehrdienst und damit verknüpft des Zivildienstes vorangetrieben wird, wird mit Bürgerarbeit womöglich zugleich Ersatz mit billiger Arbeitskraft im Sozialbereich, Gesundheitsbereich und anderen „im öffentlichen Interesse“ liegenden Gebieten geschaffen. Wohlfahrtsverbände zum Beispiel haben einen hohen Bedarf an solchermassen billiger Arbeitskraft, wenn zukünftig Zivildienstleistende wegfallen.