Nanopartikel, Pneumologie und innovative Materialforschung
Marburg 4.8.2010 (pm/red) Dass Inhalieren von (Tabak-)Rauch gesundheitsbelastend ist und dass Asbest gefährliche Kleinteilchen absondert, hat sich herumgesprochen. So ist Asbestose wegen eingeatmetem Asbeststaub eine Staublungenkrankheit, wie die Staublunge vor allem bei Bergleuten als Berufskrankheit verbreitet war. Das menschliche Atmungsorgan ist zudem von neuen und unfassbar kleinen Teilen bedroht. Medizinische Forschung ist angezeigt und findet in Marburg mit Förderung aus Bundesmitteln statt. Mit 2,5 Millionen Euro wird im Forschungsverbund die Arbeit am Labor für Zellbiologie der Lunge gefördert.
Von „fundamentaler gesellschaftlicher Relevanz“ der Forschung zur Bewertung der Risiken inhalierter Nanopartikel spricht Professor Bernd Müller. Er ist Leiter der Marburger Arbeitsgruppe am Labor für Zellbiologie der Lunge.
Forschungsverbund
Das Marburger Labor mit Prof. Müller hat maßgeblich den Forschungsverbund ”Prädiktion humantoxikologischer Wirkung synthetischer Carbon Black Nanopartikel” aufgebaut, zusammen mit 6 weiteren Forschungsträgern. Im Rahmen des „NanoCare-Programms“ fließen Fördergelder für drei Jahre im Gesamtvolumen von 2,5 Millionen Euro an die beteiligten Enrichtungen.
Kohlenstoff-Nanopartikel
Der Forschungsverbund „ Carbon Black“ beschäftigt sich mit Kohlenstoff-Nanopartikeln in Form von industriellen Carbon Black. Kohlenstoff-Nanopartikel in Form von Carbon Black (CBNP) haben wegen der jährlichen Produktion in riesigen Mengen eine besondere Stellung. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft sie als potenzielle Gefahr für den Menschen ein. Dabei ist unklar, welche Gefährdung von welchen der verschiedenen Eigenschaften der CBNP ausgeht.
Lunge als Organ
Nanopartikel können von Menschen mit der Nahrung, durch die Haut und mit der Atmung aufgenommen werden. 10.000 Liter Luft durchströmen täglich eine menschliche Lunge.
Die Austausch-Oberfläche der menschlichen Lunge entspricht einer Fläche von 120 Quadratmetern. Mithin ist in der Lunge viel Platz für Einlagerung kleinster Nano-Partikel.
Die Lunge ist die Haupteintrittspforte für Nano-Partikel in den menschlichen Körper. Dabei ist sie ein sehr empfindlich auf Schadstoffe und Partikel reagierendes Organ.
Entwicklung von Prüfsystem
Ziel des Verbundvorhabens ”Carbon Black” ist es, ein mehrstufiges Prüfsystem mit Testmodellen zu entwickeln. Damit sollen die für Menschen schädlichen Auswirkungen von modifizierten und detailliert charakterisierten CBNP in den Atemwegen und der Lunge überprüft werden.
Expertengruppen arbeiten mehrstufig
Die Arbeitsweise in Expertengruppen in dem Forschungsverbund beeinhaltet eine mehrstufige Auslegung. Die Projektbeteiligten leisten arbeitsteilig und an verschiedenen Instituten Untersuchungen verschiedener funktioneller Lungenbereiche:
– Luftröhre, Bronchien, Lungenbläschen
– Untersuchungen in vivo, Gesamtorganismus
– Untersuchungen ex vivo, isolierte Zellen
– Untersuchungen in vitro, Zellkulturen
Folgen für industrielle Nano-Produktion
Die Analyse des Einflusses von CBNP-Modifikationen und ihrer potentiell giftigen Wirkung auf die Lunge hat Implikationen für die industrielle Herstellung, den Umgang und die Verwendung künstlich hergestellter CBNP. Durch die Auswahl toxikologisch unbedenklicher Modifikationen ließe sich ein Gesundheitsrisiko vermindern, ohne technische Anwendungsbereiche einzuschränken.
Potential von Nanoteilchen und Risikobegrenzung
Das hohe technische und wirtschaftliche Potenzial von Nanomaterialien lässt erwarten, dass Herstellung und Verwendung von Kohlenstoff-Materialien massiv zunimmt.
Prüfverfahren entwickeln
Daher kommt einem Prüfverfahren zur Gesundheitsgefährdung, das der Forschungsverbund entwickeln will, große Bedeutung zu. Ergebnis der Forschungen müsste sein, dass nur solche Nanoteilchen überhaupt hergestellt werden, die geprüft und für Menschen ungefährlich getestet sind.
Professor Bernd Müller beschreibt ohne Übertreibung, wenn er von „fundamentaler gesellschaftlicher Relevanz“ spricht. Neue Staublungenkrankheiten aus CBNP-Nanopartikeln präventiv und proaktiv verhindern. Medizinische Forschung kann Krankheit verhindern – jedoch muss industrielle Produktion den Ergebnissen der Medizin folgen.