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Zukunft der Kliniken in Marburg und anderswo

Marburg 27.8.2010 (yb/wm) Das UKGM kommt nicht aus den Schlagzeilen. Zuletzt starb ein Patient, dem Blutkonserven mit falscher Blutgruppe gegeben wurden. Menschliches Versagen, heißt es in der Mitteilung des Rhön-Klinikum. Diesem privaten Gesundheitskonzern gehört das Marburger Uniklinikum zusammen mit dem Giessener an. Es wurde privatisiert. Damit sind die wichtigsten Kliniken Mittelhessens dem Primat kapitalisitscher Ökonomie und  Verwertung unterworfen. Das spüren die Mitarbeiter. Und die Patienten.

Vorfälle und Probleme häufen sich

Zuletzt sollten Aushilfen, Zeitarbeitskräfte zur Reinigung der OP-Bereiche eingesetzt werden. Ohne Zustimmung und vorhergehende Einbeziehung des Betriebsrates. Davor waren es funkende Kittel. angebliche logisitische Vorteile veranlassen Klinikleitung RFID-Chips in die Dienstkelidung zu schmuggeln. Der  Personalrat wusste nichts davon. Ein Schelm, der böses dächte. Gar einen Zusammenhang zur Privatisierung herstellt. Fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker geht hier nicht. „Wes Brot ich es, des Lied ich sing“.  Der Klinikumsprivatisierer Roland Koch geht. Räumt die Hessische Staatskanzlei. Verlässt politischer Verantwortung. Man wird sehen, welche Positionen bei welchem Konzern Koch angedient werden.

Uniklinikum auf den Lahnbergen (Foto Wikipedia Copyright cc)

Doch bleiben und verstärken sich die Fragen zur Zukunft des Marburger Klinikums. Wer plant dort eingentlich? Mit welchen Zielstellungen und Vorgaben? Das Privatisierung von Großkliniken kein Allheilmittel und Wundertrank sein kann, wissen nicht nur Patienten und Beschäftigte in Marburg und Gießen. Doch wer weiß eigentlich etwas und woher zur Entwicklung und Ausrichtung von Krankenhäusern.

Untersuchung zur strategischen Ausrichtung von Krankenhäusern

Es ging Forschern der Fachhochschule Osnabrück um Untersuchung strategische Herausforderungen und praktische Notwendigkeiten zukünftiger Krankenhausentwicklung. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung haben sie jetzt vorgelegt. Dazu ein Handlungskonzept.

Portfolio  – Klärung des jeweiligen Profils

Unter Portfolio wird im Wirtschaftsdeutsch die Menge an Produkten oder Dienstleistungen verstanden, welche ein Unternehmen herstellt und auf dem Markt anbietet. Auch Krankenhäuser besitzen im Rahmen ihrer stationären Leistungserbringung ein solches Portfolio. Dieses kann sich bei Krankenhäusern der Allgemeinversorgung aus klassischen Einrichtungen, z.B. der Geriatrie, Neurologie und Orthopädie zusammensetzen. Spezialkliniken hingegen besitzen eine besondere Leistungsstruktur.

„Es ist für das Überleben eines Krankenhauses sehr wichtig, dass es sich seines Leistungsspektrums, also seines Portfolios, bewusst wird und dieses in eine strategische Planung einbindet“, betont Dr. Winfried Zapp, Professor für Krankenhaus-Controlling an der Hochschule.

Unter dem Namen „Strategische Planung – Portfoliomanagement in Krankenhäusern“ entwickelte er mit seinen Wissenschaftlichen Mitarbeitern ein Konzept, welches es dem Krankenhaus-Management erleichtern soll, die richtigen strategischen Maßnahmen für die Zukunft zu treffen. „Letztendlich geht es uns in dem erstellten Handlungskonzept darum, den Krankenhäusern eine Erleichterung in dem Erarbeiten und der Umsetzung von Strategien zu liefern. Das Konzept kann einen wesentlichen Beitrag zur Bestandssicherung und damit zum Erfüllen des Versorgungsauftrags beitragen“, so Zapp weiter.

Uniklinikum Marburg pivatisiert und der Verwertungslogik unterworfen (Foto Wikipedia Copyright cc)

Es werden weniger Klinken nicht mehr

Die Forscher gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren ca. 10% der Krankenhäuser aufgrund zunehmenden Konkurrenzdrucks, finanzieller Engpässe und defizitären Wirtschaftens dem Marktgeschehen nicht mehr standhalten können. Eine frühzeitige und durchdachte strategische Ausrichtung hingegen kann sich in einem solchen Konzentrations- und Selektionsprozess letztendlich als wertvolle Hilfe erweisen.

In den letzten Jahrzehnten allerdings wurden strategische Handlungskonzepte bzw. Langfristplanungen eher stiefmütterlich behandelt und vernachlässigt. Um einen Überblick des Status Quo zu erhalten wurden die ca. 2000 Krankenhäuser bundesweit zu ihrer strategischen Ausrichtung befragt. „Angesichts der angespannten Marktlage ist es erstaunlich, dass nur weniger als die Hälfte der Krankenhäuser eine klare strategische Richtung vorgeben. Zudem wird oftmals jenes bereits als strategisch empfunden, was maximal einer Mittelfristplanung entspricht. In anderen Worten: Es bestehen in diesem Punkt bundesweit weiterhin erhebliche Defizite“, unterstreicht Zapp.

Verharren im operativen Tagesgeschäft

Chirurgie der Gießener Unikliniken, Teil des privatisierten UKGM und dem Rhön-Klinikum zugehörig (Foto Wikipedia, copyright cc)

Der Fokus der Krankenhausleitungen lag und liegt damit weiterhin klar auf dem Management des operativen Tagesgeschäfts. „Dies ist teilweise verständlich, da viele Kliniken unter einem enormen Druck stehen, das Tagesgeschäft qualitativ und quantitativ auf hohem Niveau zu halten“, ergänzt Johannes Grundmann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter. „Für die Erarbeitung langfristiger Unternehmensstrategien bleibt oftmals zu wenig Zeit.“

Durch die Umfrageergebnisse in ihrer Annahme bestätigt, entwickelten die Forscher ein Konzept zum Portfoliomanagement, welches mit Hilfe der Niels-Stensen-Kliniken Marienhospital Osnabrück in der Praxis getestet wurde. „Als Hochschule mit anwendungsorientierter Forschung haben wir stets darauf Wert gelegt, die konkreten Erfordernisse der Praxis in die Konzepterstellung einfließen zu lassen und somit den Handlungsrahmen sukzessive zu optimieren. Die Kooperation mit dem MHO ist hierfür sehr hilfreich“, hebt Grundmann hervor.

Krankenhäuser sind Teile der Gesellschaft

Für die Etablierung einer sinnvollen strategischen Ausrichtung ist es wichtig, dass die Krankenhäuser sich nicht nur ihrer eigenen Stärken und Schwächen bewusst werden, sondern auch die demografische Entwicklung, die Struktur des Versorgungsraums (z.B. städtisch oder ländlich), den medizinischen Fortschritt und das Finanzierungssystem analysieren. Alle Faktoren werden aufeinander abgestimmt, um letztendlich die Versorgung der Patienten qualifiziert sicherstellen zu können. Das generierte Konzept soll dazu beitragen, die hohe medizinische Leistung aufrechtzuerhalten und ökonomisch abzusichern.

Kluge strategische Ausrichtung hat Wert

„Das Thema Gesundheit ist ein sehr sensibler gesellschaftlicher Bereich. Letztendlich ist die Skepsis vieler Menschen gegenüber Quantifizierungen und Monetarisierungen im Gesundheitswesen nachvollziehbar. Allerdings sollte man sich stets vor Augen halten, dass eine genaue Portfolioanalyse zur wirtschaftlichen Absicherung vieler Krankenhäuser einen wesentlichen Beitrag leisten und somit zur Versorgungsqualität erheblich beitragen kann. Ich bin davon überzeugt, dass die Zukunft vieler Krankenhäuser von einer frühzeitigen und klugen strategischen Ausrichtung abhängig ist. Wir hoffen, dass unser entwickeltes Konzept als wesentliche Unterstützung zur Entscheidungsfindung fungiert“, fügt Prof. Zapp hinzu.

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