Naomi Beckwith als Künstlerische Leiterin der documenta 16 vorgestellt

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Rappelvolle Bürgerversammlung Nordstadt im Afföller

Marburg 8.9.2010 (yb) Die Platzkapazität im Bürgerhaus Afföller ist harsch gefordert. Weit mehr als 100 Bürgerinnnen und Bürger sind gekommen, um sich aus erster Hand Informationen zu holen. Stadt-verordnetenvorsteher, Oberbürger-meister, Bürgermeister und dazu Stadtplaner hat man als Marburger selten in einem Raum. Schon gar nicht im Afföller. Nach Begrüßung durch den Heinrich Löwer gibt OB Egon Vaupel einen Einstieg in den Abend.

Nordstadt steht ein Aufschwung bevor

Vaupel vergegenwärtigt die Entwicklung der Nordstadt, zu der auch das Klinikviertel gehört.  Das Schlagwort in zurückliegenden Jahren lautete Verwaisung und Niedergang nach dem Wegzug der Uniklinken auf die Lahnberge. Sanierung Nordstadt ist eine Reaktion darauf. Der OB berichtet vom Bahnhof, der in seinen Augen ein Dauerärgernis ist, jedenfalls schon viel zu lange das Gegenteil eines Schmuckstückes in Marburg sei. Bevor endlich die DB Massnahmen ergreift, wird numehr die Stadt über die GeWoBau tätig. Seit einigen Monaten wird das Bahnhofsgebäude umgebaut. Das Congress Centrum der DVAG, die Umfeldgestaltung der Elisabeth-Kirche sind Beispiele für bevorstehenden Aufschwung, sagt Vaupel. Nach kurzen Worten von Bürgermeister Franz Kahle kommen zunächst die Fachplaner zu Wort.

Bahnhof, Bahnhofsvorplatz und Bahnanlagen

Zu den verschiedenen Teilbereichen des Bahnhofes gibt Baudirektor Rausch einen mit Plänen illustrierten Überblick. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft hat Teile des Bahnhofsgebäudes erworben und baut darin Gewerbeeinheiten.

Behindergerechter Zugang zu den Gleisen seien ein wesentliches Anliegen bei den kommenden Arbeiten, die demnächst von der Bahn zu erbringen seien.

Von täglich 19.000 Fahrzeugen im Vorbereich des Bahnhofes berichtet der Planer Rausch. Der Durchgangsverkehr solle dort verschwinden. Der Platz könne damit eine Aufenhaltsqualität erhalten. Bis Ende 2011 dauert der erste Bauabschnitt (BA).

Im Mai 2011 beginnt ein zweiter BA. Darin wird die Elisabeth-Brücke saniert. Es folgen weitere BA. Laut Bauzeitenplan dauert es bis Mai 2014 ehe alle Arbeiten abgeschlossen sein werden.

Kritische Fragen aus dem Publikum

Das Marburger Kreuz am Bahnhof – oben die vierspurige aufgeständerte Nord-Süd-Achse der B 3a, darunter die Bahnhofstraße als Verbindung zur Stadt jenseits der Lahn (Foto H.Bambey)

Die Gelegenheit für Fragen wird lebhaft genutzt. Verkehrsberuhigung, Zugang für Behinderte zum Bahnhof und den Gleisen, Störfaktor Stadtautobahn und Ausgestaltung der öffentlichen Bereiche interessiert die Menschen. Sie kennen sich aus, wohnen und leben im Bereich des Bahnhofes. Müssen die Belastungen aushalten. Skepsis ist unüberhörbar.

Ob Vaupel nimmt Stellung zum Lärm als einem Kardinalproblem. Bisher gibt es keine Lösung, man arbeite dran. Egon Vaupel bezweifelt, dass Lärmschutzmassnahmen bei der Hochbrücke möglich seien. Damit würde die Sichtbeziehung zur Stadt völlig verbaut. Der Oberbürgermeister fordert eine Geschwindkeitsbegrenzung auf 80 bzw. 60 Kilometer pro Stunde. Applaus kommt dazu aus dem Publikum. Dagegen steht bis heute der Regierungspräsident. Eine Tunnellösung, wie in letzter Zeit gefordert, möchte Vaupel heute Abend nicht errörtern. Langsfristig sei dies in Erwägung zu ziehen, sagt der Oberbürgermeister.

Verkehrsberuhigung im Bahnhofsbereich mit Neuorganisation des Öffentlichen Personennahverkehrs und ein Tempolimit auf der Stadtautobahn B3 sind in den Augen des OB die wesentlichen Kennzeichen der Baumassnahmen.

Nach Schaffung günstigen Wohnraumes gefragt, verweist der OB auf die fehlende Förderung von Bund und Land. Alleine könne die Stadt Marburg dies nicht leisten, allerdings gebe es hier Nachholbedarf. Dem wolle sich die Stadt stellen, brauche allerdings die Mitfinanzierung von Land Hessen und Bund. Ohne Städtebauförderung könne die Stadt Marburg dies finanziell nicht stemmen.

Bahnhofsbereich als Ort auch für Nichtseßhafte

Zur Aufenthaltsqualität im Bahnhofsvorbereich gehört auf Befragen aus dem Publikum in der Stadt Marburg, dass Wohnungslose der Aufenhalt zukünftig nicht verwehrt werden wird. OB Vaupel vertritt dies ausdrücklich Er kann nur für öffentliche Bereiche Stellung nehmen. Die Bahnflächen sind privat. In den Augen von Bürgermeister Kahle sind der Aids-Laden und die Suppenküche in diesem Bereich konkreter Ausdruck einer auf Integration ausgerichteten Sozialpolitik der Stadt Marburg.

Sanierungsprogramm Nordstadt

Sanierungsbeauftragte Schmedes erläutert die seit 2004 stattfindende Sanierung, die in mehrere Bereiche unterteilt ist. 15 Jahr Laufzeit und 11,2 Millionen Euro geschätzte Baukosten machen anschaulich, dass dort dicke Bretter gebohrt werden müüsen und laner Atem vonnöten ist. Für 2,6 Mio Euro wurde die Ketzerbach umgestaltet. 3,8 Mio Euro werden für das Umfeld der Elisabeth-Kirche aufgewendet. Das umgestaltete Teka-Kaufhaus, die Modernisierung und der Ausbau Altenwohnheim in der Lahnstraße sind private Sanierungsmassnahmen. Dafür werden Fördermittel gewährt.

Die Radwegeverbindung bis zum Afföller ist eine Massnahme im Bereich von Wegeverbindungen. Zum Bahnhof gehört historisch das Waggonhallengelände. Dafür gibt es Planungen, inklusive Freiflächengestaltungen und neuer Wohnbebauung.

Die Anschaulichkeit geleisteter Massnahmen und der Planungen zu Gunsten der Wohn- und Lebensqualität in der Nordstadt bringen der Referentin Applaus für ihrem Vortrag.

Neue Fragerunde

Henning Köster fragt zur Sozialverträglichkeit der Massnahmen, oder ob dort „polemisch artikuliert nicht ein Bonzenviertel entstehe.“ Zukünftige Verkehrsführung, Schutz der Menschen angesichts bedrohlicher LKW-Bewegungen und heftiger Baumassnahmen eines Bewohners aus der Furthstraße sind weitere Fragen. Die Baustelle nervt und belastet. Beifall.

Was wird gegen zu erwartende Gentrifizierungsprozesse seitens der Stadt unternommen, wird anschaulich als Frage gestellt.

Radwegeverbindung im Überschwemmungsbereich der Lahn interessieren.

Offfenbar viele sorgen sich um ihren heute preiswerten Wohnraum.

OB Vaupel skizziert noch einmal den Niedergang des Nordviertels. Er erinnert an Sorgen und Beschwerden von Geschäftsleuten, die um ihre Existenz gebangt haben.
Zum Schlagwort „Bonzenviertel“ verweist Vaupel auf das Engagement von Reinfried Pohl im Bückingsgarten. Dort seien Beschwerden von anderen Gastronomen wegen der nunmehr niedrigen Preise im neuen Bückingsgarten laut geworden.

Zur Verkehrsentwicklung zukünftig gehört, dass die Elisabethstraße verkehrsberuhigt wird. die Robert-Koch-Straße und obere Bahnhofstraße werden gegenläufige Verkehre aufnehmen. So kostengünstig wie jetzt, hätte die Stadt alleine die (Rad-)Wegeverbindung zwischen Bahnhofstraße und Rosenbrücke niemals bauen können, sagt Vaupel. Henning Köster stimmt dem zu.

In der Gentrifizierungsfrage gibt Bürgermeister Franz Kahle zu bedenken, dass der Niedergang im Bahnhofsviertel erhebliche Ausmasse angenommen hatte. Eine Gegenentwicklung war wünschenswert und vonnöten. Jetzt sei dies eingeleitet.
Stadtplaner Kulle beziffert einen Investitionsstau von 20 bis 30 Millionen Euro zu Beginn der Sanierung. Er sieht keine Probleme kommender Verdrängung von heutigen Bewohnern des Quartiers.

Vertagung Thema Campus Firmanei

Das schlägt um 22.09 Uhr der Stadtverordnetenvorsteher als Moderator vor. Vernünftig, weil alleine realistisch. OB Vaupel erhält Zustimmung bereits demnächst eine solche Veranstaltung stattfinden zu lassen. Terminvorschlag Oktober/November

Heinrich Löwer bedankt sich für die sachlichen und lebendigen Einbringungen.

In der Tat, dieser Abend war lebendig, kritisch und authentisch. Das könnte vielen zu denken geben. Es lohnt sich die Bürger mit zu nehmen. Und es lohnt sich als Bürger Informationen und Einbeziehung zu fordern.

Polis Marburg lebt.

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