Laufzeitverlängerung gefährdet Erfolg erneuerbarer Energien
Berlin, Marburg 22.9.2010 (pm/red) “Wir raten der Bundesregierung dringend davon ab, die Laufzeiten für Kernkraftwerke zu verlängern”, so Prof Martin Faulstich, Vorsitzender des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU). „Längere Laufzeiten sind keine Brücke, sondern ein Investitionshindernis für die erneuerbaren Energien.“ Ein heute vom SRU veröffentlichter Kommentar zum Energiekonzept der Bundesregierung warnt davor, dass die Laufzeitverlängerung den Ausbau der erneuerbaren Energien bremsen und den Übergang zu einer zukunftsfähigen nachhaltigen Stromversorgung in Deutschland gefährden wird.
Ausbau Erneuerbarer Energien wird gebremst
Die Bundesregierung entwickelt mit ihrem Energiekonzept erstmals Leitlinien für die langfristige Energieversorgung in Deutschland und weist dabei den erneuerbaren Energien eine zentrale Rolle zu. Der SRU begrüßt dies, zeigt aber auf, dass die Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke im Widerspruch zu diesen Zielen steht. Es besteht ein grundsätzlicher Konflikt zwischen der schwankenden Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien und den grundlastorientierten konventionellen Kraftwerken. Kohle- und Kernkraftwerke können aufgrund ihrer technischen Eigenschaften nur bedingt zum Lastfolgebetrieb eingesetzt werden, können also die schwankende Einspeisung aus erneuerbaren Energien nicht flexibel genug ergänzen. Abregelungen und Abschaltungen von Kohle- und Kernkraftwerken werden bei fortschreitendem Ausbau der erneuerbaren Energien häufiger notwendig. Dadurch sinkt ihre Auslastung.
Laufzeitverlängerung stabilisiert Grundlastkraftwerke
Der Ausbau der erneuerbaren Energien senkt die Wirtschaftlichkeit grundlastorientierter Kraftwerke. Die Laufzeitverlängerung stabilisiert jedoch dauerhaft einen hohen Anteil an Grundlast. Damit wächst die Gefahr, dass das EEG unter Druck gerät und sich die Bedingungen für erneuerbare Stromerzeugung verschlechtern. Aus Sicht des SRU sollte das EEG zukünftig zwar kostensensibel weiterentwickelt werden, Einspeisevorrang und garantierte Vergütung für die fluktuierend erzeugenden erneuerbaren Energien bleiben jedoch gerade im Fall einer Laufzeitverlängerung unverzichtbar. „Die Bundesregierung sollte unmissverständlich klarstellen, dass sie an den beiden Säulen des EEG, Vorrang und garantierte Vergütung, festhalten will“ meint daher die Ökonomin im Rat, Prof. Holm-Müller.
Energieszenarien zeigen keine volkswirtschaftlichen Vorteile
Auch aus den von der Bundesregierung vorgelegten aktuellen Energieszenarien lassen sich keine wesentlichen volkswirtschaftlichen oder umweltpolitischen Vorteile einer Laufzeitverlängerung ableiten. Die Nachteile und Risiken einer Verlängerung sind jedoch gut belegt. Statt den gefundenen gesellschaftlichen Konsens zur Kernenergie aufzukündigen und neue Investitionsunsicherheit zu schaffen, sollte die Bundesregierung ihre Kräfte auf die zukunftsweisenden Elemente des Energiekonzeptes in den Bereichen Klimaschutz und Effizienz konzentrieren.
Der SRU hat im Mai 2010 in seiner Stellungnahme „100% erneuerbare Stromversorgung bis 2050: klimaverträglich, sicher, bezahlbar“ gezeigt, wie eine vollständig erneuerbare Stromversorgung erreichbar wäre. Anfang 2011 erscheint ein Sondergutachten, das zusätzlich konkrete Vorschläge zur Umsetzung vorlegen wird. Alle Publikationen des SRU stehen unter www.umweltrat.de zum Download zur Verfügung.
Hintergrundinformation
Der SRU berät die Bundesregierung seit 1972 in Fragen der Umweltpolitik. Die Zu¬sammensetzung des Rates aus sieben Universitätsprofessorinnen und professoren verschiedener Fachdisziplinen gewährleistet eine wissenschaftlich unabhängige und umfassende Begutachtung, sowohl aus naturwissenschaftlich-technischer als auch aus ökonomischer, rechtlicher, politikwissenschaftlicher und ethischer Perspektive.
Der Rat besteht derzeit aus folgenden Mitgliedern
Prof. Martin Faulstich (Vorsitzender), Technische Universität München
Prof. Heidi Foth (stellv. Vorsitzende), Universität Halle-Wittenberg
Prof. Christian Calliess, Freie Universität Berlin
Prof. Olav Hohmeyer, Universität Flensburg
Prof. Karin Holm-Müller, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Prof. Manfred Niekisch, Goethe Universität Frankfurt, Zoologischer Garten Frankfurt
Prof. Miranda Schreurs, Freie Universität Berlin