Soziale und politische Unsicherheiten in der Gegenwartsgesellschaft
Hamburg, Marburg 2.10.2010 (pm/red) Am 4. Oktober beginnt im Hamburger Institut eine neue Reihe der InstitutsMontage, die sich mit den sozialen und politischen Unsicherheiten in der Gegenwartsgesellschaft befasst. Im ersten Vortrag am 4. Oktober 2010 spricht Jens Hacke über „Politische Bürgerlichkeit. Gibt es eine Ideologie der Mitte?“. Gefragt wird, inwiefern die Stabilität des Gemeinwesens von einer breiten Mittelschicht getragen wird, ob für den Zusammenhalt moderner Gesellschaften noch ein fest umrissenes gemeinsames Set politischer Werthaltung vorstellbar ist.
Was steckt hinter der neuen Bürgerlichkeit
Das Aufkommen einer „neuen Bürgerlichkeit“ hat in den letzten Jahren Anlass für Diskussionen geboten. Darin zeigt sich, dass neben der Lust am kultivierten bürgerlichen Lebensstil der Begriff der Bürgerlichkeit eine, wenn auch umstrittene, moralisch-politische Ausstrahlungskraft besitzt. Favorisieren die einen den neoliberalen Rückbau des Staates im Sinne einer – meist finanziell verstandenen – Eigenverantwortung der Bürger, plädieren andere für neue bürgerliche Formen der politischen Teilnahme und Mitbestimmung.
Mitte als Fundament der Gesellschaft
Die Mitte gilt als Fundament der bundesdeutschen Gesellschaft – mit knapp zwei Drittel der Bevölkerung stellt sie den maßgeblichen Träger des Wohlfahrtsstaates und seiner Solidarsysteme, der – so wird vermutet – durch den Übergang von einem sorgenden zu einem gewährleistenden Staat und durch die Sparmaßnahmen in Bedrängnis gerate. Die als bürgerlich konnotierte Mitte basiert auf bestimmten Familien- und Rollenmodellen, die sich ebenfalls in einem grundlegenden Wandel befinden. Konflikte um Status und Job etwa führen dazu, dass Abgrenzungen über Kategorien wie Bürgerlichkeit, Kultur und Bildung gegenüber einem gesellschaftlichen „unten“, zu dem man nicht gehören möchte, weiter zunehmen.
Mitte als politische Verortung
Mit dem Begriff der Mitte verbindet sich auch die Vorstellung eines politischen Standortes. Mit Ausnahme der Partei „Die Linke“, die aus geteiltem Selbstverständnis ausschert, beanspruchen alle im Bundestag vertretenen Parteien die Mitte für sich. Was versprechen sich die Parteien von dieser Standortbestimmung und wie versuchen sie sich von extremistischen Organisationen abzugrenzen? Zur sozialen und politischen Bedeutung der Mitte kommt eine geopolitische. In einem transnationalen europäischen Kontext stellt sich die Frage, wie die Partner mit ihren unterschiedlichen nationalstaatlichen Hintergründen in Zeiten einer globalen Finanzkrise als Akteure einer europäischen Mitte agieren.
Weitere Vorträge
- 1. November Karin Jurczyk: Familie als Mitte, Familie in der Mitte? Gesellschaftliche Verschiebungen
- 6. Dezember Berthold Vogel: Der Abschied von der Mitte, die wir kannten? Neue Konturen der Arbeitswelt, veränderte Formen des Wohlfahrtsstaates
- 10. Januar Ulrich Bielefeld: Mitten in Europa. Varianten und Konflikte europäischer Selbstthematisierungen
- 7. Februar Wolfgang Kraushaar: Zur Topographie der Mitte