Marburger SPD betont Soziales, Kultur und Stadtentwicklung
Marburg 16.11.2010 (pm/yb) Wenn sich die zum Abschluss des Programmparteitages der Marburger SPD am Freitag gesungenen Liedzeilen als belastbares Motto erweisen, haben die Sozialdemokraten in der Universitätsstadt eine gehörige Wegstrecke absolviert. „Mit uns zieht die neue Zeit“ erklang als Liedzeile aus dem alten Lied „Wann wir schreiten Seit´ an Seit´“.
Ablauf und Inhalte der gut dreistündigen Zusammenkunft deuten freilich in die Richtung. Ein 80-seitiges Wahlprogramm zur Kommunalwahl 2010 wurde erörtert und diskutiert und schließlich in großer Einmütigkeit verabschiedet. Vorsitzender Steffen Rink setzt erneut auf die Bezeichnung Marburg-Plan und will damit wohl zugleich den Anspruch konkreter Verortung auf die hiesigen Verhältnisse, Aufgaben und Anliegen betonen.
80 Seiten Programm verabschiedet
Doch der Reihe nach. 80 Seiten Wahlprogramm fallen nicht vom Himmel. In mehreren Arbeitskreisen ist der Programmentwurf entwickelt worden. So hatten die Vorsitzenden dieser Arbeitskreise die einzelnen Abschnitte einzubringen und vorzustellen. Über den Abend gab es denn nur vereinzelt Änderungsanträge und Ergänzungen. Damit ist es keinesfalls zuvorderst etwa Personelles, was die Genossen antreibt. Bestandsaufnahmen mit Rückblick sind Grundlage für Vorstellungen und Forderungen für die kommenden Jahre. Kein schlechter Ansatz, wer Einschätzungen folgt, dass in der zurückliegenden Legislatur eine Menge geleistet und zum Wohl von Stadt und Menschen umgesetzt wurde.
Konjunkturprogramm hat die Stadt weit vorangebracht
Das muss und kann nicht alleine an der imposanten Zahl der Baukräne im Stadtgebiet festgemacht werden. Man weiß durchaus einzuschätzen, dass das Konjunkturprogramm für Marburg geradezu ein Glücksfall gewesen ist. Mit abgeschlossenen Planungen in der Schublade konnten Gelder in der Größenordnung von weit mehr als zehn Millionen Euro zügig abgerufen und schnell in Baumaßnahmen umgesetzt werden. Die Grundlage vor Ort hat Rot-Grün selbst geschaffen, das Programm stammt aus der Feder des Sozialdemokraten Peer Steinbrück, wurde auf dem Parteitag in Erinnerung gerufen.
Aufbruch und Strukturwandel in Marburg
Damit ist als allgemeine Standortbestimmung der umfassende Wandel und Aufbruch Marburgs ins Feld geführt, umzusetzen mit starker eigener Steuerkraft der Stadt und vielen fleißigen Vorarbeiten, wie etwa der Sanierung(splanung) im Bereich der Nordstadt. Ketzerbachgestaltung und das Umfeld der Elisabeth-Kirche geben Zeugnis von dieser Politik, die sich die SPD auf die Fahne schreibt und fortsetzen will.
Dabei ist man so realistisch zutreffend einzuschätzen, dass an Marburg die negativen Folgen der ausklingenden Finanz- und Wirtschafskrise ohne Folgen vor Ort vorübergegangen sind. Zugleich wurden die Verbindlichkeiten der Stadt von 100 Millionen Euro mit sparsamer Haushaltsführung in den letzten Jahren halbiert.
Marburg steuert gegen zu Schwarz-Gelb und schafft Kompensationen
Zugleich werde städtische Politik deutlich gefordert Gegengewichte und Ausgleich zur neoliberalen Politik aus Wiesbaden und Berlin zu leisten. Hohen Mittelkürzungen für die Kommunen zu Gunsten der Sanierung des Landeshaushalts und unzureichender Ausstattung der Schulen setze Marburg eigene Programme entgegen. Dies etwa im Bereich frühkindlicher Förderung von Hort- und Krippenplätzen.
Das Bekenntnis zum Ausbau von Bildung, Kultur und Wissenschaft als zukunftsorientierter Politik will die SPD flankiert sehen, was sich mit dem Begriff „Soziale Stadt“ beschreiben lässt. Mit dem Richtsberg als größten Stadtteil vorneweg soll es weiterhin um Programm zu Förderung von Integration gehen. Auch hier stehen aus Berlin deutliche Kürzungen ins Haus, was deutliche Worte Kritik und Ablehnung auslösen musste.
Soziale Stadt als Auftrag
An die Soziale Stadt schließt als Motto die „Stadt der Familien und Generationen“ nahtlos an. In den Worten von Steffen Rink bei der Einbringung des Programms hörte sich das folgendermaßen an. „Eine familien- und generationenfreundliche Stadt, eine Stadt der kulturellen Vielfalt, des sozialen Ausgleichs, der Bildung und Wissenschaft, eine Stadt, die sich ihrer Verantwortung für die Menschen bewusst ist und in der es sich gut leben lässt: Das geht nur mit der SPD, und wie das geht, das sagt unser Programm.“ Der Beifall der knapp 50 Delegierten bestätigte die Aussagen des Parteivorsitzenden deutlich.
In mehreren Schwerpunkten beschreibt das Wahlprogramm aktuelle und zukünftige Felder gewollten kommunalen Handelns.
- Stadt der Verantwortung
- Stadt der Familien und Generationen
- Stadt der Bildung, Kultur und Wissenschaft
- Soziale Stadt
Modernisierung und Ausbau der Stadthalle
Zugleich will es die SPD nicht an klaren projektbezogenen Aussagen fehlen lassen. So werden zur Zukunft der Stadthalle klare Ausagen und Festlegungen getroffen. Man will am Standort und Gebäude festhalten. Für eine umfassende Modernisierung sollen erhebliche Mittel investiert werden. Für den zukünftigen Betrieb wird ein Kooperationsmodell mit den Kulturschaffenden vom KFZ klar favorisiert.
Im Bereich des Nahverkehrs werden erhebliche Aufgaben gesehen. Insbesondere die Verbindungen zu den Lahnbergen müssten verbessert und ausgebaut werden, wird angesichts des Ausbaues des naturwissenschaftlichen Campus artikuliert. Dabei bevorzugt man klar die Verbindung mit Stadtbuslinien. Zugleich wird den Überlegungen auf Seiten der GRÜNEN eine Seilbahnverbindung ins Auge zu fassen eine recht deutliche Absage erteilt.
Bekenntnis zur Fortsetzung von Rot-Grün im Marburger Rathaus
Bei einer gelingenden Parteitagsdramaturgie war es gegen Ende der Zusammenkunft an Egon Vaupel mit Blick auf die Erfolge fünfjähriger Rot-Grüner Zusammenarbeit den Blick nach vorne zu wenden und eine Koalitionsaussage zu begründen. Er sehe, sagte Vaupel, mit der CDU keine Gemeinsamkeiten, wenn es um Integrationspoltik, die Kultur und andere Themenfelder gehe. „Integration, die Breite des kulturellen Angebots, Bildung, Ganztagsschule, Innenstadtentwicklung und Sicherung des Einzelhandels, die soziale Balance, die wir unbeding halten müssen – da liegen SPD und CDU weit auseinander, da haben wir die größten Schnittmengen mit Bündnis 90 / Die Grünen“, brachte Vaupel mit Leidenschaft zum Ausdruck. Diese Aussagen des Marburger Oberbürgermeisters beantworteten die Delegierten mit anhaltendem Beifall.
Ein differenziertes und aussagenstarkes Programm in der Tasche, eine erfolgreiche Bilanz der letzten fünf Jahre im Rücken, hat sich die Marburger SPD nicht alleine klar positioniert, sondern sich ebenso deutlich neu und gemeinsam formiert.
Für die SPD kann der Wahlkampf im Neuen Jahr kommen.
Die bürgerlichen Kräfte haben erst noch zu beraten, um sich dann inhaltlich zu artikulieren in den nächsten Wochen.