200 Kinder, Clowntheater und die Weihnachtsfeier in Cappel
Marburg 28.11.2010 (yb) Es ist eine Schande und es ist ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft und unseren Sozialstaat, dass es diese Weihnachtsfeier geben musste.
Vor 20 Jahren noch denkunmöglich, hat manifeste Armut inzwischen einen selbstverständlichen Platz in Deutschland gefunden. Es müssen Millionen Kinder mit ihren Eltern in materiellen Verhältnissen leben, wo das Einkommen, das zur Verfügung stehende Geld, nicht für die Ernährung ausreicht.
Diese Tatsache ist so unumstößlich, dass hier nicht einmal Statistiken und Zahlen zitiert werden müssen. Es sind Millionen, viele Millionen Menschen von solcher Armut betroffen.
Die millionenfache Armutslage ist eine Schande für die Anderen und einen Staat und eine Gesellschaft, die solches zulässt. Es ist keine Schande sich für betroffene Menschen zu engagieren. Dafür zu sorgen, dass aus dem Reichtum und dem Überfluss der Gesellschaft etwas den verarmten und in die Lage materieller Not gezwungener Menschen zukommt. Das macht die Marburger Tafel in jeder Woche.
Sie sammelt überschüssige, übrig gebliebene Lebensmittel bei Handel und Handwerk ein und verteilt sie an Bedürftige. Die Aktiven der hiesigen Tafel machen noch mehr. Sie wollen insbesondere Kindern zudem ein Stück kulturelle Teilhabe ermöglichen.
So wird in 2010 zum zweiten Mal eine Weihnachtsfeier angeboten. In das Bürgerhaus Cappel waren 400 (!) Kinder eingeladen. Sie sollten mit ihren Eltern ein paar gemeinsame fröhliche Stunden erleben. Die Tafel hat es organisiert, die Marburger Pharmafirma CSL-Behring hat es finanziell durch Sponsoring ermöglicht und die Sportlerinnen von Ruder-Achter der Uni haben mit ihrem Trainer den Tischservice übernommen. Das ist eine gute Sache. So haben das rund 200 Kinder im rappelvollen Bürgerhaus in Cappel erlebt, mit ihnen viele Eltern.
Ehrengast in diesem Jahr ist gewesen Professor em. Wolfgang Klafki, jahrzehntelang eine wissenschaftliche Größe als Erziehungswissenschaftler an der Philipps-Universität. Wolfgang Klafki hat ein Preisgeld von 10.000 Euro für den ihm verliehenen Comenius-Preis der Marburger Tafel gespendet für ein pädagogisches Projekt zu Gunsten von Kindern.
Rita Vaupel und Florian N.A. Berlinger von der Tafel stehen am Rande des Geschehen und schauen amüsiert zu.
Der Zauberer ist bereits aufgetreten und im Moment poltert die Clownin Gina Ginelli durch die Tischreihen im Saal. Die Eingeladenen sind gekommen und fühlen sich wohl, der Service der rudernden Studentinnen klappt bestens und die skurille Zaubererin Gina macht mächtig Stimmung.
Prima Klima, wenn diese Schande nicht wäre. In Marburg wird eine Menge gegen Deklassierung und ihre Folgen getan. Von der Tafel und anderen in Vereinen und in Initiativen engagierten Menschen. In Marburg hat niemand die Schande zu verantworten.
In Berlin ist in der zurückliegenden Woche der Haushalt 2011 des Bundes verabschiedet worden. Millionen sind darin gekürzt worden bei dem Programm „Soziale Stadt“. Von der Förderung aus dem Programm Soziale Stadt hat in Marburg jahrelang der Stadtteil Richtsberg profitiert.
Diese erneute Kürzung der schwarzgelben Koalition im Sozialbereich ist erneut eine Schande.
Sie wird Hunderttausende Menschen betreffen und Tausende engagierte Menschen, die gegen die Folgen der millionenfachen Verarmung anstehen und sich für ein würdiges Menschenleben engagieren.
Dass dies geht, dass es etwas bringt und Menschen zufrieden macht und von ihnen dankbar angenommen wird, zeigt die Weihnachtsfeier in Cappel mit Gina Ginelli und den 200 Kindern. Diese Feier ist keine Schande, sie ist das Gegenteil davon.