Henning Köster, Die Linke zur SPD
Marburg 28.11.2010 (pm) Die Redaktion veröffentlicht eine Stellungnahme von Henning Köster, Die Linke, Marburg, auf die in der Menüleiste nebenstehende Stellungnahme von Steffen Rink, dem Vorsitzenden der SPD Marburg:
Lieber Steffen Rink, 28.11.2010
mit großem Interesse und aufmerksam habe ich deine Stellungnahme zur aktuellen Politik der Marburger Linken gelesen und möchte sie hiermit beantworten, wobei ich verbale Ausfälle wie ‚ schwachsinnig’ ,verantwortungslos’ ‚populistisch’, ‚demagogisch’ ‚Stadtwerke kaputt schießen’ usw. m Interesse einer sachlichen Auseinandersetzung übersehen möchte.
Festzuhalten ist zunächst einmal, dass wir uns hier über die finanziellen Rahmenbedingungen von Kommunalpolitik unterhalten, die maßgeblich eine SPD/Grünen-Bundesregierung jahrelang unterhöhlt hat. Als Sozialdemokrat dürfte es dir nicht entgangen sein, dass in unserer Gesellschaft und auch in Marburg Armut einerseits und riesiger Wohlstand andererseits in einen immer krasseren Kontrast treten. Wie du weißt hat die von Schröder und Fischer geführte Regierung durch zahlreiche Milliarden-Steuergeschenke für die bereits begüterten und für Großunternehmen daran einen maßgeblichen Anteil .
Gleichzeitig hatte die Politik der Liberalisierung des Finanzmarkts durch dieselbe Bundesregierung unser Land in die schlimmste Wirtschafts- und Finanzkrise seit der großen Weltwirtschaftskrise gestürzt. Die Zocker und Absahner der Großbanken gingen daraus weitgehend ungeschoren hervor und bedienen sich wieder schamlos. Die Zeche, die immer neuen Zuwendungen, Bürgschaften, Schutzschirme usw. soll die breite Bevölkerung und vor allem die jetzt schon ärmsten Teile der Bevölkerung zahlen. Finanziell ausblutende Kommunen und öffentliche Infrastruktur, fehlenden Sporthallen ein marodes Bahnnetz, ein skandalös unterfinanziertes Bildungssystem und vieles mehr sind weitere Folgen.
Nun vermisse ich ein Aufbäumen der Sozialdemokratie gegen diese Entwicklung. Müsste sie sich nicht konsequent den seit Jahren erhobenen Fordreungen der Linben anschließen, das Geld sich endlich dort zu holen , wo es ist , durch eine drastisch höhere Besteuerung der großen Vermögen, hoher Erbschaften,der Gewinne aus Finanztransaktionen , von Unternehmensgewinnen usw. ?
Das Gegenteil ist er Fall – und zwar auch hier vor Ort. Statt den Hebesatz der Gewebesteuer auf Gießener Niveau zu heben, wird Marburgs Großverdienern von OB Vaupel und seinem Magistrat mit Unterstützung der bürgerlichen Fraktionen noch ein Millionengeschenk gemacht durch die Senkung der Gewerbesteuer. Statt eine Kampagne für Einnahmenzuwächse aus reichen Vermögen bedient die Hessen SPD weiterhin den neoliberalen Mainmstream und setzt sich mit Bouffier , Hahn und Al_Wazir ins ‚Schuldenbremseboot ‚ das harten Kurs gegen die Gewerkschaften steuert.
Da machen wir nicht mit – und das erwarten auch viele Menschen von uns. Während täglich bundesweit mit Hunderten Milliarden Bankenhilfe jongliert wird , auch wenn nur ein Teil davon möglicherweise endgültig verloren ist, so zeigt das doch :
Die Bundesrepublik Deutschland ist eines der reichsten Länder der Erde. Geld ist im Überfluss da. Es ist nur falsch verteilt. Es ist viel zu viel in den Händen weniger Privater. Während sich nicht wenige einen privaten Swimming-Pool oder einen Luxusurlaub im Rosenparkressort des Dr.Pohl in der Algarve leisen können , streiten sich in Marburg Schüler, ältere Menschen , Vereinsschwimmer und sonstige Nutzer um jeden qm öffentlicher Schwimmfläche. Während sich ein Teil der Bevölkerung teure Fitness-Studios leisten können, haben die Berufsschüler in Marburg wegen einer fehlenden Sporthalle keinen gescheiten Sportunterricht. Währen die Politik von Begrenzung der schamlosen Banker-Boni nur redet, verdient ein Familienvater als Busfahrer bei der MEG gerade mal 1300 Euro , werden Hatz IV-Empfänger mit lächerlichen 5 Euro mehr abgespeist.
Deswegen werden wir nicht müde werden immer wieder darauf hinzuweisen, wofür der gesellschaftliche Reichtum, wofür die Hunderte Milliarden Banksubventionen und Bürgschaften und die nicht eingenommenen Reichensteuern ausgegeben werden könnten :
Für ausschließlich vollwertige Beschäftigungsverhältnisse bei der Stadt und ihren teilprivatisierten Unternehmen, für kostenlosen ÖPNV , für soziale Strom-und Gaspreise, für zwei neue Sporthallen und ein 50m-Becken, für ein
Stadtmuseum , für einen ‚Eispalast’, der diesen Namen wenigstens ansatzweise verdient, für eine Ausweitung der Leistungen des Stadtpasses usw.
Natürlich ist uns klar, dass das nicht alles auf einmal geht. Dass manches davon Änderung der nichtlokalen Steuergesetzgebung voraussetzt .
Allerdings sagen wir mit aller Klarheit :
- 1) Wir möchten die Einnahmenseite der Stadt deutlich verbessern durch eine deutliche Anhebung des Hebesatzes der Gewerbesteuer
- 2) Durch eine deutliche höhere Ausschüttung der Stadtsparkasse an den städtischen Haushalt
- 3) Mitfinanzierung des ÖPNV durch Unternehmen mit mehr als 10 Beschäftigten
- 4) Verzicht auf unnötige Ausgaben wir die Luxussanierungen des Pilgrimstein-Parkhauses mit 9 Mio Euro . Da bleibt das Geld, das für sinnvolle Verbesserungen und Preissenkungen im ÖPNV verwendet werden könnte
- 5) Herausnahme der Parkraumbewirtschaftung aus den Stadtwerken.
- 6) Ausreichende Direktfinanzierung der Stadfwerke aus dem städtischen Haushalt
Die Marburger Linke und ich als OB-Kandidat werden auch , wenn es dir als SPD-Vorsitzender verständlicherweise politisch weh tut Leiharbeit weiter Leiharbeit und Bonzenviertel weiter Bonzenviertel nennen. Denn natürtlich besteht die Gefahr einer solchen Entwicklung . Dem Milliardär Dr.Pohl wurden alle Türen geöffnet, einem ganzen Viertel ohne Einbeziehung der Menschern die dort und dahinter im Waldtal, im Afföller und am Ortenberg wohnen seinen Stempel aufzudrücken. Preiswerter Wohnraum wurde zerstört, ein denkmalgeschütztes Haus abgerissen, eine populäre Eisdiele durch einen Luxusdelikatessenladen ersetzt, ein fast völlig leerstehendes Parkhaus gebaut.
Natürlich verdient das Nordviertel mehr Beachtung. Aber ich empfinde es als Marburger, der seit 40 Jahren um die Bahnhofstraße herumnwohnt, für den diese Straße die ganze Zeit wichtiger Einkaufsbereich war und ist und der dort 15 Jahre lang gearbeitet hat als Umverschämtheit diese Straße als im Niedergang befindlich zu diffamieren. Tatsache ist, dass diese Straße bisher einen guten Geschäftemix enthielt, der vom besten Herrenausstatter und einem renommierten Juweliergeschäft über eine durch Renovierung aufgewertete Teka , einem Bürofachgeschäft , Optiker usw. bis hin zu Woolworth , Edeka und Billigklamotten reicht. Kaputt gegangen sind nur Quelle und Schumacher&Hering – beide nicht aus lokalen Gründen.
Die Menschen hier und drum herum brauchen kein ‚Südviertel’ wie euer Partner BM Franz Kahle auf der allzu späten BürgerInnenversammlung euphemistisch ankündigte. Sie brauchen bezahlbaren Wohnraum, Geschäfte, wo sie ihre Bedarfe nicht zu teuer befriedigen können , Gastronomiebetriebe, wo sie ihr Mittagessen und ihren Café zu Preisen beziehen können, die auch ein Hart IV-Empfänger mal bezahlen kann.
Die SPD Marburg aber , so scheint es mir zunehmend sieht das Heil dieses ‚Quartiers allein in der Befriedigung der vermeintlichen Interessen einiger Geschäftsleute und der Konsumwünsche der Gäste des nahen Rosenparks , die sich in der Suite Deluxe’ für 690 Euro pro Nacht einquatieren können. Das sind die Momente, wo ich 100% weiß wie richtig es war, der Partei, die mal die von Willy Brandt war, nach sieben Jahren 1975 den Rücken zu kehren.
Nicolas Sarkozy hat kürzlich unter Berufung auf die von Schröder, Fischer, Merkel Steinmeier und Westerwelle in den letzen 15 Jahren regierten Bundesrepublik Deutschland angekündigt, auch in Frankreich die Vermögenssteuer abzuschaffen . Das zeigt, vor welcher Wahl die SPD steht : Entweder in einen Wettlauf um höhere oder um niedrigere Sozialstandard, um eine höhere oder eine niedrigere Reichenbesteuerung einzutreten. Für Marburg habt Ihr diese Frage vorläufig entschieden, als ihr den Hebesatz der Gewerbesteuer gesenkt , statt wie wir gefordert haben zu erhöhen. Ihr gebt damit das schlechte Vorbild und den Vorwand ab für andere, die um eines vermeintlichen Standortvorteils willen euch dann wohlmöglich noch zu unterbieten wünschen.
Vom Vorsitzenden der SPD Marburg und seiner Partei erhoffe ich mir statt unfundierter Rundumschläge gegen die Linken eine Umkehr in genau dieser Frage, eine Abkehr vom neoliberalen Geist, mit dem euch der Main-Stream und mitten drin Euer Koalitionspartner in den letzten 15 Jahren vor sich her getrieben hat. Solange das nicht der Fall ist, werden wir unzuverlässig für euch sein. Denn für Sparpoltik, prekäre Beschäftigungsverhältnisse , ob sie nun als 1-Euro-Job oder Bürgerarbeit daherkommen, für einem Abbau oder Stagnation in der öffentlichen Infrasrtuktur, usw. müsst ihr Euch Partner ausschließlich rechts von uns suchen. Und solange ihr das tut können sich die Bürgerlichen wirklich die Hände reiben.
Schade eigentlich !
Henning Köster –
OB-Kadidat und Listenführer Marburger Linke –