Wirtschaftsforscher: Aufschwung geht 2011 weiter werde sich jedoch abschwächen
Essen, Marburg 14.12.2010 (pm/red) Das Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung RWI erhöht seine Prognose für das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in 2010 und 2011 im Vergleich zu seiner September-Prognose um jeweils 0,3 Prozentpunkte auf 3,7 bzw. 2,5%. Allerdings bliebe abzuwarten, wie sich die Staatsschuldenkrise im Euro-Raum und die US-Immobilienkrise weiter entwickeln werden, wird dazu einschränkend angemerkt. Durch den weitgehenden Abbau der Kurzarbeit und eine anhaltende Ausweitung der Beschäftigung dürften im nächsten Jahr die Arbeitnehmereinkommen und damit auch die privaten Konsumausgaben steigen.
Der Aufschwung in Deutschland verläuft nach RWI weiterhin robust. Er hat an Breite gewonnen und vieles deutet darauf hin, dass sich die Expansion zum Jahresende 2010 hin sogar noch einmal beschleunigt. Dazu mag auch beitragen, dass viele Unternehmen Investitionen zeitlich vorziehen, um die noch bis Ende 2010 geltenden günstigen Abschreibungsbedingungen zu nutzen. Vor diesem Hintergrund wird eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr um 3,7 Prozent erwartet.
Die Chancen stehen nicht schlecht, dass sich der Aufschwung im Jahr 2011 fortsetzt. Zwar dürften bei einer zu erwartenden verhaltenen Expansion der Weltwirtschaft von den Ausfuhren geringere Impulse ausgehen. Auch lässt der Lageraufbau wohl nach, der die Expansion 2010 wesentlich prägte, da viele Unternehmen während der Rezession ihre Lagerbestände drastisch reduziert hatten. Die übrigen Komponenten der Inlandsnachfrage dürften hingegen insgesamt gesehen bei steigender Beschäftigung und zunehmender Kapazitätsauslastung ähnlich kräftig zunehmen wie 2010, obwohl die Finanzpolitik deutlich restriktiv wirkt.
Tempo des Aufschwungs könnte sich 2011 abschwächen
Stimulierend wirken die wohl bis zum Ende des Prognosezeitraums niedrigen Zinsen. Bei weiter steigender Beschäftigung und aufgrund des weitgehenden Abbaus der Kurzarbeit sei ein stärkerer Anstieg der Effektivlöhne und damit der Arbeitnehmereinkommen zu erwarten, zumal sich in einigen Regionen und Branchen Knappheiten am Arbeitsmarkt bemerkbar machen. Dadurch würden die privaten Konsumausgaben beschleunigt steigen, prognostizieren die Ökonomen des Instituts. Dämpfend auf die Konjunktur wirkt, dass die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- sowie zur Arbeitslosenversicherung zum Jahresbeginn 2011 angehoben werden. Zudem habe die Finanzpolitik den Ausstieg aus den konjunkturstützenden Maßnahmen vollzogen und ein Sparpaket verabschiedet, aufgrund dessen die steuerliche Belastung steigt, einige Sozialleistungen gestrichen werden und der Staatsverbrauch nur verhalten zunehmen dürfte. Per saldo wird erwartet, dass die Expansion gegenüber 2010 an Tempo verliert. Den Anstieg des BIP wird auf 2,5 Prozent prognostizuiert. Dieser Zuwachs sei zu 1,5 Prozent-Punkten auf statistische Gründe zurückzuführen.
Prognose mit Risiken behaftet
Freilich ist diese Prognose mit beträchtlichen Risiken behaftet. So ist die Immobilienkrise in den USA keineswegs überwunden, und die hartnäckig hohe Arbeitslosigkeit dort könnte die private Konsumnachfrage und damit die Expansion der Weltwirtschaft stärker dämpfen als hier erwartet. Noch bedeutsamer für Deutschland aber sind die Risiken der Staatsschuldenkrise im Euro-Raum. Hier bestehe die Gefahr, dass weitere Länder außer Griechenland und Irland sich am Kapitalmarkt nicht mehr refinanzieren können und unter den Rettungsschirm der EU schlüpfen müssten. Von längerfristigen Folgen für die Stabilität des Euro-Raums abgesehen, könnte dies die Konjunktur dämpfen, wenn diese Länder umfangreichere Konsolidierungsmaßnahmen ergreifen müssen als derzeit geplant. Allerdings würde in einer solchen Situation die EZB ihre expansiv ausgerichtete Politik wohl länger beibehalten, und der Euro könnte abwerten, was die deutsche Konjunktur für sich genommen kurzfristig stimulieren würde. Auf mittlere Sicht wäre dann aber auch das Inflationsrisiko höher.
Arbeitslosigkeit wird voraussichtlich weiter sinken
Der Preisanstieg in Deutschland hat sich in den vergangenen Monaten bereits verstärkt. Ausschlaggebend hier waren höhere Preise für Energie und Nahrungsmittel. Die Kerninflation liegt weiterhin unter ein Prozent. Sie dürfte sich im Prognosezeitraum nur wenig beschleunigen. Einerseits würden die Lohnstückkosten zwar voraussichtlich steigen, andererseits sei zu erwarten, dass die Einfuhrpreise im Jahresverlauf sinken werden. Im Jahresdurchschnitt wird eine Inflationsrate von 1,6 Prozent erwartet. Die Lage am Arbeitsmarkt werde sich bei der prognostizierten Produktionsentwicklung weiter günstig entwickeln. Im Jahresdurchschnitt könne die registrierte Arbeitslosigkeit unter 3 Millionen sinken, und die Arbeitslosenquote auf 7,0 Prozent nach 7,7 Prozent in diesem Jahr.
Die Lage der öffentlichen Haushalte werde sich verbessern. Die Staatseinnahmen könnten aufgrund des anhaltenden Konjunkturaufschwungs weiterhin kräftig steigen. Zudem würden die Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung wirken. Das Budgetdefizit des Staates werde vor diesem Hintergrund merklich auf 2,5 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt zurückgehen.