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Die Terrorberichterstattung schürt die Angst vor Muslimen

Jena, Marburg 14.12.2010 (wm/red) Lange vor dem alljährlichen schwadronieren um weiße Weihnachten ist in diesem Jahr nicht alleine früher Schneefall gekommen. Einzelne Anschläge und von Diensten durchaus widersprüchliche interpretierte und veröffentlichte Hinweis auf drohende Gefahren und Anschläge von Terroristen, bestimmen das Sicherheitsgefühl vieler Menschen in der Adventszeit. Wenn die Weihnachtsmärkte durch Terror bedroht sind oder scheinen, dann ist es verständlich, dass die Medien täglich über Terrorismus berichten. Doch selbst als Terrorismus für Deutsche fast ausschließlich mit dem Schreckensszenario des 11. September 2001 verbunden schien – und räumlich wie zeitlich weit entfernt war – hat das Fernsehen in Deutschland im Schnitt zwei Mal in drei Tagen über Terrorismus berichtet. Ein Teil dieser Berichterstattung hat eine Wirkung gezeigt, die vordergründig in den Sendungen gar nicht angelegt ist. Die Angst vor Muslimen steigt. Dies ist ein Ergebnis einer Studie von Kommunikationswissenschaftlern der Universität Jena, die jetzt unter dem Titel „Inszenierter Terrorismus“ erschienen ist.

TV-Inszenierungen des Terrors – Psychologen Universität Jena präsentieren Studie

Der Jenaer Kommunikationspsychologe und Studienleiter Prof.Wolfgang Frindte. (Foto Anne Günther/FSU)

Das Team um Prof. Dr. Wolfgang Frindte und Nicole Haußecker hat von August 2007 bis Februar 2009 die Hauptnachrichtensendungen der Fernsehsender ARD, ZDF, RTL und SAT1 zum Thema Terrorismus aufgezeichnet und nach einem umfassenden Raster analysiert.

Ergänzend sind mit 100 Personen dreimal Interviews geführt worden.

„Diese Studie beschäftigt sich nicht mit Motiven, Opfern und politischen Zielen“, stellt Frindte klar, „sondern mit dem Zusammenhang zwischen Medien und Bevölkerung“.

Und dass sich dieser Zusammenhang aus der Inhaltsanalyse der Fernseh-Berichte ziemlich eindeutig ermitteln lässt, war selbst für die Forscher überraschend.

„Die Vergleiche mit dieser kleinen Stichprobe funktionieren, um Zusammenhänge statistisch relevant nachzuweisen“, betont der Jenaer Kommunikationspsychologe.

Interpretation schafft Wirklichkeit

„Terrorismusgefahr in Deutschland ist ein Risiko“, fasst Frindte ein Ergebnis der Fernsehanalyse zusammen. „Zukünftige Ereignisse werden interpretiert als gegenwärtige Gefahren – und damit wird der Terror inszeniert“. Deutschland steht, laut der Fernsehbeiträge, im Fokus der Terrorbedrohung – was auf Grund der Herkunft der Sender zwar normal ist. Dies führt aber dazu, dass die Zuschauer permanent eine unspezifische Bedrohung empfinden. Und je bedrohter sich Menschen fühlen, umso ängstlicher werden sie. Überraschend war für die Jenaer Forscher allerdings, dass die befragten Zuschauer trotz des Bedrohungserlebens nicht verstärkt nach Anti-Terrormaßnahmen riefen. Dies werde vor allem von Personen gefordert, die bereits vorher ,den Kampf gegen den Terrorismus‘ unterstützen. Und wenn es beide Meinungsseiten gibt, ist es nicht verwunderlich, so Nicole Haußecker, dass Terroristen und deutsche Terrorbekämpfer, wie Innenpolitiker, selber an der Terrorismus-Inszenierung beteiligt sind – naturgemäß mit unterschiedlichen Zielen. „Nur so erhält der Terrorismus seine Form und kann seine Wirkung entfalten“.

Privatsender machen es dramatisch

Und die Fernsehsender steigen darauf ein. Rund 80 Prozent der Berichterstattung aller untersuchten Sender widmet sich Taten und Aktivitäten, nur ein Fünftel, etwas mehr bei ARD und ZDF, den Ursachen des Terrorismus. Dabei hat die Jenaer Langzeitstudie gezeigt, „dass die Privatsender stärker dramatisieren und visualisieren“, sagt Haußecker. Allerdings hat sich das ZDF bei seiner Terrorberichterstattung den Privaten inzwischen stark angenähert. „Gucken Sie ,Tagesschau‘, da wird immer noch Qualitätsjournalismus geliefert“, rät Prof. Frindte. Andererseits fühlen sich die RTL-Seher stärker bedroht, fanden die Jenaer Forscher heraus, was an der Machart der Beiträge liegt, die die Wirkung auf Zuschauer extrem lenkt. Wenn in einem Beitrag erst brückenbauende Soldaten und dann Opfer von Anschlägen gezeigt werden, reagieren die Zuschauer viel wütender, als wenn der Beitrag erst die Opfer und dann die Brückenbauer zeigt, macht Frindte den Wirkungszusammenhang an einem Beispiel deutlich. Auf der anderen Seite haben die Jenaer Forscher auch klar erfahren, dass die Zuschauer sich die Nachrichten holen, die sie erwarten.

Nicole Haußecker hat gemeinsam mit Wolfgang Frindte die neue Studie „Inszenierter Terrorismus“ herausgegeben. (Foto Jan-Peter Kasper/FSU)

Doch die Berichterstattung in allen Sendern setzt ihren Schwerpunkt darauf, dass „die größte Gefahr vom islamischen Terrorismus ausgeht“, hat Prof. Frindte ermittelt, wenngleich dies vor allem von den Zuschauern der Privatsender so gesehen wird.

Verbunden wird diese unterschwellige Nachricht mit der Botschaft, nur eine Verstärkung der militärischen und Sicherheitsmaßnahmen würde dagegen helfen.

Damit verknüpften Medien, noch weit vor der Sarazzin-Debatte, das Thema Terrorismus und Muslime und schürten die Angst vor Muslimen.

„Wir zweifeln nicht an der Terrorismusbedrohung“, betont Prof. Frindte, „aber sie geht immer von kleinen Gruppen aus“. Daher rät der erfahrene Kommunikationspsychologe den Medien: „Wenn es um solche Risikokommunikation geht: Den Ball flachhalten!“.

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