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Breitband im Landkreis – per Schlußgalopp zur digitalen Zukunft

Marburg 4.2.2011 (yb) Kurz vor Ende der Wahlperiode sollen in der Kreistagssitzung am 4. Februar Maßnahmen und Weichenstellungen für digitale Breitbandversorgung verabschiedet werden. Das war Thema in einer Bürgermeisterdienstversammlung in dieser Woche. Landrat Robert Fischbach und Manfred Apell, Bürgermeister aus Lahntal und Sprecher seiner Kollegen, verkündeten Überlegungen und eine Vorgehensweise am Tag vor der Kreistagssitzung in einer Pressekonferenz. Eilig soll zunächst eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet werden.
Die Gründung dieser Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist dabei zunächst das einzig klar benannte Vorhaben. Deren Gesellschafter sollen der Landkreis selbst werden, dazu Kommunen aus dem Landkreis. Die Stadt Marburg und die Stadt Kirchhain werden nicht dabei sein. Auch ist nicht vorgesehen, etwaige Anbieter als Provider samt deren Fachwissen und Beratungsmöglichkeiten mit einzubeziehen. Solche Provider, ob Telekom, Unitiy Media oder die Stadtwerke Marburg wird man später in jedem Fall brauchen.

Digitale Breitbandversorgung als Standortfaktor

Karte im Ausschnitt zur Breitbandversorgung: Die grünen Zonen haben eine Versorgung mit Datenübertragung von 16 Mbit zu 50 bis 95 Prozent. Die Zonen in hellem beige sind nur zu 10 bis 50 Prozent damit versorgt. Die Zonen in dunklem beige sind gar nur zu 0 bis 10 Prozent mit 16 Mbit versorgt. Kartengrundlage TÜ Hessen Sommer 2010 (He-TÜV-2010-100-4-1)

Dass eine leistungsfähige technische Infrastruktur, hier schnelle Internetverbindungen mittels Glasfaserkabel, längst ebenso gefordert ist, wie Wasser-, Kanal- oder Stromversorgung, pfeiffen inzwischen die Spatzen von den Dächern. Für Gewerbetreibende und Diensteleistungsanbieter gehört dies inzwischen zur Grundausstattung und eben Anforderung an ihren Standort. Ähnliches gilt auch für die Kommunen als Wohnstandorte. Wachsende Bevölkerungsteile wollen über das Internet am Geschehen in der Welt teilhaben, sei es in Gestalt des Herunterladens von daten-mächtigen Spielfilmen zur Unterhaltung.

So machen sich Landrat und Bürgermeister zu Recht Gedanken, wie in Marburg-Biedenkopf ein deutlicher Rückstand aufgeholt werden kann. In der Fläche dünner besiedelter ländlicher Räume leistet die Telekom als privatisierter Konzern solche Versorgung genau nicht. So gibt es nicht wenige Bewohnerinitiativen, die eigene Funknetze zu ihrer Endversorung aufgebaut haben. Doch damit sind die Anliegen und Probleme nicht zu lösen. Landrat Fischbach sprach von „Marktversagen auf diesem Gebiet“. Daher soll zukünftig der Landkreis mit Kommunen diese Defizite aus der Welt schaffen.

Eine klare Zielstellung  – aber viele Unklarheiten für die Umsetzung

Breitbandversorgung ist inzwischen in aller Munde. Dazu hat sich kürzlich die Bundeskanzlerin geäußert. In Medien werden hohe Förderbeträge genannt und das Land Hessen betreibt eigens ein Informationsportal zu diesem Anliegen. Im Dezember benannte Hessens Wirtschaftsminister Posch als Ziel: „Hochgeschwindigkeitsnetz soll bis 2014 ausgebaut werden“. Der Minister äußerte sich zudem zu einem von ihm vorgeschlagen Weg des Ausbaus. „Leerrohre machen Beitband-Ausbau deutlich billiger“ sagte Posch und stellt Gelder zur Verfügung, In 2010 wurden von 5,2 Millionen Euro zum Ausbau der Breitbandversorgung , 2 Millionen für solche Leerrohre beim Bau von Landesstraßen zur Verfügung gestellt.

Es fehlt also an geeigneten Übertragungswegen per Kabel, meint Glasfaserkabel. Das gilt auch und gerade für den Landkreis. Eine wesentliche und entscheidende Frage ist, wer solche Kabel flächendeckend verlegt. Auf die Deutsche Telekom zählt niemand mehr. Lohnt sich nicht und längst Vergangenheit sind die Zeiten des gesetzlichen flächendeckenden Versorgungsauftrages.

Glasfasernetz als Bindeglied kreisweit – ohne Hausanschlüsse für 70 Millionen

Für die Versorgung im Landkreis wurde als Wert für jeden Haushalt und für Firmen 50 Mbit Übertragungsleistung genannt. Dazu sollen und müssen Glasfaserkabel verlegt werden. Allerdings nicht auch in der sogenannten letzten Meile. Die Anbindung der Häuser und Haushalte selbst erfolgt über die Kupferkabel der Telekom. Beginnend an deren Verteilerkästen, die überall in Wohngebieten sichtbar stehen. Das Konzept sieht also keine durchgängige Glasfaserverbindung vor. Vielmehr sollen lediglich Verbindungen in alle Städte und Gemeinden verlegt werden, die an den Verteilerknoten und -kästen der Telekom enden. Dort soll in das Telekomnetz eingespeist werden.

Für diese zu schaffende kreisweite Infrastrukur sei mit Kosten von 50 bis 70 Millionen Euro zu rechnen, sagte Landrat Fischbach. „Wir wollen hier jedoch kein Eigenkapital einbringen“ führte Fischbach aus. Stattdessen denke er an eine Landesbürgschaft mit 80 Prozent und dann könnten hiesige Banken in die Finanzierung eintreten, als Darlehnsgeber.

Abwickeln soll das eine weitere zu gründende Gesellschaft, dann eine mit beschränkter Haftung. In diese Gesellschaft könne man geeignete Provider, etwa die Stadtwerke Marburg, mit ins Boot nehmen erläuterte Firschbach. Die GmbH soll keinesfalls selbst Betreiber werden. Stattdessen sollen die zu bauenden Leitungsnetze an einen oder mehrere Provider vermietet werden. Diese sollen allen gewerblichen und privaten Nachfragern die Breitbandleistungen zur Verfügung stellen.

Gründung von zwei Firmen, eine Landesbürgschaft und in spätestens 5 Jahren habe jeder seinen 50 Mbit-Anschluss

Bürgermeister Apell verwies auf die prekäre Lage öffentlicher und kommunaler Haushalte. Daher gebe es kaum oder zu wenig Infrastrukturinvestitionen in Straßen, Kanalbauten. Damit sei der Weg über die Kupferkabel der Telekom in die Haushalte alleinige Möglichkeit. Zugleich betonte er die Dringlichkeit im Handeln. Er nannte fünf Jahre als Zeitraum für die Verwirklichung. Landrat Fischbach gab sich optimistischer und sprach von drei bis fünf Jahren.

Bürgermeister Apell, links, und Landrat Fischbach mit einem Leerrohr für Glasfaserkabel in den Händen. (Foto Hartwig Bambey)

So soll den Kreistagsmitgliedern in der Februarsitzung 2011 und danach vielen anderen Kommunalmandatsträgern Zustimmung zu einem Vorhaben abverlangt werden, das zunächst sehr hohe Investitionen notwendig macht. In einer Konstruktion mit einer Firma (GbR) zur Vorbereitung und einer Firma zur Verwirklichung (GmbH) soll es dann schnell Wirklichkeit werden. Provider hat man noch keine, ebensowenig Kalkulationen. Als fixe Größe sind alleine 50 MBit Übertragungsleistung benannt. Das alles soll und müsse vor der Kommunalwahl beschlossen werden. Zuerst im Kreistag, dann in den Gemeindeparlamenten. Marburg ist außen vor.

Ein überzeugendes Konzept geht irgendwie anders. Verwundern muss die Eile, die hier an den Tag gelegt wird. Dafür lassen sich allenfalls 100.000 Euro Landesförderung als Pilotmittel benennen. In der Beschlussvorlage für die Kreistagssitzung sind zumindest schon einmal die Firmennamen zu finden. Breitband Marburg-Biedenkopf GbR und Breitband Marburg-Biedenkopf GmbH sollen die genannt werden. 70 Millionen als Schätzung möglicher Investitionen und 100.000 Euro Projektförderung, dazwischen liegt sehr viel Geld.

Mit der Schuldenbremse lässt sich die Eile nicht erkären – die vielen Millionen sollen bereits vorher investiert werden

Mit der Kommunalwahl sollen die Wahlbürger in Hessen auch über eine sogenannte Schuldenbremse am 27. März abstimmen. Diese soll für 2020 einführt und wirksam werden. Dafür sprechen sich aus CDU und FDP, ebenso SPD und Grüne. Dieselben Parteien unterstützen auch den Antrag für die Breitband-Iitiative im Landkreis. Eine kommende Schuldenbremse kann nicht ihr Motiv sein, dies vor der Kommunalwahl durch zu bringen. Die kommt ja erst im Jahr 2020.

Ob und wann und zu welchen Kosten 50 Megabit pro Sekunde schnelles Internet im ganzen Landkreis kommen wird, bleibt abzuwarten. Die Privatgründung der hier geplanten Gesellschaften würde eine Bank wohl kaum mit Darlehn finanzieren. Der Kreistagssitzung ist somit in dieser Angelegenheit eine offene und projektkritische Sitzung und Abstimmung zu wünschen. Blinder Eifer schadet nur, sagt der Volksmund.

Nachtrag 7.2.2011 (yb) In der Kreistagssitzung am 4. Februar wurde die Gründung  einer Breitband Marburg-Biedenkopf GbR zur Vorbereitung der kreis-kommunalen Aktivitäten mit Ziel flächendeckender Breitbandversorgung beschlossen. Jetzt stehen dazu noch die Beschlüsse am Beitritt interessierter Städete und Gemeinden des Landkreises an, um die geplanten Aktivitäten beginnen zu können.

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