Uniklinik Marburg verweigert Fahrern den Einsatz und Beschäftigung
Marburg 9.2.2011 (yb) Mit dem Monat Januar soll für zwölf Beschäftigte des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM) die Zeit geregelter Tätigkeiten und Beschäftigung als Angehörige der Fahrbereitschaft zu Ende sein. Die Geschäftsleitung weigert sich die Mitarbeiter mit zum Teil jahrzehntelanger Betriebszugehörigkeit weiter als Fahrer der Fahrbereitschaft einzusetzen. Zwar sind inzwischen Kliniken aus der Stadt auf die Lahnberge verlagert worden, gleichwohl fallen weiterhin laufend viele Fahrten und Transportaufgaben an. Die 12 betroffenen Kollegen dürfen solche gleichwohl nicht mehr ausführen. Eine ihrer letzten Tätigkeiten war es, die Funkgeräte in zahlreichen Fahrzeugen zu demontieren und die Kraftfahrzeuge im Betriebshof abzustellen. Dort stehen die Fahrzeuge nutzlos, während zum Teil Taxifahrer mit Fahrten seitens der Klinik beauftragt worden sind. Fassungslos und bestürzt müssen die Mitarbeiter zur Kenntnis nehmen, dass Gespräche und Verhandlungsversuche des Betriebsrates bisher ohne jedes Ergebnis geblieben sind. Es gebe keine Beschäftigung und Tätigkeiten mehr für die Betroffenen lauten bislang stupide abweisende Aussagen von der Geschäftsführung des UKGM.
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„Wir stellen unsere Arbeitskraft zur Verfügung, diese ist aber nicht mehr erwünscht“ sagt einer der Betroffenen. Er sitzt mit seinen Kollegen im Besprechungsraum des Betriebsrates. Mit am Tisch sitzt die Betriebsratsvorsitzende Bettina Böttcher. Sie berichtet von bisher ergebnislosen Gesprächen mit Vertretern der Geschäftsleitung. Dann bringt sie zum Ausdruck, dass die Situation völlig unakzeptabel für den Betriebsrat sei. „Oberstes Ziel des Betriebsrates war und ist, dass betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden.“ Unübersehbar steht dieser Satz zu lesen in einem gedruckten aktuellen Betriebsratsinfo, worin die herbeigeführte Situation sich schriftlich erläutert findet.
Kein Einsatz und keine Arbeit mehr für Fahrer mit alter Tarifbezahlung
„Betroffen sind genau die 12 Kollegen, die einem Betriebsübergang nicht zugestimmt haben“ sagt die ebenfalls anwesende Gewerkschaftssekretärin Marita Krukewitt von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zur Erläuterung der Situation. Vier andere Fahrer, die im Zuge der Privatisierung der Marburger Uniklinik einem Betriebsübergang mit der Folge deutlich schlechterer Bezahlung zugestimmt hatten, werden weiter als Fahrer eingesetzt. Es sei keinesfalls so, dass es keine Arbeit und Fahrtätigkeiten mehr geben würde. So befinden sich nach wie vor die Zahnklinik, die Augenklinik und die Psychiatrie unten in der Stadt. „Dazu kommen Fahrten zu Krankenkassen, zur Post, nach Gießen. Dass man hierfür jetzt Taxis beauftragt, sagt doch schon alles“ bekräftigt einer aus der Runde die haltlose Situation.
Das Wort Kündigung hängt im Raum als dumpfe Bedrohung. Damit will sich Betriebsratsvorsitzende Böttcher keinesfalls abfinden.
„Das ist doch völlig demütigend, wie hier mit unseren Männern umgesprungen wird. Entwürdigend ist das“ kommt aus dem Mund einer Ehefrau. „Männer, die jahrzehntelang immer gut ihre Arbeit hier verrichtet haben, einfach so vor ein Nichts zu stelllen“ entfährt es der Angehörigen.
„Wissen sie, wir haben drei Kinder. Da wird jeder Euro dringend gebraucht, da bleibt nichts übrig. Und jetzt so etwas“ sagt eine andere Frau, die ebenfalls gekommen ist, um ihrem Mann zur Seite zur stehen und die erfahren will, wie es weitergeht. Nach kurzem Schweigen äußert einer der im Moment Beschäftigungslosen und zur Untätigkeit Verurteilten seine Vermutung. „An uns soll doch ein Exempel statuiert werden. Entweder wir stimmen einer Übernahme in eine Servicegesellschaft zu und bekommen 500 Euro weniger Monatsgehalt, oder wir müssen eben gehen.“ Vor zwei Jahren schon habe es angesichts der Nichtzustimmung zu einem Betriebsübergang von Mitarbeitern Äußerungen geben wie „die kündigen sich doch praktisch selbst.“
Worum geht es der Geschäftsleitung mit solchen Gebahren ?
Jetzt äußert sich der Personalratsvorsitzende, der bisher schweigend in weißem Kittel mit am großen Tisch gesessen hat. Dr. med. Franz-Josef Schmitz, Interessenvertreter für die weiterhin als Landesbedienstete tätigen 628 Wissenschaftler am UKGM, artikuliert seine Betroffenheit und sein Unverständnis zum Umgang mit den Fahrern. „Das ist ein Eingriff am lebendigen Organismus bei vollem Bewußtsein“ sagt er und wiederholt diese Aussage gleich noch einmal mit Nachdruck. „Das tut weh“ fügt Schmitz an und versichert den Versammelten „die volle Solidarität aller Beschäftigen hier oben.“ Dies gehe voll auf Stimmung, mache sehr betroffen und vermittele doch ein Gefühl völliger Ohnmacht. „Und das in einem Krankenhaus, wo es um die Gesundung von Menschen gehen soll“ wirft einer dazwischen.
Es gäbe verschiedene Möglichkeiten, die angeboten werden können
Die Betriebsratsvorsitzende gibt zu bedenken, dass es mehrere Alternativen zu betriebsbedingten Kündigungen gebe. Dafür müsste zuvor sowieso ein Sozialplan ausgehandelt werden, wofür drei Millionen Euro zur Verfügung stünden. Doch was ist eine Abfindung im Verhältnis zu einem Arbeitsplatz, besonders für Jüngere, schränkt sie gleich wieder ein. Viele, eigentlich alle der Kollegen seien ausgebildete Handwerker und könnten auch in anderen Bereichen arbeiten. Für einige im rentennahen Alter könnte es Vorruhestandsregelungen ohne Einbußen geben. Über Umschulungen und Weiterbildungen sei zu sprechen, vielleicht über Teilzeitregelungen.
Alle hier versammelten teilen den dazu geladenen Pressevertretern ihre Empöriung und einmütige Ablehnung mit. Die Frage nach weiteren Gesprächen und ernsthaften Verhandlungen wird bejaht.
Inzwischen haben einige Fahrer einen Anwalt mit ihrer Interessenvertretung beauftragt. Für andere ist ver.di als Gewerkschaft tätig geworden.
Auch Oberbürgermeister Egon Vaupel habe bereits ein Informationsgespräch mit ihnen geführt und sein Unverständnis über die Situation zum Ausdruck gebracht, wird aus der versammelten Runde noch berichtet. Diese Situation lastet schwer auf den 12 Fahrern des Bereitsschaftsdienstes. Doch sind sie, wie ihre Familienangehörigen, nicht ohne Zuversicht, dass es noch zu einer Regelung kommt, die ihnen wieder Arbeit gibt und ihre materielle Existenz nicht gefährdet.
Der Gesprächsfaden sei noch nicht gerissen, wurde versichert
„Auch bei betrieblichen Umstrukturierungen müssen Lösungen gefunden werden, die den betroffenen Mitarbeitern die Existenz sichern und die sozialverträglich sind“ sagt wenig später Egon Vaupel im Rathaus zur Lage der 12 derzeit außer Tätigkeit gestellten der Fahrer des UKGM. Ihm gegenüber habe Geschäftsführer Joseph Rohrer versichert, „dass der Gesprächsfaden noch nicht gerissen ist.“
Diese Worte des Oberbürgermeisters zur Lage der derzeit unbeschäftigten Mitarbeiter hört sich weit erfreulicher an, als das düstere Szenario in dem Satz eines der Betroffenen: „Mit uns ist das erst der Anfang. Wenn die damit durchkommen, geht es weiter und andere kommen danach an die Reihe.“
Auf den Lahnbergen bläst derzeit 12 Männern ein kalter Wind direkt ins Gesicht, während unten in der Stadt viele Menschen sich wärmender Sonnenstrahlen erfreuen und gerne draußen unterwegs sind.
Von der Geschäftsführung des UKGM sind ernshafte Gespräche und akzeptables Verhalten gegenüber den kaltgestellten Fahrern gefordert. Diese umgehend wieder arbeiten zu lassen, wäre dabei nur ein erster Schritt. Langjährige Mitarbeiter haben Anspruch eine gesicherte Perspektive bei angemessener Bezahlung, die auch ihrer Familien den Lebensunterhalt sichert.
Bei der Privatisierung der Gießener und Marburger Unikliniken in den Betrieb durch die Rhön-Klinikum AG wurde unisono versichert, dass der Erhalt der Arbeitsplätze für alle Beteiligten höchste Priorität habe. Daran wird sich die Geschäftsführung messen lassen müssen. Dabei schauen sehr viele Kolleginnen und Kollegen der 12 Fahrer sehr aufmerksam auf das weitere Geschehen.
Was nützen neue Klinikbauten für Hunderte Millionen Euro auf den Lahnbergen, wenn kein Platz bliebe für langjährige Mitarbeiter, die ihre Arbeitsbereitschaft nicht erst heute klar und deutlich bekunden.
Die Geschäftsleitung und der Pressesprecher konnten am Dienstag nicht mehr kontaktiert werden. Die Redaktion bemüht sich um deren Stellungnahme und wird weiter berichten.