Denkmalerhaltung als Aufgabe im Spannungsfeld
Marburg 21.2.2011 (yb) Dass die gebaute Geschichte in Marburg interessiert und die Marburger bewegt und zahlreich auf die Beine bringt, hat der Themenabend Denk-Mal-Weiter der Initiativgruppe Marburger Stadtbild und Stadtentwicklung (IG MARSS) erneut eindrucksvoll anschaulich werden lassen. Nach einem Einleitungsreferat von Vorstandssprecher Claus Schreiner sollte ein bebilderter Vortrag zunächst einmal Anschauung und Vergegenwärtigung bringen. Dazu hatten Ulla Hirth und Hartmut Lange eine ausführliche Gegenüberstellung negativer und positiver Beispiele denkmalschädlicher und denkmalnützlicher Baumaßnahmen ausgewählt. Der Abbruch des Luisabades und des Hauses Rosenstraße 9 mussten dabei Thema werden. Der Verlust dieser Baudenkmale wurde beklagt und zugleich anschaulich gemacht, dass dabei nicht einfach und alleine Ignoranz oder Willfährigkeit von Bauherrren maßgeblich gewesen waren. Einschätzungen und Fehleinschätzungen von mit Aufgaben zur Denkmalpflege beauftragten Institutionen selbst hatten Anteil und haben dazu beigetragen, dass diese gebauten Zeugnisse der Stadteschichte verschwinden konnten.
Doch gibt es in Marburg nicht alleine Probleme mit der Denkmalerhaltung oder eine überwiegende Negativbilanz. Das Stadtbild in der Altstadt ist von Hunderten Baudenkmälern geprägt und steht überwiegend für Erhaltung. Darunter lassen sich durchaus herausragende Beispiele dezidiert positiven Erhaltungswillens, aufwändiger Massnahmen und gelungener Umsetzungen finden. Das wurde in der Präsentation den Zuschauern genauso anschaulich gezeigt.
Die städtische Intervention, der Kauferwerb und die Gestaltung des Turnergartens zur Mediathek der benachbarten Schule lässt sich hier als Beispiel einreihen. Zugleich haben gerade dabei jahrelange Auseinandersetzung und eine hohe Investitiossumme, die schlussendlich aus Konjunkturmitteln kofinanziert werden konnte, anschaulich werden lassen, dass Denkmalpflege nicht zum Nulltarif zu haben ist. Interesse und Sensibilität ist für jedes Objekt und Gebäude aufzubringen, oder muss in einem dialogischen Prozeß gar erst entwickelt werden. Am Ende oft mühsamer und verborgener Kärnerarbeit hat dann gelingende Sanierung und Erfolg gerne viele Väter und Mütter. Nicht zuletzt zählen dann Ämter, Planer, Archtitekten und Handwerker(firmen) mit zu den Nutznießern und im beruflichen Können geforderten Beteiligten.
Das Publikum verfolgte mit Interesse den kompetent und mit vielen authentischen Hintergrundinformationen vermittelten Fachvortrag im ersten Teil des Abends. Dann war es an Erhard Dettmering zunächst die drei Fachleute auf dem Podium vorzustellen. Ein Denkmalpfleger in Diensten des Landesamtes für Denkmalpflege, ein Stadtplaner und in der Vergangenheit mit diesbezüglichen Aufgaben in Marburg betrauter Hochschullehrer, und ein Denkmalpfleger, inzwischen ebenfalls als Hochschullehrer tätig, versprachen fachkundige und weiterführende Einbringungen.
Im ersten Teil des Podiumsgespräches wurden Aspekte und Fragen der grundsätzlichen Bedeutung von Baudenkmälern im Bild und Leben einer Stadt vegegenwärtigt. Identifikation, Unverwechselbarkeit eines Stadtbildes, Identität und Heimatgefühl waren ebenso Stichworte wie Attraktivität im Werben um Ansiedlungen und Touristen. Denkmale wurden als Besitz auf der Habenseite beschrieben, stadtbildprägend, weicher und harter Standortfaktor zugleich.
Das Podiumsgespräch ließ nachvollziehbar werden, warum die Verhältnisse nicht so einfach und überschaubar sind, wie Denkmalgesetzgebung und verbreitete Denkmalachtung vieler Menschen dies denken machen möchten. So verwies Frank Oppermann auf den großen Publikumsrenner Tag des offenen Denmals, der inzwischen alljährlich 4 Millionen Menschen auf den Weg zu Baudenkmalen von Fachwerk bis Industriebauzeugnisse – in Kirchen, Burgen, Schlösser und Herrenhäuser sowieso – mobilisiert. Zugleich bracht er den Begriff Ambivalenz ins Gespräch. Damit war sprachlich auf den Nenner gebracht, was bereits im Einführungsvortrag sichtbar gemacht worden war.
Christian Kopetzky unterlegte die Diskussion mit Schlagworten wie Leerstand, Verfall, gesichtslose Neubaugebiete und demografischer Wandel. Er plädierte und argumentierte zu Gunsten notwendiger Kompromisse als deren Alternative ein Sterben in Schönheit drohe. In der Diskussion wurde die Frage einer Investorenlastigkeit der Politik gestreift, das öffentliche Interesse einem elitären Interesse gegenüber gestellt.
Nach gut zweieinhalb Stunden ergab sich in der Veranstaltung nicht mehr Anstoß zu Thematik und Problematik energetischer Sanierung einschließlich hausbezogener (solarer) Energiegewinnung zu sprechen. Zukünftig dürfte und sollte dies in Marburg ein zu diskutierendes Thema werden, sollen historische Bauwerke, die Denkmale zuallererst sind, nicht von umweltbezogenen, ökonomischen und wertstabilisierenden energetischen Fragen ausgeklammert werden. Das wäre nicht gut für die Zukunft von denkmalgeschützten Gebäuden. Diesbezüglich wird ein Denk-Mal-Weiter erst noch zu eröffnen und zu führen sein. Denkmale bleiben spannend in Marburg.