Cebit 2011 – IT-Eindrücke eines langen Messetags
Hannover, Marburg 1.3.2011 (yb) Beim Einsteigen in den Inter-City in Marburg um kurz vor acht hat sich die Sonne als glutroter Ball gerade über den Horizont geschoben.
Zwei Stunden später am Messebahnhof Hannover – diesbezüglich gibt es an der Zuganbindung von Marburg nichts auszusetzen – empfängt diesiger Nebel einen anhaltenden Strom von Messebesuchern in Hannover.
Kein Himmel und schon gar keine Wolke zu sehen, dabei ist Cloud-Computing das Zauberwort, nicht zu sagen Motto, der diesjährigen weltgrößten IT-Fachmesse.
Nach gut 50 Minuten Warten in der Schlange, zusammen mit bestimmt 50 anderen Journalisten, ist die Akkreditierung endlich erledigt. Ein dreister Zeitdiebstahl wegen Desorganisation, zudem am ersten Messetag. Nach den Hunderten Metern über den Skywalk vom Messebahnhof folgt ein gefühlt kilometerlanger Gang durch drei Messehallen bis zur Zielhalle 9. In dieser finden sich viele Stände von Bundesländern, darunter E-Government Hessen. Die Landesregierung befleißigt sich IT-Affinität zu präsentieren und lässt dazu zahlreiche Ministerien und Fachressorts mittels Monitoren ihre IT-Solutions vorzeigen.
Ob elektronische Bußgeldverfahren, Geodatensysteme samt Flächenmanagement, oder HADIS, ein internetbasiertes Such- und Präsentationssystem für digitalisiertes Archivgut. Es zeigen sich viele auskunftswillige Mitarbeiter an den zahlreichen Ständen in Gesprächen mit auskunftssuchenden Besucher.
Angesichts der vielen Bildschirme und gouvermentalen IT-Anpreisungen kommt mir der redaktionelle Bericht zum Gerichtesterben in den Sinn, der auf Veröffentlichung wartet. Ein bizarrer Kontrast – Kahlschlag bei vielen Amtsgerichten in der Fläche des Bundeslandes und bei den Arbeitsgerichten in Marburg und Wetzlar versus schöne neue IT-Welt als schicke E-Government Messepräsentation.
Fraunhofer-Institute mit zahlreichen neuen Entwicklungen
Schräg gegenüber findet sich der Gemeinschaftsstand vieler Fraunhoferinstute, eigentliches Ziel dieses Cebit-Besuches. Ein neues Verfahren zur zertifizierten Sicherung von VoIP-Gesprächen, also internetbasierter mündlicher Ferngespräche, wird vorgestellt.
Ein Ausganspunkt für diese Technologie soll der neue elektronische Personalausweis sein, damit verbunden die Möglichkeit der eindeutigen Identifizierung der Gesprächspartner. Die vorgestellten VoIP-Signaturen machen eine Versiegelung mündlicher Gespräche, Verhandlungen, Festlegungen und Verträge möglich. Damit kann (Fern-)Gesprochenes geschützt dokumentiert werden, ist, wird damit für beide Seiten reproduzierbar, überprüfbar, justitiabel – kurzum gewinnt gleiche Qualität wie ein schriftliches Protokoll oder schriftlicher Vertrag. Im Geschäftsverkehr von Banken mit Kunden, für Kontoeröfnung, Kreditvertrag, eröffnen sich neue Möglichkeiten. Gleiches gilt für zwei Geschäftspartner miteinander, die in sicherer VoIP-Verbindung mündlich Verhandeltes versiegeln und damit langwierige und teure Verschriftung überflüssig zu machen. Es wird sich zeigen, ob und wie sich die VoIP-Signatur getragen vom neuen Personalausweis durchsetzen wird.
Am Fraunhoferstand gibt es Vieles, Neues, Innovatives. Ein großes Wanddisplay zeigt dreidimensionale Gebäudeansichten, die auf einer interaktive Tischplatte davor mit Planzeichnungen bewegt und gesteuert werden. Ein imponierendes arbeitsgruppenfähiges Planungstool für Architekten, Designer und Ausstellungsmacher. Die schöne neue Welt, entwickelt bei Fraunhofer, beeindruckt Auge und Phantasie.
Der komplette Workflow von der Dokumenten-Digitalisierung bis zum elektronischen Leesesaal einer Bibliothek ist eine Entwicklung, die es als Ganze anschauliche zu erleben gibt. Ein leistungsstarker Buch-Scan-Roboter steht am Anfang und digitalisiert Buchseiten nahezu im Sekundentakt. Im elektronischen Lesesaal lassen sich etwa historische Buchausgaben in bester Lesequalität aufrufen und an Bildschirmen lesen. Merkmal dieser Entwicklung ist die urheberrechtskonforme Auslegung und Umsetzung. Je nach vorliegenden Nutzungsrechten kann nur ein Leser oder können mehrere Leser zur selben Zeit zugreifen.
Auf dem Weg zur Computerwelt in der Wolke
Bei einem Rundgang durch mehrere Hallen lässt sich das medial groß verkündete Thema Cloud-Computing nicht so recht ausmachen. Sicher, es gibt zahlreiche Anbieter von IT-Dienstleistungen, internetbasierte neue Technologien. Zumindest im Rahmenprogramm wird dann die Sicherheitsfrage zur Datenhaltung und -gewährleistung bei Cloud-Lösungen diskutiert. Solche Modelle sehen vor, das wesentliche Teile computerbasierter Prozesse, wie Datenbanken und Rechnoperationen, via Internet nach außen, in eine Cloud als Wolke von Hardware, Software und deren Verknüpfungen, verlagert werden können und sollen. Vielleicht, geht mir durch den Kopf, ist die Cloud vor allem ein neues Wort für das Internet, eher eine Schöpfung der Marketing-Leute, denen Internet samt Web 2.0 inzwischen sprachlich abgenutzt erscheinen.
Neben vielen großen Namen und Anbietern finden sich kleine Stände mit neuen und jungen Entwicklungen und Anbietern. In Darmstadt haben zwei Informatiker eine Internetplattform entwickelt, die Bürgern Gelegenheit eröffnet Mängel und Probleme aus ihrem Umfeld zu melden. Der Mängelmelder.de leitet diese weiter, etwa an die zuständige Stadtverwaltung, die dann tätig werden kann den Mangel zu beseitigen. Ob die derzeitig allgegenwärtigen Schlaglöcher oder wild abgeladener Müll, die Idee mittels Internet eine einfache Meldemöglichkeit zu schaffen, überzeugt.
Auf der Bahnfahrt zurück nach Marburg komme ich mit einem am Labtop schreibenden Mitfahrer ins Gespräch. Seine Firma vertreibt ein Produkt, das sich als digitales Schwarzes Brett gezeichnen lässt. Auf großen Displays werden dabei Informationen an Mitarbeiter von der Firmenleitung vermittelt, internetbasiert. Das Produkt heißt cloudLFD.
Immerhin lerne ich so auf der Rückfahrt noch ein Beispiel aus der Cloud kennen. Mir fällt ein, dass meine E-Mails sämtlich bei meinem E-Mail-Dienstprovider lagern. Speicherplatz unbegrenzt, irgendwo auf einer Serverfarm. Die Cloud ist auf dem Vormarsch. Mich haben in Hannover die Gespräche mit kompetenten Menschen überzeugt, trotz und gerade wegen all der ausgefeilten Präsentationstechniken.