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Popanz und Potemkim – Verpflichtungserklärung und Öffentlichkeit

Marburg 9.3.2011 (yb) Heute um 17.00 Uhr beginnt die nächste Sitzung des Akteneinsichtausschuss. In der zurückliegenden Woche hatten dessen Ausschussmitglieder Gelegenheit das zu tun, wofür der Ausschuss eigentlich da sein soll. Sie konnten Einsicht nehmen in die Akten zum Veruntreuungsgeschehen. Einige Stadtverordnete haben das getan, haben sich Zeit genommen. Sie haben gelesen und versucht sich selbst einen weitergehenden Eindruck und Informationsstand zu verschaffen. So kann es gehen, vielleicht sogar vorwärts und die übergroße Mehrheit der Ausschussmitglieder von SPD, GRÜNE, Marburger LINKE, FDP und Marburger Bürgerliste haben damit keine Probleme. Anders die CDU, sie versucht – in nunmehr für niemanden mehr überraschender Weise – in trauter Eintracht und Einfalt mit Marburgs einziger Tageszeitung OP Stimmung zu machen.

Gleich zwei Überschriften auf zwei Seiten der OP und damit zwei Berichte müssen dafür herhalten. Als durchsichtiger Vorwand wird eine Verpflichtungserklärung benutzt. Nach mehrfacher Veröffentlichung vertraulicher Hintergründe ist von jedem Ausschussmitglied eine schriftliche Erklärung zur Vertraulichkeit vor Einsichtnahme in die Akten zu unterschreiben. Zugleich haben sich der Stadtverordnetenvorsteher (SPD) und die Ausschussvorsitzende (FDP) mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit gewendet. Wer diese Erklärung vom 8.3.2011 glaubt auch in der heutigen OP lesen zu können, unterliegt einem Irrtum. Einmal mehr lässt Redaktion Unliebsames einfach weg. In anderen Zusammenhängen nennt man sowas Unterschlagung.

Vertraulichkeit muss herhalten – wird ausgespielt gegen Öffentlichkeit

Marburger Verhältnisse – die OP hat ja die CDU und die CDU hat ja die OP. So wird eine einfache Verpflichtungserklärung interpretiert und es findet sich heute gedruckt zu lesen, dass die CDU Probleme darin sehen würde eine Erklärung zu unterschreiben, die ihren Abgeordneten dezidiert Vertraulichkeit abverlangt. Vertraulichkeit im Umgang mit Informationen ist vielerorts Selbstverständlichkeit und gehört unabdingbar zum sachgerechten Arbeiten. Dies gilt auch für Bereiche der Ausschussarbeit, ist doch zugleich ein Ermittlungs- und Strafverfahren der Staatsanwaltschaft anhängig!

CDU-Fraktionssprecher Philipp Stompfe lässt sich in der heutigen OP mit den Worten zitieren „Die CDU wird sich keinen Maulkorb erteilen lassen“. Als ob es darum ginge. So was nennt man einen Popanz*, zu deutsch Vogelscheuche, in die Welt stellen. Offenbar glaubt Stompfe die gebotene Vertraulichkeit durch die Behauptung von Öffentlichkeit ausschalten zu können. Als Rechtsanwalt müsste Stompfe es besser wissen. Doch darum geht es ihm wohl nicht. Offenbar glaubt Stompfe mit Thema und Problematik Veruntreuung punkten zu können indem er (mit Presseunterstützung) Scheindebatten provoziert. So lautet die Überschrift in der OP auf Seite drei  CDU: SPD baut Schutzwall um Vaupel.
Wenn es diesbezüglich nun zumindest Substantielles nachfolgend zu lesen geben würde. Fehlanzeige. Aber vielleicht lassen sich gewollte (CDU-)Wähler durch ein Potemkinsches Dorf** beeindrucken.

Wem kann eine Sondersitzung der Stadtverordneten schaden?

Ein ganz andere Frage ist es, wie von verschiedenen Stadtverordneten seit vergangener Woche ins Spiel gebracht, vor der Wahl die Stadtverordneten in eine Sondersitzung einzuberufen. Diesbezüglich lässt sich die Ansicht vertreten, dass damit ein Forum gegeben wäre, den Sachverhalt, soweit aufgeklärt und durchdrungen, zu erörtern. Davor sollte sich niemand fürchten und verwahren.

Es ist wie es ist. Und es ist eben so weit bearbeitet und aufgeklärt, wie es unter gegebenen Umständen möglich war zu kommen. Karneval ist rum, jedoch nicht der Kommunalwahlkampf. Das Rednerpult im Sitzungssaal der Stadtverordneten wäre jedenfalls alles andere als eine Bütt.

* Der Begriff Popanz [‚po:pants] (aus ostmitteldeutsch popenz, wahrscheinlich von tschechisch bubák, „Gespenst, Trugbild, Kobold“) oder von italienisch pupazzo, „Marionette“) beschreibt eine nicht ganz ernst zu nehmende Schreckgestalt oder sogar eine spaßige Figur bzw. Strohpuppe, beispielsweise eine Vogelscheuche.

** Als Potemkinsches Dorf (teilweise auch in der Schreibweise Potjomkinsches Dorf) wird etwas bezeichnet, das fein herausgeputzt wird, um den tatsächlichen, verheerenden Zustand zu verbergen. Oberflächlich wirkt es ausgearbeitet und beeindruckend, es fehlt ihm aber an Substanz.

(Begrifferläuterungen aus Wikipedia)

 

 

 

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