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Veröffentlichung des Berichtes Akteneinsichtausschuss „Beihilfe“

Marburg 1.4.2011 (red) Mit seiner letzten Sitzung am 29. März 2011 hat der Akteneinsichtausschuss „Beihilfe“ einen Bericht erörtert. Darin sind Vorarbeiten der Ausschussvorsitzenden Georg Fülberth und Gerlinde Schwebel als Formulierungen sowie Beiträge der beteiligten Fraktionen/Parteien eingeflossen. Gleichwohl wird dieser Bericht in der Hauptsache (nur) von der SPD, GRÜNE, Marburger Linke und FDP getragen. Von der CDU, mitgetragen von der Marburger Bürgerliste, ist ein eigenständiger Berichtsteil als Nebensache eingebracht worden. Insofern gibt es einen Gesamtbericht mit mehreren Bestandteilen.

Über die letzte und achte Ausschusssitzung, wie auch zu den vorhergehenden Terminen, hat das Marburger. berichtet.
das Marburger. dokumentiert diesen Bericht nachstehend ungekürzt, um Möglichkeit des detaillierten Nachlesens für Interessierte zu eröffnen:

Bericht des Akteneinsichtsausschusses „Beihilfe“
der Stadtverordnetenversammlung der Universitätsstadt Marburg

Die Stadtverordnetenversammlung der Universitätsstadt Marburg hatte in ihrer Sitzung am 28. Januar 2011 auf Antrag der Fraktionen von CDU, FDP und MBL, dem die anderen Frak-tionen beitraten, einen Ausschuss gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 HGO bestimmt, der sich mit der Einsichtnahme in die Akten bezüglich der Veruntreuung in der Beihilfestelle der Stadt Mar-burg befassen sollte. Abweichend von § 12 Abs. 2 der Geschäftsordnung für die Stadtver-ordnetenversammlung, wonach Ausschüsse aus elf stimmberechtigten Mitgliedern bestehen, bestand der Akteneinsichtsausschuss „Beihilfe“ einvernehmlich aus 17 Mitgliedern, um auch der kleinsten Fraktion das Stimmrecht einzuräumen. Somit waren alle Fraktionen im Verhält-nis ihrer Sitzzahl in der Stadtverordnetenversammlung im Ausschuss vertreten.

I. Sitzungen

Die Fraktionen entsandten folgende Stadtverordnete in den Ausschuss:

Herr Flohrschütz, Rainer – B 90 / Die Grünen
Herr Dr. Fülberth, Georg – Marburger Linke
Herr Heck, Hermann – CDU
Herr Hussein, Schaker – SPD
Herr Jannasch, Manfred – CDU
Frau Köhler, Sabine – B 90 / Die Grünen
Frau Lotz-Halilovic, Erika – SPD
Herr Meyer, Uwe – SPD
Frau Neuwohner, Elke – B 90 / Die Grünen
Herr Pfalz, Roger – CDU
Frau Schaffner, Karin – CDU
Frau Schwebel, Gerlinde – FDP
Herr Severin, Ulrich – SPD
Herr Simon, Matthias – SPD
Herr Stompfe, Philipp – CDU
Herr Dr. Uchtmann, Hermann – MBL
Frau Wölk, Marianne – SPD

Die Ausschussmitglieder wurden von Fall zu Fall durch folgende Stadtverordnete vertreten:

Herr Büchner, Thorsten – SPD
Herr Göttling, Dietmar – B 90 / Die Grünen
Frau Gottschlich, Hannelore – CDU
Frau Kolter, Astrid – Marburger Linke
Frau Dr. Perabo, Christa – B 90 / Die Grünen
Frau Röhrkohl, Anni – CDU
Herr Schäfer, Wolfram – B 90 / Die Grünen
Herr Scherer, August – CDU
Frau Sell, Sonja – SPD
Frau Dr. Therre-Staal, Elke – B 90 / Die Grünen

Die konstituierende Sitzung des Ausschusses fand am Mittwoch, dem 09. Februar 2011, statt. In dieser Sitzung wurde die Stadtverordnete Wölk zur Vorsitzenden und die Stadtver-ordnete Schwebel zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Als Schriftführer wurde Herr Preis und als stellvertretender Schriftführer Herr Kauffmann (beide Finanzservice) gewählt.

Nachdem die gewählte Vorsitzende Wölk mit schriftlicher Erklärung vom 21. Februar 2011 von ihrem Amt zurückgetreten war, wurde in der Sitzung am 02. März 2011 die Stadtverord-nete Schwebel zur Vorsitzenden und der Stadtverordnete Dr. Fülberth zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.

Der Rücktritt der Stadtverordneten Wölk bezog sich auch auf die Mitarbeit im Ausschuss. Statt ihrer entsandte die SPD-Fraktion nachfolgend die Stadtverordnete Monika Biebusch in den Ausschuss.

Grundlage der Arbeit des Ausschusses war neben den Akten der vorläufige Prüfungsbericht zur Aufarbeitung der Untreuehandlungen in der Beihilfestelle, den der Leiter des Prüfungs-amtes, Herr Fehlinger, angefertigt hatte und der den Ausschussmitgliedern am 15. Februar 2011 zugestellt wurde.

Der Ausschuss verständigte sich darauf, den vorläufigen Prüfungsbericht mit dem Verfasser zu erörtern und die hierzu zusammengetragenen Unterlagen zu sichten. Auch sollte die Funktionsweise der Software präsentiert werden. Über die Sitzungen sollten Tonmitschnitte angefertigt werden.

Der vorläufige Prüfungsbericht des Prüfungsamtes wurde in den Sitzungen am

Mittwoch, dem 16. Februar 2011,
Mittwoch, dem 23. Februar 2011,
Mittwoch, dem 02. März 2011,
Mittwoch, dem 09. März 2011,
Dienstag, dem 15. März 2011,
Dienstag, dem 22. März 2011 und
Dienstag, dem 29. März 2011

beraten. Die Präsentation der Software erfolgte in der Sitzung am 23. Februar 2011.

Den Bericht des Akteneinsichtsausschusses für die Stadtverordnetenversammlung hat der Ausschuss in seinen Sitzungen am 22. März 2011 und am 29. März 2011 beraten und abge-stimmt.

Die zum vorläufigen Prüfungsbericht gehörenden Akten haben die Stadtverordneten nach terminlicher Absprache mit Herrn Fehlinger einsehen können.

Die angefertigten Protokolle der Sitzungen sind an die Ausschussmitglieder verteilt und in den jeweils nachfolgenden Sitzungen genehmigt worden. Sie sind Bestandteil dieses Ab-schlussberichtes. Die technischen Vorkehrungen für Tonaufzeichnungen waren ab der Sit-zung vom 23. Februar 2011 gegeben. Die angefertigten Aufzeichnungen sind den einzelnen Fraktionen unmittelbar nach der jeweiligen Sitzung zugestellt worden.

II. Wesentliche Ergebnisse der Akteneinsicht

Die wesentlichen Ergebnisse der Akteneinsicht sind:

•    Die letzte Prüfung der Beihilfesachbearbeitung erfolgte im Jahr 1979.

•    In einer Stellungnahme vom 17.05.1990 legte der Hessische Datenschutzbeauftrag-te dar, dass eine stichprobenartige Prüfung der Beihilfe rechtlich unbedenklich sei.

•    Das Rechnungsprüfungsamt, das an Weisungen nicht gebunden ist, nahm sein Recht zur stichprobenartigen Prüfung der Beihilfe nicht wahr.

•    Bis zum 31. Dezember 1996 war mit der Bearbeitung und Prüfung von Beihilfeanträ-gen neben dem nunmehr beschuldigten Beamten ein Stellvertreter befasst. Er wech-selte zum 01. Januar 1997 in die Bauverwaltung.

•    In der Arbeitsplatzbeschreibung der Nachfolgerin fehlt die Aufgabenstellung „Prüfung der Beihilfe“. Es gibt keinen Beleg dafür, dass diese Änderung dem Prüfungsamt mitgeteilt wurde.

•    Bei der Genehmigung des Beihilfeprogramms BEBIS hat das Prüfungsamt 1993 an-geordnet, dass Änderungen an diesem System seiner Genehmigung bedürfen. Ab 2000 bestand der zweite Zugang in BEBIS zu den Beihilfe-Unterlagen, der bis zum 31.12.1996 von einem zweiten Mitarbeiter in der Beihilfestelle genutzt werden konnte, nicht mehr. Es gibt keinen Beleg dafür, dass hierfür die Genehmigung des Prü-fungsamtes eingeholt worden wäre.

•    Von diesem Moment an war der nunmehr beschuldigte Beamte de facto und im Wi-derspruch zur Allgemeinen Geschäftsanweisung (AGA) für die Bearbeitung seiner eigenen Beihilfefälle zuständig und unterlag de facto keinerlei Prüfung.

•    Das Vier-Augen-Prinzip wurde in der Weise umgesetzt, dass der Anordnungsbefugte nur die Anordnung vorgelegt bekam. Zahlungsbegründende Unterlagen durften nicht vorgelegt werden, da er Personalentscheider war.

•    1998 wurde der Universitätsstadt Marburg von der Beamtenversorgungskasse die Bearbeitung der Beihilfe angeboten. Dies lehnte die Stadt Marburg ab. Die Vorlage – „Vermerk für 01 über 10 und 10.2“ – für diese Entscheidung verfasste der nunmehr beschuldigte Beamte. U. a. führte er Kostengesichtspunkte an. Nach seiner Berech-nung wäre die Übergabe an die Beamtenversorgungskasse für die Stadt Marburg jährlich rd. 3.250 DM teurer. [01 = Oberbürgermeister, 10 = Amtsleiter Haupt-, Personal- und Organisationsamt, 10.2 = Abteilungsleiter Personal]

•    Für 1999 ist der erste Veruntreuungsfall zweifelsfrei festgestellt. Für vorhergehende Zeiträume sind die Unterlagen aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen nicht mehr vorhanden.

•    In 2001, 2002 und 2004 hat das Prüfungsamt bei Abweichung der Aufwendungen für Beihilfe nach oben vom Vorjahresbetrag eine Anfrage an den Fachdienst 10 gestellt und um Erklärung gebeten. Diese wurde mit Auskünften über Kostensteigerungen im Gesundheitswesen sowie mit dem Hinweis auf nie auszuschließende und vorher nicht abzusehende besonders aufwändige Behandlungen beantwortet.

•    Im Jahr 2002 erkrankte der beschuldigte Beamte für 4 Wochen. Während dieser Zeit hat er dennoch Beihilfefälle bearbeitet.

•    In den Arbeitsverteilungsplänen des Prüfungsamtes wird die Überprüfung der Beihil-fe bis 2006 bei einem bestimmten Sachbearbeiter aufgeführt.

•    Ab 2007 ist dort diese Tätigkeit keinem bestimmten Sachbearbeiter zugewiesen.

•    Der nunmehr beschuldigte Beamte wies sich 7 und seiner Ehefrau 48 Beihilfenum-mern zu.

•    Die Abwicklung der Beihilfe erfolgte nicht nur für den Mandanten Stadt Marburg, sondern ab 2005 auch für einen Mandanten Stadtwerke, der für die im Auftrag der Stadtwerke erfolgten Beihilfeberechnungen nicht benötigt wurde.

•    Im Schlussbericht des Prüfungsamtes für das Jahr 2008 brachte der Oberbürgermeister und Kämmerer aufgrund einer Überschreitung bei der Haushaltsstelle „Beihilfe“ den Prüfvermerk „P“ an, um eine Prüfung durch das Prüfungsamt zu veranlas-sen.

•    Am 28.12.2010 holte der beschuldigte Beamte bei der Kommunalen Versorgungs-kasse (KVK) per Mail ein Angebot zur Übernahme der Beihilfeabrechnung ein.

III. Bewertungen

Hieraus ergeben sich folgende Bewertungen:

1.    Die Ansiedlung der Beihilfestelle im heutigen Fachdienst 10 (früher Hauptamt und Personalamt) hat ein funktionierendes 4-Augenprinzip im Sinne der Allgemeinen Geschäftsanweisung (AGA) der Stadtverwaltung Marburg erschwert. Spätestens bei der grundlegenden Veränderung der Stadtverwaltung im Jahr 2003 hätte diesem Um-stand durch die Amts- bzw. Fachbereichsleiter Rechnung getragen werden müssen.

2.    Die Tatsache, dass der beschuldigte Beamte seit den 90er Jahren seine eigenen Beihilfeanträge bearbeitete, widerspricht einschlägigen Vorschriften, u. a. der Allgemeinen Geschäftsanweisung (AGA) der Stadt Marburg. Die Streichung der Stellver-tretung für die Beihilfestelle zum 01.01.1997 hat ihm die zur Last gelegten Straftaten erleichtert.

Mit dem Abzug des zweiten Beamten aus der Beihilfestelle im Jahr 1997 wurden die Weichen in diesem Teil der Verwaltung falsch gestellt. Damit gab es fortan keine amtsinternen Kontrollmöglichkeiten mehr. Die kollegiale Kontrolle und damit das Vier-Augen-Prinzip in der Sachbearbeitung wurde faktisch aufgehoben.

3.    Stichprobenhafte oder turnusmäßige Prüfungen der Beihilfe fanden in Marburg seit 1979 nicht statt. Hier liegt eine effektive Kontrollschwäche vor.

Der Verzicht des Prüfungsamtes auf jegliche Prüfung der Beihilfestelle seit 1979 ist auch dann als fahrlässig zu bezeichnen, wenn berücksichtigt wird, dass bei der ihm rechtlich allein erlaubten Stichproben-Prüfung nicht mit völliger Sicherheit eine Auf-deckung der Unterschlagungen gewährleistet gewesen wäre. Überlegungen darüber, wie durch eine bessere technische Ausstattung des Prüfungsamtes und häufigere Prüfung eine bessere Kontrolle hätte hergestellt werden können, sind nicht erkennbar angestellt worden.

Die unterlassene Prüfung durch das Rechnungsprüfungsamt seit dem Jahr 1979 ist daher nicht hinnehmbar.

4.    Beim Datenschutz sind Privatsphäre und Verwaltungstätigkeit scharf zu unterscheiden. Verwaltungshandeln zu verschleiern oder zu schützen ist nicht Aufgabe des Datenschutzes. Damit bekäme der Datenschutz eine „lächerliche Rolle“ (Dr. Robert Piendl in der Sitzung des Akteneinsichtsausschusses am 15. März 2011).

5.    In § 107 ff BBG wird die Innenrevision geregelt. Danach wird der Rechnungsprüfung eine privilegierte Stellung eingeräumt. Auch die Beihilfeakte muss der Rechnungsprüfung zugänglich sein.

6.    2002 war der beschuldigte Beamte für einen Monat erkrankt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte dem Vorgesetzten deutlich werden müssen, dass ein Sachbearbeiter seine eigenen Beihilfeanträge nicht bearbeiten und genehmigen darf. Die Erkenntnis des fehlerhaften Aufbaus der Beihilfestelle zu diesem Zeitpunkt hätte möglicherweise die Veruntreuungen der folgenden Jahre verhindert.

7.    Die hier festgestellten Abläufe und Verstöße fallen

•    bis 31. Dezember 1992 in die Amtszeit von Oberbürgermeister Dr. Hanno Drechsler,

•     vom 01. Januar 1993 bis 30. Juni 1993 in die Amtszeit von Bürgermeister Dr. Gerhard Pätzold, der die Funktion des Oberbürgermeisters kommissarisch wahrgenommen hat,

•     vom 01. Juli 1993 bis 30. Juni 2005 in die Amtszeit von Oberbürgermeister Möller.

8.    Bei seinem Amtsantritt 2005 hat Oberbürgermeister Vaupel die unter seinen Amtsvorgängern bereits bestehenden fehlerhaften verwaltungsinternen Strukturen, Zuordnungen, Abläufe und Verstöße in der Beihilfebearbeitung unbesehen übernommen.

IV. Sachstand

Diesem Bericht und den Bewertungen liegen die gegenwärtige Aktenlage, der vorläufige Prüfungsbericht mit Stand vom 23. März 2011 und die Darlegungen von Herrn Dr. Robert Piendl vom Hessischen Datenschutzbeauftragten zu Grunde.

V. Beschlussfassung

Die Kapitel I und II hat der Ausschuss einstimmig beschlossen. Das Kapitel III und IV sind mehrheitlich beschlossen worden.

Das genaue Abstimmungsverhalten ist den Protokollen zu entnehmen.

VI. Minderheitenvotum

Zum Kapitel III. „Bewertungen“ hat die CDU-Fraktion im Ausschuss am 29. März 2011 ein eigenes Papier vorgelegt, dem der Stadtverordnete Uchtmann beigetreten ist. Es ist nachfolgend abgedruckt. Dabei hat die CDU das Papier in der Sitzung wie folgt geändert:

Die Ziffer 1 hat die Fassung erhalten, wie sie im Kapitel III. „Bewertungen“ als Ziffer 1 des Ausschussberichtes übernommen worden ist.

Die Ziffer 2 des CDU-Papiers erhält die Ziffer 2a.

In dieser Ziffer 2a werden nach den Worten „… der Allgemeinen Geschäftsanweisung (AGA) der Stadt Marburg“ die Worte „sowie dem Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetz“ eingefügt.

Die bisherige Ziffer 4 wird Ziffer 2b.

Marburg, 31. März 2011
Schwebel, Gerlinde         Dr. Fülberth, Georg
Vorsitzende                        Stellvertr. Vorsitzender

 

Minderheitenvotum der CDU-Fraktion und der MBL-Fraktion

1.    Die Ansiedlung der Beihilfestelle im heutigen Fachdienst 10 (früher Hauptamt) machte ein funktionierendes 4-Augenprinzip im Sinne der Allgemeinen Geschäftsanordnung (AGA) der Stadtverwaltung Marburg unmöglich. Spätestens bei der grundlegenden Veränderung der Stadtverwaltung im Jahr 2003 hätte diesem Umstand durch die Amts- bzw. Fachbereichsleiter Rechnung getragen werden müssen.

2.    Die Tatsache dass der beschuldigte Beamte seine eigenen Beihilfeanträge bearbeitete, wider-spricht einschlägigen Vorschriften, u.a. der Allgemeinen Geschäftsanweisung (AGA) der Stadt Marburg. Dieser Umstand hätte dem jeweiligen Vorgesetzten deutlich sein müssen. Spätestens im Zusammenhang mit der wochenlangen Erkrankung des Beschuldigten im Jahr 2002 hätte der bestehende  Interessenkonflikt zu Reaktionen des Vorgesetzten führen müssen.

3.    Ab dem Zeitpunkt der Erkenntnis eines zwangsläufig bestehenden Interessenkonfliktes durch die Bearbeitung der eigenen Beihilfe hätte der jeweilige Vorgesetzte  (Abteilungs- bzw. Fach-dienstleiter) entweder auf einer Auslagerung der Beihilfe oder aber zumindest auf einer Überprüfung der Beihilfe durch das Rechnungsprüfungsamt bestehen müssen.

4.    Der Arbeitsanfall durch Beihilfeanträge in der Stadtverwaltung Marburg ist zeitlich derartig begrenzt, dass er durchaus durch eine Arbeitskraft bewältigt werden konnte. Die Überprüfung der Arbeitsleistung des heute beschuldigten Beamten war zu keinem Zeitpunkt Gegen-stand einer anderen Stellenbeschreibung. Sicherlich hätte aber die Möglichkeit der Einsicht-nahme einer zweiten Person in Beihilfeakten die dem Beamten vorgeworfenen Veruntreu-ungshandlungen erschwert. Dies setzt aber die Annahme einer möglichen ungesetzlichen Handlung durch den Vorgesetzten voraus. Anderenfalls macht die Vorhaltung einer solchen Stelle keinen Sinn. Aufgrund der in den Punkten 1 – 3 aufgeführten unterlassenen Handlungen durch die Vorgesetzten ist davon auszugehen, dass im Jahr 1996 (Wegfall der zweiten Stellenbeschreibung) keiner der Beteiligten von einer solchen Handlung ausgegangen ist. Im Übrigen ist der erste Veruntreuungsfall für das Jahr 1999 dokumentiert.

5.    Der Wegfall der zweiten Zugangsberechtigung im System Bebis hätte dem Rechnungsprüfungsamt mitgeteilt werden müssen, da die Genehmigung dieses Programmes einen solchen zweiten Zugang beinhaltete. Die Zuständigkeit für eine solche Mitteilung ist noch zu klären (entweder Automation oder Beihilfe).

6.    Das Rechnungsprüfungsamt hätte die Beihilfestelle, wenn auch nur stichprobenartig, über-prüfen müssen. Die erfolgten Rückfragen in den Jahren 2001, 2002 und 2004 können eine Überprüfung in Papierform nicht ersetzen. Gerade da die für Frühjahr 2011 angesetzte Prüfung zu einer versuchten Auslagerung der Beihilfe (durch den Beschuldigten) führte, steht fest das auch eine mögliche Prüfung in Papierform den Druck auf den Beschuldigten erhöht hätte, die Veruntreuungen von vornherein zu unterlassen oder aber frühzeitig einer Auslagerung zuzustimmen. Insofern wäre vielleicht die Veruntreuung nicht aufgefallen wenn bereits im Jahr 1998 die Beihilfe ausgelagert worden wäre, aber der finanzielle Schaden der Stadt wäre um mindestens 1,6 Millionen € geringer.

7.    Die unterlassene Prüfung durch das Rechnungsprüfungsamt seit dem Jahr 1979 ist daher nicht hinnehmbar.

8.    Die festgestellten verwaltungsinternen Zuordnungen, Abläufe und Verstöße fallen in die Amtszeiten der Oberbürgermeister Drechsler, Möller und Vaupel.

Mögliche Schlussfolgerungen sollten erst getroffen werden, wenn in der kommenden Legislaturpe-riode ein neu einzurichtender Aktenausschuss die bisherige Arbeit fortgesetzt und abgeschlossen hat. Darüber hinaus muss auch der endgültige Bericht des Rechnungsprüfungsamtes und der Abschluss der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abgewartet werden, ehe die Stadtverordnetenversammlung abschließend über Konsequenzen beschließt.

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