Der AStA empfiehlt – Studieren in Marburg!
Marburg 19.4.2011 (red) Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Philipps-Universität hat kurz nach Semesterstart eine Pressemitteilung versendet. Diese Pressemitteilung ist als besonderes Willkomensschreiben an Studierende zu bezeichnen, soll das auch sein. Die gewählten Vertreter und Sprecher der Studierenden verwenden darin Mittel der Ironie, mehr noch Sarkasmus und auch Parodie, um Bedingungen für das Studieren in Marburg zu kritisieren – und mehr noch anzuklagen. Die Aussagen, Vergleiche und Hinweise in der Pressemitteilung des AStA Marburg entbehren nicht der Klarheit und Verständlichkeit. So ist die redaktionelle Entscheidung nicht schwer gefallen diesen Text insbesondere an Studienanfängerinnen und Studienanfänger, ungekürzt ohne Kommentar zu veröffentlichen. Die Presse-mitteilung soll zugleich sein ein Kommentar „zu der Werbung, nach Marburg zum studieren zu kommen.“
Auch nach mehrjährigen Warnungen vor unwissenschaftlichen Rankings, fehlerhaften Prüfungsordnungen und falschen Versprechungen von Universität und Stadt Marburg werden Studienanfänger_innen nach Marburg gelockt.
Mit der Auswahl eines Studienfachs legen sich Studieninteressierte auf Grundlage von falschen oder unvollständigen Informationen auf einen Hochschulstandort fest. Ob diese Informationen durch die multimediale Präsenz von Hochschulrankings oder durch die PR-Abteilungen der Unis propagiert werden, scheint hierbei egal zu sein. Die finanziellen und sozialen Belange rücken bei der Immatrikulation in den Hintergrund – die hohe Quote der Studienabbrecher_innen ist auch hierauf zurück zuführen.
„Egal was ihr glaubt, warum es sich lohnen könnte, in Marburg zu studieren – tut es nicht!“ so Sozialreferentin Petra Thesing. „Euer Schlafplatz wird euch die letzten Nerven und jeden Cent rauben.“
- Das Bafög sieht eine Mietpauschale von 224 Euro vor. Gegenüber der letztjährigen Regelung eine satte Erhöhung von SECHS Euro.
- Die Zimmerpreise in Marburg liegen höher? Pech gehabt. Ist bei der Bundesförderung nicht vorgesehen.
- Die Marburger Mietpreise schwanken empirischen Studien zufolge zwischen 9 Euro und 15 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter.
- Dieser unbezahlbare Zustand besteht seit Jahren.
- Seit Jahren wird ein Mietspiegel für Marburg verhindert oder als unwichtig erachtet.
- Die Sozialerhebung des Studentenwerks hat 2009 ergeben, dass Studierende durchschnittlich 279 Euro für das Wohnen bezahlen müssen – aber das sind ja nur Zahlen.
Dresden und Chemnitz sind – anders als Marburg – die einzigen von 54 Städten, wo ihr mit der Mietpauschale hinkommt. Vielleicht sollte der AStA Marburg lieber ein Studium in diesen Städten empfehlen?!
Studienfachwahl sollte wichtiger sein? Wo lebst du denn?!
In Marburg könnt ihr auch ins Umland ziehen, z.B. nach Bauerbach. Dass dort vor 9 Uhr und nach 20 Uhr keine Busse mehr fahren, wird euer Studium wohl kaum beeinträchtigen.
Die Abhängigkeit von elternfinanziertem Leben in der Marburger Appartementlandschaft für weit über 300 Euro scheint nur für Teile der gequälten Studierenden eine tragfähige Lösung zu sein.
Auch der Ankauf einer Eigentumswohnung ab 77.000 Euro – diese werden hier wegen der zu erwartenden hohen Gewinne gerne gebaut – dürfte dann ja kein Problem sein.
Ihr wollt aber lieber in eine WG? Na dann viel Spaß. Verkauft euch bei Castings so gut wie möglich, besteht Verhöre, Gesinnungsprüfungen, Mutproben und Saufspiele. In der Regel habt ihr auch nur ca. 30 Konkurrent_innen. Ihr kommt aus einem der Doppeljahrgänge? Kein Problem, zu Studienanfang bietet die Uni gemütliche Turnhallenschlafplätze an. Da kommt es auf eine mehr oder weniger auch nicht an. Beim Zelten an der Lahn habt ihr dann auch direkten Wasserzugang.
„Auch, wenn ihr Euer Bafög gerne schnell und komplett haben möchtet, seid ihr in Marburg falsch! In Hessen sind die Studierendenwerke vom Land sowieso besonders unterfinanziert!“, so Marcel Hennes, Sozialreferent des AStA.
Die Bafögberatung durch das Studentenwerk Marburg stelle einen traurigen Negativrekord auf: „Die vom wohl schlechtesten Bafög-Amt der Republik empfohlenen Kfw-Studienkredite führen zu einem Leben in Schulden.
Die Aussicht mit einer mehrere zehntausend Euro schweren Kreditlast ins weitere Leben zu starten oder direkt nach dem Bachelor der Existenzgrundlage beraubt zu werden, ist genau das Signal, welches die Studienanfänger_innen aus den Bildungspaketen der Bundes- und Landespolitik im Gedächtnis behalten werden!“, stellt Hennes weiter fest.
Klingt toll? Herzlich willkommen in Marburg.