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Gewerkschafter sagen Nein zur hessischen Sparversion von Bildungspolitik

Unübersehbar wird viel saniert und gebaut von der Marburger Universität, hier die Fassade des Landgraf-Philipp-Hauses in der Universitätsstraße. Doch was passiert hinter den Fassaden äußerlicher Wiederherstellungen – zudem oft erst nach jahre- und jahrzehntelangem Niedergang von Gebäuden? Universitätsmitarbeiter kritisieren das Land Hessen. Aus Wiesbaden werden weitere Kürzungen verordnet, wovon 6 Millionen Euro jährlich alleine die Philipps-Universität betreffen werden. (Foto Hartwig Bambey)

Marburg, 26.4.2011 (pm/red) Wer auf den Lahnbergen die mächtige Baugrube für den Neubau der Chemie sieht, oder wer unten im Lahntal Fassadenarbeiten am Landgraf-Philipp-Haus der Wirtschaftswissenschaftler oder unweit in der Gutenbergstraße an dem der Psychologen wahrnimmt, kann zu einem offenbar trügerischen Eindruck gelangen. Bauplanungen für den Campus Firmanei,  Sanierungsmaßnahmen außerdem am Hörsaalgebäude in der Biegenstraße könnten die Vermutung nahelegen, die Uni Marburg habe viel und ausreichend Geldmittel im Bereich baulicher Investitionen und Instandhaltung zur Verfügung. Dass dem ganz und gar nicht so ist und zudem nachhaltige Verschlechterungen ins Haus stehen, beschäftigt gewerkschaftlich organisierte Universitäts-Mitarbeiter. Sie sehen sich veranlasst damit an die Öffentlichkeit zu gehen, um gravierende Fehlentwicklungen der Hochschulpolitik und -finanzierung des Landes aufzuzeigen.

Imponierend langes Gerüst am Hörsaalgebäude in der Biegenstraße - alles nur Reparaturen im Bereich der Fassade(n) ? Diese Frage werfen Senatsmitglieder und Mitglieder der ver.di-Betriebsgruppe der Universität auf und warnen vor kommenden drastischen Kürzungen im Haushalt der Uni. (Foto Hartwig Bambey)

Philipps-Universität wird Kürzung von 6 Millionen Euro jährlich verkraften müssen

Nachrichten aus der ersten Aprilhälfte würden den ganzen Widersinn der derzeitigen hessischen Hochschulpolitik offenbaren, teilt die ver.di-Betriebsgruppe der Philipps-Universität in ihrer Presseinformation mit. Diese Nachrichten würden darüber hinaus den Widerspruch derjenigen lohnabhängig Beschäftigten an der Uni Marburg hervorrufen, die in der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di organisiert sind. In dem Schreiben findet sich noch einiges mehr zu lesen.
Am  Montag, dem 11. April, musste Marburgs Unipräsidentin Katharina Krause im Senat berichten, dass in den kommenden Jahren mit einer Reduzierung der Mittel für Investitionen zu rechnen sei, weil die Landesregierung den hessischen Hochschulen die Zuschüsse gekürzt hat. Für Marburg bedeutet das ein Minus von über 6 Millionen Euro pro Jahr.

Wozu Millionenförderung für fragwürdige Privatuniversität EBS ?

Zur gleichen Zeit kann sich die private European Business School (EBS) über weitere finanzielle Zuwendungen seitens der öffentlichen Hand freuen, zuletzt über Millionenbeträge für eine nicht-öffentliche Tiefgarage (—> gesonderter Bericht über eine Studie der EBS). Derweil sieht sich die Elitehochschule mit Vorwürfen gegen ihren  früheren Präsidenten Christopher Jahns konfrontiert, der Gelder für seine eigenen Firmen abgezweigt haben soll. Hier der Selbstbedienungsladen einer fragwürdigen Elite, dort die arme Uni – ein Widerspruch? Keineswegs, meinen die ver.di-Personalräte. Beide Vorgänge betrachten sie als zwei Seiten derselben Medaille neoliberaler Prägung. Dies verdanke sich dem festen Vorsatz der schwarz-gelben Landesregierung, den bundesweiten Vorreiter in Sachen Bildungsprivatisierung zu spielen, lautet ihre Einschätzung.

Unten hui und oben pfui? Dem Ernst-von Hülsen-Haus wird ab Sommer 2011 endlich eine Sanierung zuteil, nachdem die Dachhaut längst deutliche Schäden hat und mit Netzen abgesichert werden musste. So kann dieses bedeutende und stadtbildprägende Bauwerk der Philipps-Universität als Symbol gelten für lange Zeiten finanzieller Vernachlässigungen mit verspäteter Sanierung, der erneute Zeiten finanziellen Mangels folgen werden. (Foto Hartwig Bambey)

So betreibe das Land seit Jahren den Umbau der Frankfurter Goethe-Universität zur Stiftungshochschule, an der private Geldgeber bestimmen, wo es in Forschung und Lehre lang geht.
Die aktuellen hochschulpolitischen Nachrichten würden somit deutlich machen, was die Eskalation einer Bildungspolitik konkret bedeutet, mit der wenige Vorzeigeinstitutionen zu fragwürdiger Exzellenz aufgeblasen und privaten Hochschulbetreibern zugeführt werden sollen. Alles, was nicht marktgängig ist und wofür sich daher kein Investor finde, werde im Unterschied dazu möglichst kurz gehalten.

Über 400 Millionen Investitionen für Marburg aus dem HEUREKA-Programm - das erscheint als ein sehr großer Betrag. Mehr als 100 Millionen verschlingt allerdings alleine der Neubau der Chemie auf den Lahnbergen, oben eine Aufnahme vor dem ersten Spatenstich im Oktober 2010. Ob dieses Geld reichen wird, etwa für die neue Universitätsbibliothek und alles andere, wird derzeit niemand abschätzen können. Doch was nützen alle einmaligen Investitionen, wenn der Philipps-Universität und anderen öffentlichen Unis in Hessen die Finanzierung des laufenden Betriebs zunehmend verunmöglicht wird - und das bei wachsenden Studierendenzahlen? Um die Ecke lauert dann bereits die sogenannte Schuldenbremse. Quo vadis Alma Mater Philippina? (Foto-Montage Hartwig Bambey)

Forderung nach angemessener Finanzausstattung

Die Marburger ver.di-Gewerkschafterinnen und -Gewerkschafter wenden sich entschieden gegen diese hessische Sparversion von Bildungs- und Beschäftigungspolitik. Die Landesregierung verspiele nicht nur die Chancen der jungen Generation, sondern die Zukunft der ganzen Gesellschaft, wenn sie nicht für eine ausreichende Finanzierung der öffentlichen Hochschulen sorge. Diese seien schon jetzt zum Teil gravierend unterfinanziert. Die steigenden Anforderungen für die Studierenden und die Beschäftigten können nur bewältigt werden, wenn die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung stehen, lautet die konsequent Schlussfolgerung. Bildung für alle und Forschung für unsere Zukunft könne es nicht zu Discounter-Preisen geben lautet die abschließende Feststellung der Hochschulbediensteten
Jutta Stanzel und Claudia Keppler, beide Vertrauensleute-Vorstand der ver.di-Betriebsgruppe, und 
Monika Lerp und Heike Heuser, die Mitglieder des Senats der Philipps-Universität sind.

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