Naomi Beckwith als Künstlerische Leiterin der documenta 16 vorgestellt

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Jugend 2011 – eine verlorene Generation?

Marburg 1.5.2011 (red) Zum diesjährigen 1. Mai dokumentiert und veröffentlicht das Marburger. drei Beiträge von engagierten Gewerkschaftern.

Veröffentlicht werden der Beitrag der ver.di-Jugenbildungssekretärin Ulrike Eifler aus Gießen zur Maizeitung, die Maiansprache von Pit Metz und die Anprache des DGB-Sekretärs Ulf Immelt bei der Vormaifeier am 30. April in der Waggonhalle.

Gastbeitrag von Ulrike Eifler. Unsere Kinder sollen es einmal besser haben. Dieses Grundversprechen der Gesellschaft ist zerbrochen. Keine andere Altersgruppe ist so sehr von unsicheren und schlecht bezahlten Jobs betroffen wie die Generation unter 35. Mittlerweile arbeitet mehr als jeder zweite junge Mensch befristet, in Leiharbeit oder zu Niedrig- und Niedrigstlöhnen. Planbar wird das Leben dadurch nicht und der Weg in die Zukunft ist für die meisten gepflastert mit Stolpersteinen. Die Internationale Arbeitsrechtsorganisation ILO warnt jetzt sogar von einer verlorenen Generation.

Mittelhessen ist dabei keine Ausnahme. Die Lebens- und Arbeitssituation junger Menschen zwischen Marburg und Stadtallendorf, zwischen Gießen und Wetzlar bis hinein in den Vogelsberg lässt langfristige Lebensplanungen nicht zu. Das fängt mit der Suche nach einem Ausbildungsplatz an. Mittlerweile aber hat jeder dritte junge Arbeitnehmer Probleme, einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu finden.

Der Grund dafür ist, dass in den letzten Jahren die heimischen Unternehmen die Zahl der Ausbildungsplätze drastisch zusammengestrichen haben. Zwei Drittel aller Betriebe in Hessen sind ausbildungsberechtigt, aber nur 33 Prozent bilden aus. Die Folge davon ist, dass jeder sechste zwischen 20 und 30 Jahren hat keinen Berufsabschluss hat. Das sind in Mittelhessen immerhin 18.850 junge Menschen.

Aktionen der Auszubildenden am UKGM Marburg zu Verhandlungen zur Übernahme am 17. März 2011. (Foto Karin Zennig)

Wer das Glück hatte, einen Ausbildungsplatz zu finden, kann gegen Ende der Ausbildung leicht ins Straucheln geraten. Denn die Übernahme nach der Ausbildung wird selbst bei einem guten Abschluss oft zur Ausnahme. So wissen zwei Drittel aller Azubis im letzten Ausbildungsjahr noch nicht, ob sie nach der Ausbildung übernommen werden. Ganz offensichtlich haben heimische Unternehmen kein Interesse an gut ausgebildeten Fachkräften.

Von 32.000 Azubis in Hessen sind 2009 nur 19.200 übernommen worden. Das entspricht einer Übernahmequote von 60 Prozent. Ein Jahr zuvor lag diese Quote noch bei 62 und 2007 sogar bei 66 Prozent. Die Übernahme von jungen Azubis wird also Jahr für Jahr zurückgefahren. Damit wird bereits der Berufseinstieg zum Risiko, denn immer öfter sind die Lebensläufe junger Arbeitnehmer von einem Wechsel zwischen befristeter Beschäftigung und Arbeitslosigkeit geprägt.

Schilder mit Forderungen der Auszubildenden am UKGM Marburg. (Foto Karin Zennig)

So drücken sich befristete Jobs wie ein Stempel auf die Lebens- und Arbeitssituation junger Menschen.
19 Prozent der unter 35-Jährigen und 39 Prozent der unter 25-Jährigen sind befristet beschäftigt. Das sind in Mittelhessen weit über 17.000 junge Menschen. Ein befristeter Job hat nicht nur zur Folge, dass man sich alle zwei Jahre einen neuen Job suchen muss. Befristung heißt auch, dass man beispielsweise keinerlei Aufstiegschancen hat. Dazu kommt, dass kaum ein Unternehmen in die Weiterbildung von Mitarbeitern investiert, deren Verträge demnächst auslaufen. Ohne regelmäßige Weiterbildungen aber wird es noch schwieriger einen neuen Job zu finden.

Oft bleibt da nur ein Job bei einer Leiharbeitsfirma. 43 Prozent aller Leiharbeitnehmer sind junge Menschen – immerhin 1.700 in Mittelhessen. Sie verdienen schlecht und haben ein erhöhtes Risiko arbeitslos zu werden. Auch für sie werden Weiterbildung oder gar Aufstiegschancen zu Wunschträumen. Dazu kommt, dass schlechte Jobs schlechte Bezahlung bedeuten. 56 Prozent der unter 25-Jährigen arbeiten im Niedriglohnbereich. Sie verdienen weniger als 1.500 Euro brutto. Viele junge Menschen sind gezwungen, weiterhin bei ihren Eltern zu wohnen. An konkrete Lebens- oder Familienplanung ist unter diesen Umständen nicht zu denken.

Jugendbildungssekretärin Ulrike Eifler

Diese Entwicklung ist nicht etwa vom Himmel gefallen. Sie ist vielmehr das Ergebnis von politischen Entscheidungen. Es war die Politik der Agenda 2010, die zu einer Ausweitung der Leiharbeit und zu einer Zunahme von befristeter Beschäftigung geführt hat. Es war die Einführung von Hartz IV, die eine unvergleichliche Lohnspirale nach unten in Gang gesetzt und dazu geführt hat, dass Deutschland das einzige Land innerhalb der Europäischen Union ist, in dem die Reallöhne sinken.
Sparpaket und Schuldenbremse werden noch einmal zusätzlich wie eine Abrissbirne mit voller Wucht auf die Zukunftsperspektiven junger Menschen einschlagen. Die Arbeitslosenquote der 15-bis 24-Jährigen ist mit 15 Prozent fast doppelt so hoch wie die der restlichen Altersgruppen. Die geplanten Kürzungen treffen also in besonderem Maße junge Leute, weil ihre Lebenssituation ohnehin viel fragiler, viel brüchiger, viel weniger planbar ist.

Ob die Generation Prekär aber tatsächlich zu einer verlorenen Generation wird, hängt wesentlich davon ab, ob wir es schaffen, der Politik des sozialen Kahlschlages etwas entgegen zu setzen.
Jetzt geht es darum, aufzustehen für soziale Gerechtigkeit und sich einzumischen, bevor wieder andere entscheiden. Der 1. Mai ist dazu eine gute Gelegenheit.

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