Agendagruppe zeigt Wege weg von der Stadtautobahn
Marburg 19.5.2011 (yb) Bei der gutbesuchten und spannenden öffentlichen Veranstaltung der lokalen Agendagruppen am gestrigen Abend im Stadtverordnetensitzungssaal stand die Marburger Stadtautobahn ganz und gar im Zentrum der Aufmerksamkeit. Gleich mehrere Vorträge und Präsentationen haben sich mit Möglichkeiten zur Veränderung, Umbau, Lärm- und Verkehrsreduktion beschäftigt – es wurden interessante, sogar wegweisende Lösungsansätze präsentiert. Das Beste daran ist aufgezeigt zu haben, dass woanders bereits gebaut wird, untertunnelt wurde und die Finanzierung in den Griff genommen wurde. Offensichtlich hinkt Marburg deutlich hinterher.
Alles ist möglich – Ab in die Röhre, Deckel drauf und neu bepflanzen !
So oder ähnlich formulierte es Gerhard Haberle als Sprecher der Lokalen Agendagruppen, die in den Stadtverordnetensitzungssaal eingeladen hatten. Es kamen viele, und die gekommen waren, wurden mit fundierten Informationen, seriösen Lösungsansätzen und profunden Fakten konfrontiert. Im Einstiegsreferat gab Haberle einen Überblick. Ob Tuttlingen, Ulm, Hamburg oder Frankfurt – in vielen, sehr vielen Städten hat(te) man vergleichbare Problem mit Stadtautobahnen und deren „Fallout“, im Verwaltungsdeutsch Immissionen genannt, Abgasproblem und Lärmbelästigung zu gut deutsch.
Der Unterschied zu Marburg ist, das hat Haberle klar herausgearbeitet, dass man dort länger und längst begonnen hat. So gibt es bereits in Röhren und Tunnellösungen eingehauste Stadtautobahnen. Den betreffenden Innenstädten wurde damit die Zerschneidung und Lärm genommen und zugleich viel Raum zurück gegeben. Ob Jan Sollwedel von den GRÜNEN, Nico Biver und Tanja Bauder-Wöhr von der Marburger Linken, oder Karin Schaffner und Manfred Jannasch von der CDU, diese anwesenden Mandatsträger der Stadt Marburg nahmen den Vortrag ebenso aufmerksam zur Kenntnis, wie der unter den vielen anderen Besuchern anwesende städtische Baudirektor Jürgen Rausch.
Es fehlte dabei nicht an Daten, Fakten und Zahlen. Auffällig ist, dass es deutliche Kostenunterschiede gibt, wobei ganz verschiedene Lösungen, bergmännischer Tunnel, Betonröhre, Glaseinhausung und mehr, Verwirklichung finden können. Der Kostenbetrachtung gegenüber zu stellen ist ein finanzieller Gewinn durch neue Bebauungsmöglichkeiten inmitten der Stadt. Nicht alleine damit wurden die von Bürgermeister und Baudezernent Franz Kahle in 2010 vorgebrachten Zahlen für ein Tunnelprojekt in Marburg als spekulatives und verkürzendes Totschlagargument entlarvt.
Nicht vom Thema, jedoch vom Zeitpunkt ihres Entstehens in 2005 /2006, konnte die Arbeit von den drei Diplom-Ingenieuren Philipp Knierim, Fabian Luttrop und Ole Metzger überraschen. Luttropp und Metzger traten als Referentenduo in Erscheinung und konnten aufzeigen, dass für Marburg viel mehr als die Überwindung der Teilung des Stadtgebietes und der Lärmbelastung in Aussicht steht. Es geht zugleich um erhebliche Flächengewinne, die zur Bebauung im Kernbereich der Stadt genutzt werden können, lautet eine Kernaussage ihrer Untersuchung. Die beiden Ingenieure von der TH Darmstadt sprachen sogar von einem Filetstück, das im Lahntal inmitten der Stadt gewonnen werden kann – beste Wohnlage mit Schloßblick.
Ein Impression dazu, wie es aussehen könnte vermittelten dann einige Foto-Montagen des Marburger Architekten Bernd Brust vom Büro Bau-Art.
Darin wird in direkter Gegenüberstellung gezeigt, worum es geht.
Rückeroberung von Stadtraum ist auch dabei ein Kernanliegen, das für die Stadtentwicklung der Universitätsstadt von allen Seiten begrüsst werden wird.
Mit diesen Vorträgen und Präsentationen war ein Fass aufgemacht und wurden manche Blockaden und Mauern in den Köpfen eingerissen. So gab es keinen Widerspruch als Gerhard Haberle formulierte „man muss sich schon anstellen, wenn man etwas errreichen will.“ Er vewies damit zugleich darauf, dass in vielen Städten längst die Initiative gestartet wurde und in Marburg man gerade dabei ist aufzuwachen.
So war es konsequent an diesem Agendabend der in 2010 gegründeten Bürgerinitiative Stadtautobahn Gelegenheit für eine Vorstellung zu geben. Als deren Sprecher verstand es Prof. Ullrich Wagner einen prägnanten Überblick zu bisherigen Aktivitäten, zur Vorgehensweise und bisher artikulierten Zielstellungen der dort Aktiven zu geben. —> Hierzu folgt ein gesonderter Beitrag. Die Bürgerinitiative Stadtautobahn bietet inzwischen auf ihren Seiten im Internet vertiefende Informationen.
Wenn sich etwas ändern soll, muss es von der Stadt ausgehen…
zitierte Gerhard Haberle Prof. Stephan Herkt, der im Vorjahr an gleicher Stelle auf Einladung des Oberbürgermeisters auch zu Möglichkeiten einer Tunnellösung vorgetragen hatte. Für eine Lösung im Kernbereich hatte Herkt als Zahlen 100 bzw. 200 Millionen Baukosten als Größenordnung benannt. Von ihm kam auch der weiterführende Hinweis, das das Land Hessen und der Bund in dieser Angelegenheit nicht aktiv werden. Das genau ist die bevorstehende Aufgabe in Marburg, für die Stadt selbst und ihre Bürger. Doch Agendagruppen und Bürgerinitiative Stadtautobahn werden es alleine nicht richten. Vor ihnen liegt noch ein gutes Stück Überzeugungsarbeit bis ihr 800 oder 1000 und mehr Demonstranten auf die Straße folgen werden, wie sie vom Marburger Bündnis gegen Atomkraftwerke zuletzt mobilisiert werden konnten.
Vor allem hat dieser gelungene Informationsabend sichtbar werden lassen, dass sich bereits eine Menge bewegt in Marburg. So wird Prof. Andreas Barth von der Technischen Hochschule Mittelhessen sich des Themas und der Anliegen annehmen, um Untersuchungen und weitere wissenschaftliche Arbeiten auf den Weg zu bringen.
Die in Marburg gerade verhandelnden Sozialdemokraten und GRÜNEN werden gut damit beraten sein dem Thema und Problem wachsendes Augenmerk zu widmen. Mit halbherzigen Aussagen oder Verweis auf Zuständigekeiten anderorts wird es nicht weitergehen – auch nicht kommunalpolitisch in der Universitätsstadt.
Die Beseitigung / Tunnellösung für die Stadtautobahn Marburg ist auf der Agenda. Sie wird von wachsender Erwartung aus der Bevölkerung getragen an der Lahn endlich wirkungsvoll und abgestimmt tätig zu werden. Die kommende Rathauskoalition von Rot-Grün wird sich dem verstärkt zu stellen haben.