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Stellungnahme der Landtagsfraktion DIE LINKE zur Diskussion über die Studie ‚Braunes Erbe – NS-Vergangenheit Hessischer Landtagsabgeordneter‘

Marburg 27.5.2011 (pm) Mit großem Interesse und bislang ohne weitere Kommentierung haben die Landtagsfraktion DIE LINKE die rege Diskussion über die Ergebnisse ihrer Studie zur NS-Vergangenheit hessischer Landtagsabgeordneter verfolgt. Insbesondere zwei Artikel im Rhein-Main-Teil der FAZ vom 19. und 21. Mai sowie einige mit großer Nachdenklichkeit verfasste Leserbriefe und persönliche Stellungnahmen veranlassen sie zur Stellungnahme, die nachfolgend veröffentlicht wird.

Es war weder Auftrag noch Intention der Studie, eine Monographie zum Thema vorzulegen oder einzelne Fälle herauszuarbeiten und zu (ver)urteilen. Im Gegenteil wäre eine Landtagsfraktion hierfür nicht der passende Auftraggeber, eine Bearbeitungszeit von vielen Jahren notwendig und Verurteilungen persönlicher Biografien bzw. politisches Lagerdenken als Beitrag einer notwendigen geschichtspolitischen Aufarbeitung ungeeignet.

Deshalb wurde die Studie von Beginn an nur angelegt und ihre Ergebnisse öffentlich nur dargestellt als Basis und Aufforderung für eine notwendige weitere Aufarbeitung verdrängter hessischer Geschichte und ihrer politischen Auswirkungen bis heute. Nicht mehr, aber auch nicht weniger sollte die Studie leisten – und genau das hat sie geleistet, wie das erhebliche Medienecho, eine Vielzahl geschichtspolitischer Wortmeldungen und die Einsetzung einer historischen Kommission zeigen.

Insofern ist es also leicht, bei der Studie viele im Anschluss an sie aufgeworfene Fragen aufzuzählen. Jedoch ist dies eben kein Manko, sondern es war vielmehr Sinn der Studie. Die politisch-ideologisch Kritik, welche der Studie auch zuteilwurde, möchten wir hier nicht weiter kommentieren, weil sie so vorhersehbar wie ahistorisch ist.
Zwei weitere Vorwürfe, welche teils von Historikern und teils von Betroffenen vorgebracht wurden, verdienen jedoch unsere Beachtung. Der Vorwurf, die Studie liefere kaum neue Erkenntnisse, verblüfft angesichts der Tatsache, dass die Parteien, der Hessische Landtag und auch die Wissenschaft bisher weder die sehr zahlreichen NSDAP, SS- oder SA-Mitgliedschaften ehemaliger Abgeordnete ausweisen, noch der Bedeutung zahlreicher, teils prominenter und zeitlich in diversen Fraktionen und Ämtern gehäufter NS-Vergangenheiten jemals nachgegangen sind.

Dieser Nichts-Neues-Vorwurf steht zudem im Widerspruch zu einem weiteren Vorwurf, die Ergebnisse stimmten nicht bzw. sie seien aufgebauscht. Denn im Gegenteil vermeidet die Studie geschichtspolitische (Vor-)Verurteilungen. Sie entlastet z. B. spätere politisch herausragende Persönlichkeiten wie Karl-Heinz Koch und Rudi Arndt sogar ausdrücklich, indem sie politische Verirrung, gesellschaftlichen Druck, jugendliches Alter, jahrelange Indoktrination und auch Opportunismus als NSDAP-Beitrittsgründe benennt, welche (Um)Wege in die demokratische Gesellschaft zulassen.

Daneben bieten allein die Unterlagen des Berlin Dokument Center ausreichend Hinweise, dass eine ehrliche und offene Aufarbeitung dessen bislang unterblieb, zumal bei ca. einem guten Dutzend ehemaliger Abgeordneter eine weitergehende,  weil sehr frühe NSDAP oder aktive SA-, SS-Mitgliedschaft oder Bekleidung ranghoher staatlicher NS-Positionen vorliegt.

Wie bereits ausgeführt, kann dies nur ein Ausgangspunkt für Aufarbeitung sein, welche durch weiteres Material in den Entnazifizierungsakten, in Personalakten, Wehrmachtsunterlagen usw. zu vertiefen ist. Zur Beurteilung der politischen Persönlichkeit und ihres Wirkens sind schließlich die gesamte Biographie und das weitere politische Umfeld zu betrachten. Dies kann nur mit einem umfassenden Forschungsprojekt gelingen. Wenn die Studie dazu anregt, dass es nach über 60 Jahren endlich zu einer ehrlichen Betrachtung der Übergänge vom faschistischen dritten Reich zur Bundesrepublik kommt und diese Betrachtung Eingang in das heutige demokratische Selbstverständnis der Parteien, Institutionen und Bevölkerung findet, dann hat sie ihr Ziel erreicht.

Die Studie findet sich im Internetportal der Partei Die LINKE.

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