Anträge zum Marburger Nachtragshaushalt spiegeln Sichtweisen und Anliegen
Marburg 9.6.2011 (yb) Die erste Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses zur Beschäftigung mit dem vom Kämmerer vorgelegten Nachtragshaushalt drohte trotz straffer Sitzungsleitung durch den Vorsitzenden Roger Pfalz zeitlich aus dem Ruder zu laufen, weil Stadtverordnete immer wieder über Sachfragen hinaus politische Bewertungen artikulierten und ansatzweise diskutierten. Der Vorsitzende verwies dazu auf die weitere Sitzung des Gremiums am 14. Juni und die Sitzung des Parlaments am 17. Juni. Gleichwohl konnte Pfalz nicht verhindern, dass etwa über die zukünftig den Ortsbeiraten zur Verfügung stehenden Finanzmittel Diskussion entflammte.
Womöglich derzeitiger poltischer Themenarmut in Marburg geschuldet, wurde munter verlautbart, dass man die Ausstattung der Ortsbeiräte mit Verfügungsgeldern in Höhe von einem Euro je Einwohner begrüsse. Dass darüber hinaus den Stadtteilgemeinden ein entsprechender Betrag dort zuteil wird, wo es keine Ortsbeiräte im Stadtgebiet gibt, wurde nicht in Frage gestellt. Nun haben Ortsbeiräte als Institut der Hessischen Gemeindeordnung und Stadtteilgemeinden mit Vereinseigenschaft unterschiedlichen Rechtscharakter. Zugleich haben sie zumindest teilweise gleiche und ähnliche Intentionen. Dessen haben sich die Ausschussmitglieder munter gegenseitig versichert.
Für die neu konstituierten Ortsbeiräte von Relevanz dagegen ist das Faktum, dass die bisher nicht ausgezahlten Haushaltsmittel aus 2010 nunmehr gemeinsam mit den Mitteln aus 2011 zur Verfügung stehen. Zum Start der neuen Wahlperiode kann damit für die Stadtteile via Ortsbeiräte einmalig auf eine Summe von rund 100.000 Euro zur Finanzierung von Kleinmassnahmen zugegriffen werden.
Entwurf zum Nachtragshaushalt wird politisch später bewertet
Die meiste Zeit verbrachte der Ausschuss damit Sachfragen zu veränderten Haushaltansätzen im Ergebnishaushalt 2011 zu stellen und zu klären. Oberbürgermeister Vaupel und zeitweise Bürgermeister Kahle standen als Vertreter des hauptamtlichen Magistrats für Fragen, Auskünfte und Erläuterungen zur Verfügung. Insgesamt soll und wird es im Nachtragshaushalt 2011 zu teilweise erheblichen Verschiebungen kommen. Diese sind nicht selten witterungsbedingtem Verzug bei größerem Bauprojekten geschuldet. Der sehr lange und harte zurückliegende Winter hat Verzug bei vielen Bauarbeiten verursacht. Dies bildet sich dann zwangsläufig in Gestalt später Zahlungsfälligkeiten ab, hier in Überschreitung des Haushaltsjahres 2010 wegen des Jahresendes.
Manche Fraktion macht munter Anträge und erntet Zustimmung
Vor den Stadtverordneten lagen eine Reihe von Änderungs- und Ergänzungsanträgen mit Herkunft verschiedener Fraktionen auf dem Tisch. Das konnte nicht verwundern, ist es schließlich genuines Recht des Parlaments den Haushalt nicht alleine zu beschließen, sondern auch zu gestalten.
- So beantragt die Marburger Bürgerliste (MBL) die komplette Streichung der 79.000 Euro jährlichen Finanzzuschuss der Stadt zur Herstellung von Studier mal Marburg mit der Begründung, dass die Stadt Marburg andere Möglichkeiten habe sich zu präsentieren.
- Zudem will die MBL zwei zusätzliche Stellen für Hilfspolizisten schaffen, die insbesondere im Bereich Marburg Mitte Streife gehen sollen und damit für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum sorgen sollen. Beantragt werden dafür 80.000 Euro.
- Weiterhin beantragt die MBL die Einstellung von 50.000 Euro für eine Machbarkeitsstudie der diskutierten Seilbahnverbindung zu den Lahnbergen um Diskussionen und einer Meinungsbildung mit den Ergebnissen einer Studie eine reale und sachliche Grundlage zu geben.
- Schließlich beantragt die MBL Planungskosten von 50.000 Euro für Entlastungsbauten an der Hauptkreuzung im Kaufpark Wehrda.
- Die MBL möchte, dass der Botanische Garten einen allgemeinen Zuschuss von 5.000 Euro erhält, der Förderverein Botanischer Garten mit 1.000 Euro unterstützt wird.
- Gestrichen werden sollen dagegen 100.000 Euro, die für weitere Baumpflanzungen in der Innenstadt angesetzt sind.
- Für die Nordstadt dagegen will die MBL 30.000 Euro Planungskosten bereitstellen, um ein Entwicklungskonzept Nordstadt nach Wegzug der Kliniken zu finanzieren.
- Die GRÜNEN wollen 50.000 Euro Planungskosten für eine Wasserkraftanlage am Afföllerwehr in den Haushalt aufnehmen lassen.
- Nach Willen der GRÜNEN sollen 15.000 Euro für die Verbesserung der Regionalexpressanbindung Kirchhain-Stadtallendorf-Neustadt gemäß Vorschlägen der Initiative Main-Weser-Bahn im Takt bereitgestellt werden.
- Die CDU will 5.000 Euro für Schulsport, 2.500 Euro für den Sportkreis und 20.000 Euro für die Sportvereine zusätzlich bereitstellen.
- In den Finanzhaushalt will die CDU 100.000 Euro Planungskosten für eine Vier-Felder-Sporthalle aufnehmen lassen.
- Auf dem Weg einer Verpflichtungsermächtigung sollen 2,5 Millionen für den Bau einer Vier-Felder-Sporthalle nach Willen der CDU disponiert werden.
- Das umfangreiche Paket der Fraktion Marburger Linke wird eingeleitet von dem Vorschlag bzw. der Forderung nach Anhebung des Gewerbesteuerhebesatzes auf 420 Prozent, was Marburg Steuermehreinnahmen von etwa 14 Millionen Euro einbringen soll.
- Alle Entgelte / Gebühren für Kindergarten sollen künftig entfallen, der Kindergartenbesuch also kostenlos werden.
- Die Marburger Linke will das Personalkostenbudget um eine Million Euro aufstocken, um damit die zu dünne Personaldecke in der Stadtverwaltung stärken zu können.
- Die Leistungen aus dem Marburger Stadtpass sollen um 500.000 Euro deutlich angehoben werden.
- Ein Informationskampagne über Leistungen aus dem Bildungspaket der Bundesregierung soll mit 100.000 Euro finanziert werden.
- Für ein zu schaffendes Stadtmuseum sollen 100.000 Euro Planungskosten eingestellt werden.
- Für eine Vier-Felder-Sporthalle will die Linke Planungskosten von 200.000 Euro bereitstellen, zusätzlich 500.000 Euro für weitere bereits in 2011 mögliche Kosten und für 2012 soll eine Verpflichtungsermächtigung von 4,5 Millionen Euro eingestellt werden.
- Schließlich soll nach Willen der Fraktion Marburger Linke den Stadtwerken Marburg ein Darlehn in Höhe 5 Millionen Euro gewährt werden, um damit weitere Maßnahmen in eine solare Energiewende finanzieren und leisten zu können.
Die Änderungsvorschläge der Fraktionen wurden zum Schluss der Sitzung lediglich kurz erläutert und einige Nachfragen beantwortet. Der Sprecher der GRÜNEN etwa artikulierte grundsätzliche Übereinstimmung seiner Partei hinsichtlich der Verstärkung städtischer Massnahmen und Finanzmittel für eine Wende zu erneuerbaren Energieträgern, wie dies von der Marburger Linke beantragt ist.
Am Ende war man durch und der Ausschussvorsitzende war froh darum samt Vereis auf kommende Erörterungen und politische Begründungen in der folgenden Ausschusssitzung und dann in der Stadtverordnetensitzung, ehe das kommunalpolitische Marburg sich in eine frühe Sommerpause begibt.