Kopfschmerzen bei Senioren sollen in Studie erkundet werden
Berlin, Marburg 25.6.2011 (pm/red) Die sozio-demographische Entwicklung hat zur Folge, dass immer häufiger alte Menschen wegen Kopfschmerzen zum Arzt gehen. Die diagnostische Einordnung von Kopfschmerzen im höheren Alter und die Anforderungen an eine wirksame Behandlung stellen eine große Herausforderung für Ärzte dar.
„Grundsätzlich muss stets differenziert werden, ob ein primäres Kopfschmerzsyndrom wie eine Migräne oder ein Spannungskopfschmerz vorliegt, oder ob sich hinter dem Schmerz ein sekundäres Kopfschmerzsyndrom, das heißt eine andere Erkrankung mit dem Symptom Kopfschmerz, verbirgt“, sagte Privatdozentin Stefanie Förderreuther, Generalsekretärin der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) anlässlich des Internationalen Kopfschmerzkongresses vom 23. bis 26. Juni 2011 in Berlin.
Die Erforschung ist für ältere Menschen deshalb wichtig, da der Anteil symptomatischer Kopfschmerzerkrankungen mit dem Alter zunimmt. Bisher ist der Wissensstand über Kopfschmerzen bei älteren Menschen sehr lückenhaft. Die DMKG initiiert jetzt eine durch Fragebogen gestützte, standardisierte Erfassung von Kopf- und Gesichtsschmerzen bei Patienten, die älter als 65 Jahre sind. Sie soll im Herbst 2011 gestartet werden. Mit ersten Ergebnissen wird im Frühjahr 2012 gerechnet. Die Erhebung soll Daten zu folgenden Themen liefern
- Epidemiologie von Kopfschmerzen bei Senioren, also Verbreitung der Kopfschmerzen
- Klassifikation der Kopfschmerzen, Ursachen und diagnostische Einordnung der Kopfschmerzen
- Analyse der Kopfschmerz-Charakteristik, Symptomwandel im Alter?
- Inanspruchnahme des Gesundheitssystems
- Verhalten bezüglich Selbstmedikation
- Erfassung von Begleiterkrankungen
In dem Pilotprojekt werden zunächst etwa 200 Patienten, die in Münchner Wohnstiften leben, befragt. Dann ist geplant, die Erhebung zu erweitern, um andere Regionen in Deutschland zu erfassen. Damit soll schließlich eine verbesserte Versorgung der älteren Patienten mit Kopfschmerzen erreicht werden.
Für ältere Menschen mit Kopfschmerzen ist spezielle Diagnostik besonders wichtig. Der Anteil der sekundären Kopfschmerzerkrankungen nimmt mit dem Alter zu und liegt bei den über 65 Jahre alten Patienten bei etwa 15 Prozent. Hierbei stehen vaskuläre (gefäßbedingte) und tumor-bedingte Ursachen im Vordergrund. Daneben ist auch an Medikamentennebenwirkungen und eine Vielzahl anderer Erkrankungen zu denken. Bestimmte Störungen wie die Trigeminus-Neuralgie, der Schlaf-gebundene Kopfschmerz und die Arteriitis temporalis treten fast ausschließlich bei älteren Personen auf. Insgesamt ist der wissenschaftliche Kenntnisstand zur Epidemiologie der primären und sekundären Kopfschmerzerkrankungen im Alter sind jedoch äußerst spärlich.
Gezielte Diagnose wegen Mehrfacherkrankungen häufig schwierig
Um eine differenzierte Diagnose bei Kopfschmerz stellen und entsprechend behandeln zu können, brauchen Ärzte bei älteren Patienten besondere Sorgfalt und klinische Erfahrung. Es nehmen nicht nur die symptomatischen Formen zu, sondern es wandeln sich nach allgemeinen Erkenntnissen auch die charakteristischen Symptome primärer Kopfschmerzsyndrome mit dem Alter. Insbesondere die klassischen Leitsymptome einer Migräne wie Übelkeit, Erbrechen und Lichtempfindlichkeit können sich abschwächen. Der Wandel der Kopfschmerzsymptomatik mit dem Alter ist bislang wissenschaftlich schlecht untersucht. Dazu kommt, dass der Anteil von Patienten mit beginnenden oder manifesten Demenzerkrankungen zunimmt. Dies erschwert eine verlässliche Erhebung der Krankengeschichte und damit die klinische Diagnose. Die verfügbare Literatur ist spärlich, da gerade die Altersgruppe der über 65-Jährigen in den meisten klinischen Studien nicht oder kaum berücksichtigt wird.
Für die Behandlung von Kopfschmerzerkrankungen im Alter gibt es praktisch keine auf die Besonderheiten der Altersgruppe ausgerichteten spezifischen Therapieempfehlungen. Therapiestudien schließen Patienten über 65 Jahre sogar meist aus. Es müssen oft Begleiterkrankungen (Gefäßerkrankungen, depressive Syndrome, dementielle Störungen) und deren Therapie, Einschränkungen der Nierenfunktion und ein verändertes Verteilungsvolumen der Medikamente – um nur einige Einflussgrößen zu nennen – berücksichtigt werden.
Kenntnisse zur Epidemiologie und Charakteristik von Kopfschmerzen sowie zu den speziellen Bedürfnissen der älteren Generation stellen die Grundvoraussetzung für eine gute Versorgung dieser Patientengruppe dar. Die DMKG Studie will die aktuellen Wissenslücken schließen und so die medizinische Versorgung der Senioren verbessern.
Weitere Informationen auf den Internetseiten der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft.