Von der Renaissance des Fahrrads und was es dazu braucht
Marburg 26.6.2011 (red) Im Rahmen des Bildungszeltes Mitte Juni 2011 hat es eine Radfahrer- und Skaterdemonstration gegeben. Die rund 100 Beteiligten haben zum Ausdruck gebracht, dass in Marburg – bei gegebenen Anfängen – mehr zur Förderung, Unterstützung und Abwicklung der nicht geringen Fahrradverkehre getan werden müsste. Der Verkehrsreferent des AStA Marburg war Redner bei der Demonstration. Der Beitrag wird in das Marburger. veröffenlicht.
Gastbeitrag von Felix Rensch. Mit dem Fahrrad und zu Fuß wurden einst die meisten Wege und Kilometer zurückgelegt. Die private Massenmotorisierung hat dann aber den Füßen und den selbst getretenen Rädern einen enormen Knick beigebracht. Seit den 1980er Jahren jedoch ist gerade bei jungen Menschen und gerade in den traditionellen Universitätsstädten eine Renaissance des Fahrrads zu beobachten.
Da ist die Lust an der eigenen und viel autonomeren und flexibleren Bewegung mit dem Rad und zu Fuß, die das Automobil auf den von ihm verstopften Stadtstraßen niemals wirklich erreichen kann. Und da ist das immer stärker werdende Bewusstsein über die eigentlich unbezahlbaren ökonomischen, sozialen und ökologischen Kosten und Folgekosten der individuellen Massenmotorisierung. Hier soll gar nicht die Rede sein von Peak Oil und Klimakrise, die Probleme der Massenmotorisierung sind, aber bei Weitem nicht die einzigen. Und auch das schöne Modewort Elektromobilität wird an den Verkehrsproblemen wenig bis gar nichts ändern.
Autoverkehr in den Städten richtet Schaden an
Nein es geht darum, welchen Schaden der Autoverkehr in den Städten anrichtet. Der Wille zu Fuß zu gehen und mit dem Rad zu fahren wird hundertfach behindert und konterkariert durch den Platz- und Geschwindigkeitsanspruch des Autos bzw. seiner PlanerInnen und Produzenten.
Die Mechanismen bei Planung, Bau, Finanzierung und im Verkehrs- und Ordnungsrecht sind immer noch autozentriert. Fuß- und Radverkehr werden immer noch mit wenig ambitionierten Planungen und erst recht kümmerlicher Finanzierung an den Rand gedrängt. Fuß- und Radverkehr wird verlangsamt, gefährdet und schlicht weg unattraktiv. Dabei wird regelmäßig in diversen kommunalen Entwicklungsplanungen davon gesprochen, wie wichtig es sei, Fuß- und Radverkehr zu fördern, Autoverkehr zu verringern und verträglicher zu machen und so die Lebensqualität zu erhöhen.
Der vorhandene Wille von vielen, umweltverträglich mobil zu sein und die Einsicht in die negativen Wirkungen der Massenmotorisierung sollten Anlass genug sein, schönen Worten auch viel konsequenter Taten folgen zu lassen.
Diese Forderung richtet sich an alle politischen Ebenen: EU, Bund, Länder, Kommunen. Die Verkehrsinvestitionen müssen konsequent zugunsten des Umweltverbunds umgeschichtet werden. Die finanziellen und planerischen Rahmenbedingungen für Kommunen, attraktive Rad- und Fußverkehrsnetze zu schaffen, müssen deutlich verbessert werden.
Um den Fuß- und Radverkehr wirklich attraktiv zu machen braucht es schlüssige Konzepte.
Fuß- und Radverkehrsnetze müssen eng geknüpft sein, müssen umwegfrei sein, müssen konsequent bevorrechtigt sein; nur an wenigen Stellen kann die Vorfahrt für den Autoverkehr erhalten bleiben. Für Fahrräder braucht es genug Stellplätze – zum Verweilen und kommunizieren braucht es attraktive öffentlich Freiflächen.
Doch immer wieder heißt es in den zuständigen Ämtern und Behörden: „Das geht nicht, wir kriegen da sonst den Autoverkehr nicht durch.“ Diese Haltung vieler Verantwortlicher lehrt die Erfahrung, wenn man für nachhaltige Verkehrspolitik eintritt.
In Marburg gibt es Licht und auch Schatten
So wurde in den vergangenen Jahren der Lahn entlang und im Bereich der Mensa so Einiges für Radfahrerinnen und Fußgänger getan. Eindeutig zu loben sind die breiten Fuß- und Radwege, gerade im Bereich der Mensa oder der neue Hirsefeldsteg. Und es sind weitere Verbesserungen geplant. Es bleibt abzuwarten, wie gut der neue Campus Firmanei tatsächlich in das Fuß- und Radverkehrsnetz eingebunden wird und ob dort ausreichend Fahrradabstellplätze gebaut.
Einige Aussagen zu Parkplätzen
Kommunen erlassen sogenannte Stellplatzsatzungen. Damitschreiben sie Bauherrschaften vor, auf eigene Kosten Parkplätze zu bauen. Die ist ein hervorragendes Instrument zur Förderung der Massenmotorisierung. Immerhin werden aber auch Fahrrad-Stellplätze verordnet. Für von Studierende genutzte Gebäude in Marburg gilt: 1 Fahrrad-Stellplatz für 5 Studierende, aber 1 Pkw-Stellplatz für 2 Studierende. Zum Glück hat das mit der Realität wenig zu tun und ist als Ziel hoffentlich obsolet.
Berlin ist hier mit gutem Beispiel vorangegangen und schreibt keine Pkw-Stellplätze mehr vor, außer für Behinderte Menschen, denen keine andere Wahl bleibt. Fahrrad-Stellplätze müssen natürlich auch dort weiterhin geschaffen werden. Das ist begrüßenswert, möge Marburg diesem Beispiel folgen.
Problem insbesondere in der Marburger Kernstadt wird wohl weiterhin bleiben, dass der Autoverkehr fahrend und parkend große Flächen in Anspruch nehmen oder zerschneiden wird.
Was mit den Lahnbergen wird
Der Campus Lahnberge soll laut Planungen attraktiver für Radfahrer und Fußgängerinnen werden. Zur Zeit soll ein Radverkehrskonzept für die Lahnberge erarbeitet werden. Dieser Schritt ist eindeutig zu loben. Da geht es um die Verbindungen von den Lahnbergen zur Innenstadt und den anderen Stadtteilen, um die Führung des Radverkehrs auf den Lahnbergen selbst und um attraktive Abstellplätze auf den Lahnbergen. Es bleibt zu hoffen, dass hier ein Konzept entwickelt wird, das in der Lage ist, die Potenziale des Radverkehrs zu heben und dass das Konzept dann auch tatsächlich finanziert und umgesetzt wird.