Es geht nicht um die Größe, entscheidend ist es konkrete Projekte vor Ort umsetzen
Marburg 30.8.2011 (yb) Vor einiger Zeit hat der Verein zur Entwicklungsfhilfe Terra Tech sein 25jähriges Jubiläum mit einem gelungenem besonderem Afrika-Fest in der Waggonhalle begangen und gefeiert.
Afrikanischer Markt und viel afrikanische Musik spielten eine unterhaltende Rolle dabei, zugleich wurde die wirksame und nachhaltige Arbeit von Terra Tech in Gestalt vieler Projekte, inzwischen weit über Afrika hinaus, der Öffentlichkeit präsentiert.
Ein guter Anlass und Grund für die Redaktion ein Gespräch mit Vereinsvorsitzendem Friedrich Bohl und dem Geschäftsführer Immanuel Jakobs zu führen.
Redaktion: Herr Bohl, der Verein Terra Tech begeht in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubiläum. Sie sind der Vereinsvorsitzende. So ist ihnen zu gratulieren, in Verbindung mit der erfolgreichen Arbeit, die Terra Tech e. V. seit einem Vierteljahrhundert leistet. Wie kam es zu der Vereinsgründung, wie und wann sind Sie Vorsitzender geworden?
Bohl: Zunächst einmal herzlichen Dank für den Glückwunsch zu unserem 25-jährigen Jubiläum. So lange bin ich übrigens auch Vorsitzender, also von Anfang an. Wir haben uns damals zusammengeschlossen auf Initiative von Herrn Völzing. Herr Völzing ist einer der rührigsten, innovativsten und agilsten Beamten, die ich kenne. Er war Beamter der damaligen Arbeitsverwaltung. Inzwischen ist er pensioniert. Er hatte die Idee und hat die Vereinsgründer damals angesprochen. Dabei hat er darauf geachtet, dass eine gewisse parteipolitische Ausgewogenheit vorhanden war. So bin ich gefragt worden, ob ich das machen wollte. Ich war damals Bundestagsabgeordneter der CDU. Auf diese Anfrage habe ich gerne zugesagt, einfach schon deshalb, weil mich das Thema Entwicklungshilfe schon immer sehr interessiert hat.
Ich denke, dass wir in den 25 Jahren gute Arbeit geleistet haben, wobei das nicht nur Verdienst der ehrenamtlich tätigen Vereinsmitglieder oder Vorstandsmitglieder ist, sondern auch unserer hauptberuflichen Helfer. Neben mir sitzt Herr Immanuel Jacobs, der seit beinahe 11 Jahren Geschäftsführer unseres Vereins ist und einen tollen Job macht.
Dazu kommen einige Mitstreiter in unserer Geschäftstelle in Marburg-Michelbach.
Deshalb gilt der Dank den Vereinsmitgliedern, Vorstandsmitgliedern und unseren Hauptberuflern, an der Spitze Herrn Jakobs.
Redaktion: Terra Tech ist ein relativ kleiner Verein, der irgendwo in Deutschland, eben hier konkret in Marburg im Stadtteil Michelbach, seinen Sitz hat und in die Welt wirkt. Lässt sich denn Entwicklungsförderung in internationalem Maßstab von einem solch kleinen Verein, einer Nichtregierungsorganisation (NGO), wirksam leisten, zudem inzwischen in vielen Ländern und auf mehreren Kontinenten.
Bohl: Sie haben natürlich völlig recht, wir alleine würden die Welt nicht verändern können. Wir brauchen Große, wir brauchen Mittlere, wir brauchen Kleine. Die Vielfalt macht es und ich denke, unserer großer Vorteil ist, dass wir vor Ort Partner haben, die dafür stehen, dass die Hilfe auch ankommt. Es ist kleine Hilfe, es ist nicht die große Hilfe. Aber diese kleine Hilfe kommt an. Ich finde, das spricht für sich, und darauf sind wir auch stolz.
Jacobs: Wenn man noch einmal auf den Anfang zurückkommt, auf die Gegebenheiten, als Herr Völzing Terra Tech ins Leben gerufen hat. Die Stärke des Vereins, selbst wenn er noch so klein ist, hat sich auch daraus ergeben, dass es hier in Marburg in den 80-Jahren eine ganze Reihe von Studenten aus Afrika gab. Die haben hier ihr Examen gemacht. Das waren Leute, die Herr Völzing und wir alle kennengelernt haben, Studenten, darunter viele Mediziner. Die haben ihren Abschluss gemacht und wollten zurückgehen. Aber gehen Sie einmal zurück, wenn Sie hier ihr Studium abgeschlossen haben, und Sie haben nichts in der Hand. So begann es eigentlich: Dass die ersten Ärzte, die aus Marburg nach ihrem Studium wieder zurückgingen in ihre Heimatländer, von Terra Tech ausgerüstet wurden.
Das war keine riesige internationale Hilfe, aber es war Hilfe für ganz konkrete Menschen, die wir kannten und zum Teil bis heute kennen. Die konnten in ihrem Heimatland dann wirklich Fuß fassen und konnten eine Arztpraxis eröffnen. Anfänglich waren das oft kleine Dinge. Das war eine Ärztetasche, die gut ausgerüstet war; es war ein Generator, mit man ein Krankenhaus mit Strom versorgen konnte, wo es vorher keinen Strom gegeben hatte.
Es sind nicht immer die Riesenpläne, die gewaltigen Gebäude, die gebaut werden, oder Straßen, was zweifellos alles notwendig ist in den Entwicklungsländern. Es sind oft kleine Hilfen, die einzelne Menschen dazu befähigen, in ihren Heimatländern wirklich etwas umzusetzen, was den Menschen, die um sie herum leben, auch wirklich zu Gute kommt.
Redaktion: Für Ihre Arbeit wurde also an der Gegebenheit vor Ort, dem Vorhandensein der Philipps-Universität mit vielen ausländischen Studierenden, Studierenden aus Afrika, angeknüpft.
Welches Projekt, Herr Jakobs, halten Sie für besonders gelungen und dazu noch die Frage warum?
Jacobs: Es ist schwer ein Projekt heraus zu greifen. Weil Projekte, die wir in den Jahren gemacht haben, ob das nun die Renovation oder der Neuaufbau von Krankenhäusern war, oft tolle Früchte getragen haben. Ich würde gerne zwei Projekte herausgreifen und zwar aus den letzten fünf Jahren.
Das eine, was mir besonders viel Freude gemacht hat, ist ein Fischerkrankenhaus, ein Krankenhaus für Fischer in Indien nach dem Tsunami (16.12.2004). Ich nenne es deswegen, weil dieses Krankenhaus nicht gewaltig groß ist. Es hat heute 60 Betten. Nach Absprache mit den dortigen Lokalbehörden werden dort Fischer behandelt, als Hauptbetroffene und Leidende nach dem Tsunami. Und zwar werden die Fischer mit ihren Familien ohne Kostenbeteiligung behandelt. Das war natürlich eine gewaltige Zusage, die wir bekommen haben. Das Beste an der ganzen Geschichte war, dass sich das Krankenhaus so abgehoben hat von allem, was bisher drum herum an Gesundheitsstationen in Indien gebaut worden war, dass es nach seiner Einweihung auf Seite Drei indischer Zeitungen erschien und dann als Modellkrankenhaus für hundert weitere Krankenhäuser gegolten hat. Diese sind jetzt zum Teil im Bau und tragen Früchte, wie man sie sich nicht besser wünschen kann.
Da kann man eine noch so kleine Organisation sein, so etwas geschafft zu haben…
Redaktion: Eine Initialzündung, ein Beispiel gebendes Projekt also.
Jacobs: Das ist genau das, was mir an diesem Krankenhaus so besonders viel Freude macht. Das zweite Projekt ist eines, welches aktuell im Aufbau ist. Es verweist zudem auf die jetzige Situation in Afrika mit wiederkehrender Dürre und Hunger. Gerade, wenn wir aktuell die Bilder aus Somalia, Kenia, Äthiopien und Eritrea sehen.
Wir haben es in Eritrea geschafft ein Tal mit einem ganz kleinen Mikrodamm Wasser zu stauen. Es ist kein See, der entsteht, das ist eher ein Teich. Aber durch diesen Mikro-Staudamm ist es uns gelungen, das wenige Wasser, was im Jahr ein oder zwei mal runter kommt, so zu stauen, dass talabwärts eine ganze Reihe von Brunnen gegraben werden konnten, die jetzt das ganze Jahr Wasser haben.
Das heißt, dort haben jetzt plötzlich 5.000 Menschen Wasser zum Trinken, aber auch Wasser, um landwirtschaftlich tätig zu werden. Die Bauern dort hatten im letzten Jahr, obwohl wir mit dem Projekt noch gar nicht fertig sind, schon drei Ernten. Was für mich wieder etwas ist, wo ich sage, genau das sind die Wege. Egal, wie klein man ist, es ist immer entscheidend, dass man ein sehr konkretes Projekt umsetzen kann. Für uns ist es natürlich, dass wir Menschen vor Ort haben, die es machen.
Das ist – so glaube ich – die große Stärke von Terra Tech überhaupt, dass wir in all den Ländern Partner haben, die die Arbeit letztlich durchführen. Wir helfen ihnen lediglich und versetzen sie in ,die Projekte zu verwirklichen – finanziell und auch mal mit Beratung.
Redaktion: Herr Bohl, Sie sind ein vielbeschäftigter Mann. Warum leisten Sie dazu die Arbeit als Vereinsvorsitzender bei Terra Tech und wie geht denn das? Was bedeutet es, Vorsitzender zu sein.
Bohl: Ich sagte vorhin schon, dass wir eine hauptamtliche Geschäftsführung haben, die uns sehr viel Arbeit abnimmt. Unsere Aufgabe als Vorstand ist in erster Linie Beratung über Projekte, die in Frage kommen.
Redaktion: Der Vorstand besteht aus wieviel Personen?
Bohl: Der Vorstand setzt sich aus 5 Personen zusammen, parteipolitisch sind darin alle Richtungen vertreten. Unsere Hauptaufgabe liegt darin zu beurteilen, welche Projekte wir finanzieren wollen. Das wird von der Geschäftsführung vorgeschlagen. Dann diskutieren wir darüber. In 25 Jahren entwickelt sich aufgrund von Erfahrungen schon ein gewisses Gespür, was möglich ist, was finanziell zu stemmen ist. Wir müssen ja dann auch Mittel einwerben, seien es Spenden, seien es Mittel des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Das ist Gegenstand der Vorstandsitzungen mit dem Ergebnis, dass wir sagen, dieses Projekt werden wir in Angriff nehmen, jenes ist vielleicht doch zu umfangreich. Das trauen wir uns nicht zu.
Mitunter sind wir uns nicht ganz sicher, ob die Partner vor Ort das stemmen können. Es kommt dabei auf vieles an, zum Teil liegt es auch an den Ländern. In manchen Ländern ist die Bürokratie, zum Teil die Militärverwaltung, so hinderlich, dass man die Freude verliert, sich dort zu engagieren.
Es gibt also einen Strauß von Elementen, der auf Entscheidungen einwirkt. Es gibt natürlich nicht nur Vorstandsberatungen, wir stimmen uns auch telefonisch ab. Man kennt sich und weiß, wie der andere denkt. So arbeiten wir völlig unbürokratisch.
Redaktion: Die gewählte Rechtsform hat sich bewährt?
Bohl: Ja natürlich. Wir sind ein eingetragener Verein. Ich möchte sagen, das hat sich wirklich bewährt, und ich wüsste keine andere Konstruktion, die besser wäre. Der eingetragene Verein, der ja auch ideelle Ziele verfolgt, ist schon die angemessene Form für Terra Tech.
Redaktion: Herr Jakobs, sehen Sie für Afrika besondere Chancen in der Entwicklung und Implementierung regenerativer Energieträger, insbesondere Solarstrom, um in vielen bedrückend armen Ländern die dort lebenden Menschen zu unterstützen?
Jacobs: Man muss sehen, dass in den Entwicklungsländern heute die Energiefrage, wie die Wasserfrage, die größten Probleme macht. Gerade bei der wirtschaftlichen Entwicklung, wie ein Land sich entwickeln kann, sind Energiefragen absolut substantielle Fragen. Dass sich die Solarenergie für Afrika in besonderer Weise anbietet, die Windenergie zum Teil auch, verdankt sie dem Sonnenreichtum dort, wie die anderen Südkontinente ebenfalls. Man würde sich wünschen, dass irgendwann einmal, wie der Club of Rome das jetzt vorgeschlagen hat, mal richtige Solarkraftwerke in Afrika entstehen. Ob das kommen wird, weiß ich nicht. Ich würde es mir wünschen.
Was unsere konkrete Arbeit angeht, ist zu sagen, dass wir – wie viele andere Organisationen – versuchen, die von uns in Leben gerufenen Projekte mit Solarstrom zu versorgen. Wenn wir heute ein Krankenhaus wieder einrichten, dann haben wir es im Allgemeinen geschafft, dass eine Solarversorgung auf dem Dach steht.
Ich werde in meinem Leben niemals vergessen – meine erste Begegnung mit Strom überhaupt in einem Flüchtlingslager, im Libanon im Jahr 1982. Wir haben dort eine Solaranlage aufgebaut. Nachdem es in dem Lager über fünf Jahre nachts immer völlig dunkel gewesen ist, brannten nachts mit einmal 12 Lampen.
In dem Lager lebten etwa 6.000 Menschen. Die haben in dieser Nacht durchgetanzt vor lauter Freude, dass sie wieder Licht hatten.
Wir haben vor wenigen Wochen in Bo in Sierra Leone eine Hebammenstation eingeweiht, in der wir zum ersten Mal das ganze Haus mit Solarstrom versorgen. Was das bedeutet, eine Geburt mit Licht machen zu können, und nicht mehr nur im Kerzensein oder Taschenlampe, kann sich hier kein Mensch mehr vorstellen.
So ist sicher der Einsatz von Solarstrom die Zukunft für die Energieversorgung. Man kann nur hoffen, dass das auch die großen Organisationen resp. die Staaten immer mehr verstehen.
Hier ist ein Kapital in Afrika eigentlich vorhanden, was man leicht heben könnte. Es ist kein Bodenschatz, sondern es ist ein Solarschatz. Der müsste jetzt eigentlich unbedingt geborgen werden. Und natürlich nicht nur für uns, sondern vor allem für die Menschen vor Ort. Energie wird für die wirtschaftliche Entwicklung das absolut Entscheidende sein.