Von der Wohnheimmodernisierung am Schlossberg mit energetischen Akzenten
Marburg 5.10.2011 (yb) In der Universitätsstadt Marburg lohnt in der Zeit nach der Energiewende und zum Wintersemsterstart mit prognostiziertem Zuwachs um 850 auf dann rund 22.500 Studierende die Vorstellung der aufwändigen Sanierung eines Studentenwohnheims. Gut vier Millionen Euro sind vom Studentenwerk investiert worden um in prominenter und denkmalgeschützter Lage des Schlossberges das ‚Dr. Carl-Duisberg-Haus‘ umfassend umzubauen und für Anforderungen zeitgemäßen studentischen Wohnens auszustatten.
Diese Investition erforderte das Zusammenwirken vieler Beteiligter um zugleich verschiedene Zielstellungen zu verwirklichen, zuallermeist ging es um die Schaffung 102 zeitgemässer und bezahlbarer Wohnheimplätze. Bei der Übergabe am 29. September konnte Studentenwerksgeschäftsführer Uwe Grebe den zahlreichen Repräsentanten und Baubeteiligten einen strammen Zeitplan von 13 Monaten für zwei Baubschnitte vorweisen.
Totalsanierung bei laufendem Wohnbetrieb, Schaffung von 300 Quadratmetern zusätzlicher Wohnfläche, Integration von vormals drei Baukörpern und weitreichendes energetisches Konzept mit Reduzierung des Primärengieverbrauch um 80 Prozent samt Nutzung von Solarthermie sind Eckdaten, die sogar Beispiel geben können. „Nach der Demontage der Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstallationen, dem Abbruch von Wänden im Untergeschoss und den Abrissarbeiten auf beiden Dächern stand praktisch nur noch der Rohbau“ machte Hans-Peter Hardt, Abteilungsleiter ‚Studentisches Wohnen‘ beim Studentenwerk Marburg, das umfassende Baugeschehen anschaulich. Dazugekommen seien umfangreiche Maßnahmen zur Fundamentsicherung zum Schlossberg und eine Asbestsanierung zu den im Baukörper dabei etagenweise umgesetzten Arbeiten.
Das 1894 unterhalb des Gisonenwegs erbaute ursprüngliche Schellenbergsche Anwesen wurde 1927 zum 400jährigen Jubiläum der Philipps-Univeristät durch eine Stiftung von Dr. Carl Duisberg, Chemiker und Vorsitzender der IG Farben, zum Studentenwohnheim.
In 1952/53 kam eine bauliche Erweiterung und 1959 hat ein Anbau weitere 59 Wohnplätze geschaffen.
Das ‚Dr. Carl-Duisberg-Haus‘ präsentiert sich nach außen nunmehr als geschlossener Baukörper, eingedeckt mit einem neuen Schieferdach. Neben einer Treppenanlage außen am Hang bringt ein Metallsteg vom Gisonenweg einen neuen Zugang.
Drei Treppenhäuser erschließen das viergeschossig genutzte Wohnheim, das auf der dem Schloss zugewendeten Seite in einen Querbau mündet. Die Liste der umgesetzten Maßnahmen ist lang und veranschaulicht zugleich eine nachhaltige Orientierung für den Wohnkomplex
- Sicherung und Neuaufbau von Stützmauern, Fundamentsicherungen
- Aufstockung mittlerer Gebäudeteil und Dachausbauten
- Dacherneuerung, dazu Einbau von Schleppgauben und neue Schiefereindeckung
- Neuaufbau von Wänden und Decken im Innenbereich
- Komplett neue Haustechnik Heizung (Niedrigenergiestandard), Sanitär, Strom und Kommunikation
- Erneuerung von Küchen und Sanitärbereichen mit 4 neuen Bädern
- Dämmung Aussenfassaden und Dach, dreifachverglaste Fenster und Eingangstüren
- Heizungsanlage mit Gas-Brennwertkessel bei Integration 78 Quadratmetern solarthermischer Dachanlage
Bei der Planung und Umsetzung der Modernisierung dieser Wohnanlage hat das Studentenwerk den Einbau einer leistungsfähigen solarthermischen Komponente gewissermassen auf der Aktivseite der Energieversorgung angestrebt, berichtet Hans-Peter Hardt. Dafür spreche neben geeigneter unbeschatteter Dachfläche vor allem der kontinuierliche Bedarf an Warmwasserleistung, erläutert der Abteilungsleiter Studentisches Wohnen. Die von Schiefereindeckung umgebene 78 Quadratmeter große als ‚In-Dach-Lösung‘ gebaute Kollektorfläche Solarthermie sorgt bei entsprechender Sonneinstrahlung für eine recht große Wärmeleistung. Dafür braucht es auch kontinuierliche Warmwasserabnahme. In dem Wohnheim mit ständiger Belegung ist dies gewährleistet, etwa bei Nutzung der Bäder und Duschen mit Warmwasser. Die Grundversorgung übernimmt eine Brennwertkesselanlage. Beide Komponenten sind in einem Regelsystem zusammengeschaltet. Insgesamt wird im neuen Duisberg-Haus eine Absenkung des Primärenergiebedarfes um beachltliche 80 Prozent erwartet. Dabei übernimmt auf der Passivseite die Isolierung der Außenhaut ein grundlegenden Anteil. Neben wirtschaftlichen und systemtechnischen Überlegungen, dazu der Verknüpfung mit Anliegen des Denkmalschutzes, habe die Wartungsmöglichkeit mit eigenem Personal eine Rolle gespielt, wird von Hardt mitgeteilt. Man werde jetzt die praktischen Erfahrungen auswerten. Schließlich stünden, etwa im Studentendorf, weitere energetische und bauliche Modernisierungen vom Studentenwerk an, wofür am Schlossberg nunmehr Erfahrungen auflaufen.
Ein Rundgang im Gebäude zeigt helle Treppenhäuser und mit Flocksystem beschichtete Flure mit PVC-Böden LED-Beleuchtung. In den Gemeinschaftsküchen sind robuste Geräte samt hochwertiger Schranksysteme eingebaut, denen eine längere Lebensdauer auch angesichts robuster Beanspruchung oft wechselnder Bewohner zuzutrauen ist. Die Zeiten mangelhaften Schallschutzes seien vorbei erläutert Reinhold Rauch. Geräusche durch das Heizungssystem oder lästige Schallübertragung vom Zimmernachbarn würden der Vergangenheit angehören.
Die Zimmer sind mit Bett, Regal, Schreibtisch und Vorhängen ausgestattet. Fernseh- und Internetanschluss in den Zimmern verschiedener Größe gehören dazu, ebenso Reinigungsservice.
Zwischen 170 und 301 Euro liegt die größenabhängige Gesamtmiete, dazu kommen 5 Euro für den Internetanschluss. Für die Finanzierung hat das Studentenwerk 3 Millionen Euro Eigenmittel und 1 Million Euro KfW-Darlehn aus dem Programm für engergieeffizienrtes Saneriung eingebracht. Von der Stadt Marburg wurde eine Zuschuss von 50.000 Euro gegeben.
Zufriedene Gesichter nach einer umfassenden Bau-, Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahme im Altbaubestand von Marburg zur qualitativ nachhaltigen Verbesserung der Wohnsituation für Studierende. Mit der Investition von rund vier Millionen Euro wurde zwar nur in geringem Umfang zusätzlicher Wohnraum für Studierende in Marburg geschaffen. Doch war es höchste Zeit im Duisberg-Haus einen zeitgemässen Standard seitens des Studentwerks zu schaffen.
Mit der deutlichen Ausrichtung auf energetische Gewinne ist womöglich – ebenso unauffällig wie konkret – ein positives Beispiel für eine Verknüpfung von gebotener Energiewende im Altbaubereich mit Anliegen des Denkmalschutzes geleistet worden. Eine erste Betrachtung dieses Zusammenwirkens von Bauherrn, Behörden, Planern und Bauausführenden spricht dafür.