Energiewende mit Photovoltaik, Windstrom und Methansynthese – ein Weg mit Chancen
Marburg 7.12.2011 (red) Die neuerliche Finanzkrise, landauf und landab gerne als Eurokrise stilisiert und verkürzt, hat in den Medien Oberhand und verdrängt seit Wochen trotz deutlich steigender Energiepreise Thema und Anliegen der gerade erst beschlossenen Energiewende. Der jüngste Castorentransport hat für kurze Zeit Schlagzeilen besorgt und vergegenwärtigte nunmehr teure Altlasten. Darüberhinaus melden EON und RWE anstehenden Konzernumbau und Abbau von Arbeitsplätzen, jeweils in beinahe fünfstelliger Größenordnung. Dazu gibt es Meldungen zu einer Absatzkrise bei den Regenerativen. „Schwierige Zeiten für SMA Solar, Q-Cells, Solarworld und Co“ findet sich in den Wirtschaftsnachrichten. Hinter diesen Meldungen und tatsächlich fallenden Aktienkursen stecken vor allem verstärkte Preiskonkurrenz insbesondere chinesischer Hersteller von Photovoltaikmodulen. Dazu kommen sinkende Förderquoten mit einer Verlangsamung des Ausbaus von Sonnenstromerzeugung in Deutschland.
In Hessen sind im November die recht dürftigen Ergebnisse eines sogenannten Energiegipfels vorgestellt worden. Im Ergebnis kam ein wenn auch verspätetes Bekenntnis zu regenerativer Energieerzeugung auch in Hessen mit – unabweisbar notwendig – Schwerpunktsetzung zur Windstromerzeugung. Doch neben Nachrichten zu Biogasanlagen und gemeinsamer Wäremversorgung ist es ansonsten ruhig geworden im Lande, jedenfalls in den Mainstreammedien.
Wie soll und kann stetige Energieversorgung geleistet werden in Zeiten ohne Atomstrom?
Selbst erheblicher Ausbau regnerativer Energieerzeugung wird mit dem Problem konfrontiert bleiben, dass Sonnenenergie und Windenergie nicht kontinuierlich und durchgängig, hierzulande schon gar nicht gemäß jahreszeitlichen Bedarfs, anfallen und genutzt werden können.
Es stellen sich Fragen nach Speichermöglichkeitenbesonders von regenerativ erzeugter elektrischer Energie. Batterien und Pumpspeicherkraftwerke bieten absehbar auch langfristig keine hinreichenden Potentiale.
Mit der Frage nach Speichermöglichkeiten für regenerativ erzeugte Energieüberschüsse beschäftigen sich Wissenschaftler seit langem und Informationen darüber bedürfen keiner aufwendigen Sucharbeiten. Als Schlagworte begegnen ‚Next Generation Solar Energy‘, ‚Solar Fuel‘ und ‚Methansynthese‘. Von dem in Kassel ansässigen Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) wird diese Energiespeicherfrage und auch deren spätere Verteilung unter der Bezeichnung ‚Power-to-Gas‘ erforscht. Der Lösungsansatz zur Speicherproblematik soll zugleich unter dem Gesichtspunkt der späteren Energieverteilung – entsprechend der Stromnetze bei der elektrischen Energieversorgung – betrachtet werden.
Ein den Stromnetzen vergleichbares flächenhaftes Versorgungsnetz existiert in Deutschland bereits in Gestalt des Erdgasleitungsnetzes. So diskutierten jetzt in Berlin Experten aus Unternehmen und Verbänden der Energiewirtschaft, aus Wissenschaft, Politik und Verwaltung über den Beitrag dieses Gasnetzes zur Speicherung erneuerbarer Energien. Das IWES Kassel und die Bundesnetzagentur hatten zum Workshop mit dem Thema „Power-to-Gas“ eingeladen.
Der Begriff Power-to-Gas steht für ein Konzept, bei dem überschüssiger Strom dazu verwendet wird, per Elektrolyse Wasserstoff aus Wasser zu produzieren. Bei Bedarf kann der Wasserstoff in einem zweiten Schritt unter Verwendung von Kohlendioxid (CO2) in synthetisches Methan umgewandelt werden. Als Speicher für dieses Methan – bis zu einem gewissen Volumenanteil auch des elementaren Wasserstoffs – könnte die bestehende Erdgasinfrastruktur, also das Gasnetz mit den angeschlossenen Untertagespeichern, verwendet werden.
Idee und Verfahren Wasser mittels Elektrolyse in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zu zerlegen, sind nicht neu. Dies habe jedoch vor dem Hintergrund der Energiewende mit der Umstellung auf größtenteils fluktuierende erneuerbare Energien an Bedeutung gewonnen, meinen viele hier tätige Forscher. So werden neben einem Netzausbau und intelligentem Last- und Erzeugungsmanagement erheblich mehr Speicherkapazität notwendig sein. Die Fluktuation von Sonneneinstrahlung und Wind bei der Stromerzeugung sollen darüber ausgeglichen werden.
„Für den kurzzeitigen Ausgleich sind Pumpspeicherkraftwerke eine gute Lösung. Deren Kapazität in Deutschland ist jedoch begrenzt. Die Langzeitspeicherung ist deshalb eine große Herausforderung für die Transformation der Energieversorgung“, sagt Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur, zur Bedeutung des Themas.
Ausgleich längerfristige Schwankungen in Stromerzeugung nur mittels chemischer Speicher
Ein vielversprechendes Konzept hat das Fraunhofer IWES zusammen mit dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) erarbeitet. „In zukünftigen Energiesystemen werden Wind- und Solarkraftwerke den Hauptbeitrag bei der Stromversorgung leisten. Unsere Simulationsrechnungen zeigen, dass für eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien bei Windflaute und geringer Sonneneinstrahlung wie im Winter bis zu zwei Wochen zu überbrücken sind. Für den Ausgleich längerfristiger Schwankungen im Bereich von Tagen oder Wochen lassen sich nur chemische Speicher auf der Basis von Wasserstoff, Methan oder anderen Gasen bzw. Flüssigkeiten verwenden“, sagte Prof. Jürgen Schmid, Leiter des Fraunhofer IWES.
So könnte auf dem Weg über dergestalt erzeugtes „grünes Erdgas“ eine Lösung zu Speicherung und auch zur Energieverteilung markiert sein. Brennstoffzelle, Kraftwärmekopplung, Rückverstromung des Gases, Nutzung unmittelbar als Treibstoff für Kraftfahrzeuge oder Brennstoff in Heizungsanlagen geraten dann verstärkt in das Blickfeld.
Einbeziehung der energetischen Speicherung von Überschuss-Energie mit Wasserstoff und Methan
- In zukünftigen Energiesystemen leisten Wind- und Solarkraftwerke den Hauptbeitrag bei der Stromversorgung. Dabei müssen große Schwankungen bei der Stromerzeugung ausgeglichen werden.
- Für kurzfristigen Ausgleich im Bereich einiger Stunden eignen sich Pumpspeicherkraftwerke, deren Wirkungsgrad bei etwa 80 Prozent liegt.
Zum Ausgleich längerfristiger Schwankungen im Bereich von Tagen oder Wochen lassen sich nur chemische Speicher auf der Basis von Wasserstoff, Methan oder anderen Gasen bzw. Flüssigkeiten verwenden.
- Im ersten Schritt mit Hilfe der Elektrolyse Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten. Im Wasserstoff stecken dann etwa 70 Prozent der Stromenergie, der Rest steht als Abwärme zur weiteren Nutzung zur Verfügung. Aus Wasserstoff kann dann mit Brennstoffzellen wieder Strom erzeugt werden.
- Bei dieser Umwandlung entsteht etwa 60 Prozent Strom und 40 Prozent Wärme, die z.B. für Heizzwecke genutzt werden kann.
Damit lässt sich ein Speicher realisieren, der aus 100 Prozent Strom wieder etwa 40 Prozent Strom abgeben kann.
Der Rest ist jedoch nicht verloren, wenn die Abwärme sowohl bei der Wasserstoff-Herstellung als auch bei der Rückverstromung sinnvoll genutzt wird.
- Für Wasserstoff existiert jedoch heute noch keine Infrastruktur in Form von Gasnetzen bzw. Speichern und keine Verbraucher wie Kraftwerke. Bis zu einem geringen Prozentanteil lässt sich jedoch Wasserstoff mit Erdgas mischen und in der heutigen Erdgaswelt nutzen.
- Speziell ausgestattete Automotoren können z.B. über Wasserstoff-Tankstellen direkt mit Wasserstoff betankt werden. Bei höheren Anteilen von Wasserstoff im Erdgas ändern sich jedoch die Verbrennungseigenschaften. Dies macht eine spezielle Anpassung der Verbraucher erforderlich.
- Diese Probleme können umgegangen werden, wenn der Wasserstoff über einen weiteren Umwandlungsschritt in Methan (daraus besteht Erdgas) umgewandelt wird. Damit steht diesem Produkt die gesamt Erdgaswelt (Gasnetze, Gasspeicher, Erdgas-Autos, Heizgeräte, Blockheizkraftwerke, Gaskraftwerke) zur Verfügung.
Dies ist der Weg, den Fraunhofer IWES in Kassel und das Zentrum für Energie und Wasserstoffforschung (ZSW) in Stuttgart verfolgen. Bei der Umwandlung von Wasserstoff in Methan werden zwar etwa 10 Prozent der im Wasserstoff enthaltenen Energie in Form von Wärme frei, die sich ebenso nutzen lässt, wie die Abwärme bei der Kraft-Wärme-Kopplung. Der Schritt über die Methanisierung erspart also den Aufbau einer speziellen Wasserstoff-Infrastruktur.
Wird also alleine der Strom betrachtet, lässt sich aus der Wasserstofferzeugung und Rückverstromung etwa 42 Prozent Strom zurückgewinnen.
- Mit einer zusätzlichen Methanproduktionsstufe kämen noch einmal 10 bis 15 Prozent Wärmeverluste hinzu
- Damit ließen sich 36 bis 38 Prozent Strom zurückgewinnen
- Wird die bei der Umwandlung anfallende Wärme genutzt, ergeben sich Energienutzungsgrade von etwa 80 Prozent für beide Verfahren
Mit diesen Verfahren und Fragestellungen beschäftigen sich ebenfalls die ‚Strategieplattform Power to Gas‘ ein Zusammenschluss vieler Big Player aus der herkömmlichen Energiebrache. Eine Konferenz im Dezember 2011 unter dem Titel ‚Next Generation Solar Energy‘ der Fördergesellschaft Bayern Innovativ beschäftigt sich mit ähnlicher Themenstellung. Darin wird sichtbar und als recht breiter Trend bestätigt, dass trotz soeben erfolgter Inbetriebnahme der Erdgasleitung „North-Stream“ unter der Ostsee hindurch für Erdgas aus Rußland wesentliches Augenmerk auf die Erforschung und Positionierung langfristiger Optionen im Sektor Regenerativer Energien bereits gesetzt werden. Für sensationelle und trendige News in den Massenmedien reicht dies freilich noch nicht. Doch allzulange dauern wird es vermutlich nicht mehr bis ‚Solar Fuel‘,’Power to Gas‘ und ‚Methansynthese‘ geläufige Begriffe für viele Menschen sein werden.