Marburger Buslinie 2 mit Kappung und Verknappung
Marburg 14.12.2011 (yb) Der seit 12. Dezember gültige Fahrplan 2012 wurde nach Abstimmungsverfahren am 30. September 2011 von Stadtverordnetenversammlung einstimmig beschlossen. Zum Fahrplan 2012 gibt es ein neues gedrucktes Fahrplanheft.
Darin benennen die Stadtwerke Marburg zum aktuellen Fahrplanwechsel einige wesentliche Ziele: Leichtere Nutzbarkeit des Fahrplanangebotes, Ausbau der Innenstadtachse zwischen Hauptbahnhof und Südbahnhof, mehr Transparenz bei den Fahrtrouten und bessere Abstimmung der Buslinien am Universitätsklinikum findet sich darin aufgelistet.
Ein „optimierter Einsatz der Fahrzeuggrößen auf die Anforderungen im Liniennetz“ wird als abschließendes Anliegen benannt. Gerade dieser Punkt interessiert und betrifft die in Sachen Öffentlicher Nahverkehr nicht unbedingt verwöhnten Marburger Fahrgäste.
Es liegt in Marburg nur wenige Jahre zurück, seit die Grundtaktung auf den Hauptbuslinien im Stadtgebiet von 20 auf 30 Minuten umgestellt wurde. Damit wurde bereits eine deutliche Leistungseinschränkung im Marburger Nahverkehr vorgenommen. Ob diese drastische Verknappung der Busverbindungen „optimierten Einsatz“ schaffen wollte oder es schlicht um – wie zwischenzeitlich erwiesen durchsetzbare – Kosteneinsparungen gegangen ist, muss an dieser Stelle offen bleiben. Zumindest am und im größten Stadtteil in Marburg, dem Richtsberg mit rund 10.000 dort lebenden Menschen, hatte es zuletzt einige Probleme, Kritik und dringliche Verbesserungswünsche gegeben.
Für den Richtsberg Hui und für Cappel Pfui
Oberbürgermeister Egon Vaupel lässt es denn auch nicht aus im Vorwort des Fahrplanheftes Verbesserungen herauszustellen. Für den Richtsberg werde „auf die steigende Nachfrage von Verkehrsleistungen reagiert“ schreibt Vaupel und erläutert, dass die „Linien 1 und 4 in ihrem Angebot modifiziert und miteinander vertaktet werden“, womit „beide Linien den oberen, mittleren und unteren Richtsberg im 15-Minutentakt bedienen“ können (werktags von 8.00 bis 19.00 Uhr). Dies wird die Leute am Richtsberg freuen. Es gibt also Willen und Möglichkeit zur Leistungsverbesserung. Für den Richtsberg.
Ganz anders sieht es in und für Cappel aus. Dort wohnen über 7.000 Menschen, und damit so viele wie in einer Kleinstadt. Doch für Cappel bringt der neue Fahrplan deutliche Verschlechterungen. Vor allem hat man die bisherige Hauptlinie 2 heftig verändert und damit verschlechtert.
Im Fahrplanheft 2012 findet sich dazu so gut wie nichts angekündigt. Es war den Cappelern überlassen selbst zu erleben und zu ertragen, was mit ihnen und der bisherigen innerstädtischen Hauptbuslinie 2 gemacht worden ist. Man hat beschnitten, verlegt und die Großraumbusse gestrichen. Die Folgen sind heftig. So gibt es jetzt hoffnungslos überfüllte Busse, besonders am Morgen.
Bei der Linie 2 wurde richtig kräftig zugelangt, vielleicht vermuteten oder brauchten die Planer dort ’stille Reserven‘. Bei dieser Linie wurden die
- Ausstattung und Befahrung mit Gelenkbussen, also mit Großraumfahrzeugen, weg genommen
- Linienführung in eine ungünstigere, nicht schlüssige Fahrstrecke geändert und damit die Fahrzeit um 2 Minuten verlängert
- durchgängige Verbindung Cappel – Wehrda gekappt und aufgegeben
- in der Folge davon neue Fahrzeiten eingeführt
Nach dem Motto ‚wenn schon denn schon‘ hat man zum jetzigen Fahrplanwechsel richtig zugelangt. Die Konsequenzen sind nicht ausgeblieben. Fahrzeitverlängerung, Überfüllung, Gedränge und Busfahren im Stehen sind angesagt. Dazu muss Umsteigen, wer von der neuen Endstelle Bahnhof weiter Richtung Wehrda will. Entsprechend ist die Stimmung unter den Fahrgästen. Die machen lange Gesichter und sind sauer. „Katastrophale Zustände im Bus“ sagt ein Berufstätiger unter den stehenden Mitfahrern „und ich bin auf diese Verbindung angewiesen“. Zwei Schülerinnen auf dem Weg zur Käthe-Kollwitz-Schule schütteln mit dem Kopf und verstehen nicht, wie man Fahrgästen solche Verschlechterungen zumuten kann.
Bereits an der Haltestelle ‚Zuckerberg‘ ist der Bus morgens zwischen sieben und acht Uhr richtig voll. Ab Ortsmitte ist er deutlich überfüllt. An der neu anzufahrenden Haltestelle ‚Rollwiesenweg‘ ist längst kein Platz mehr für Zusteiger. Schon gar nicht gibt es Platz für Behinderte mit Rollstuhl, für Mütter mit Kinderwagen oder ältere und gebrechliche Menschen, die vielleicht auch früh in Stadt zum Beispiel zum Arzt fahren wollen.
Ortsvorsteher Heinz Wahlers zeigt sich am Telefon überrascht von dem Hinweis auf überfüllte Morgenbusse der Linie 2. Der Ortsbeirat habe sich mit dem Thema befasst, sei dabei aber auch auf die Aussagen der Stadtwerke angewiesen. Im Oktober habe man den Fahrplanänderungen zugestimmt, nachdem das Ganze recht spät gekommen sein. Man merkt Wahlers an, dass ihm das Thema und Problem irgendwie unangenehm ist.
Auch Christoph Rau von den Stadtwerken Marburg gibt sich überrascht am Telefon zum Hinweis auf überfüllte Busse auf Linie 2 nach dem Fahrplanwechsel. Der Fahrplanverantwortliche weist darauf hin, dass die Verkehrserhebungszahlen 2008 und Verkehrsbeobachtung 2010 den Veränderungen zu Grunde gelegt seien. „Die Busnutzung in Cappel ist niedriger“ sagt Rau und “ für die Linie 2 aus Cappel brauchen wir die nicht“ meint damit die größeren Gelenkbusse.
Ganz anderes berichtet diesbezüglich eine berufstätige Pendlerin in die Innenstadt. Vor der jetzigen Fahrplanumstellung sei es selbst in den größeren Gelenkbussen oftmals eng zugegangen. Eine in der neuen Siedlung Dünsbergstraße wohnende Kollegin, die ebenfalls täglich in die Stadtmitte fahren muss, habe sich wegen der verschlechterten Busverbindung ein Auto zugelegt, um damit zur Arbeit zu fahren. Eine andere Mitfahrerin erzählt von einer erfolglosen gemeinsamen Initiative dafür, dass auf der Linie 3 (die ebenfalls von und nach Cappel fährt) große Busse eingesetzt werden.
Für einige Busstrecken und Verbindungen in Marburg bringt der Fahrplan 2012 deutliche Verbesserungen. Das trifft für den Richtsberg zu, auch für die Lahnberge, von wo nunmehr in der Hauptverkehrszeit alle 7½ Minuten ein Bus in Richtung Rudolphsplatz fährt. Doch in Cappel sind unzumutbare Zustande geschaffen worden. Stadtverordneten, Ortbeiratsmitgliedern, und Fahrplanmachern der Stadtwerke sei eine Morgenfahrt mit der Linie 2 empfohlen. Aber bitte höchsten zwei Personen auf einmal – für die Aufnahme von mehr zusätzlichen Fahrgästen ist beim besten Willen kein Platz. Instruktiv und unübertrefflich ‚volksnah‘ wäre Mitfahren für den Oberbürgermeister. Der hat schließlich seinen Namen unter das Vorwort im Fahrplanheft gesetzt.
—> Fotoreportage einer Busfahrt am 13. Dezember