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Forscher der Universität Kassel entwickeln mehrgeschossige Gebäude aus Stroh

Marburg 22.12.2011 (pm) Bauen mit Stroh spart Energie und schützt das Klima. Forscher der Uni Kassel wollen mit Partnern aus Hochschule und Wirtschaft nun zeigen, dass man mit Stroh auch mehrgeschossige Gebäude errichten kann, die höchsten Energiestandards entsprechen. Ziel ist die Entwicklung eines marktreifen, technisch sicheren und qualitativ hochwertigen strohballengedämmten Holzbausystems, das den höchsten Energiestandards entspricht. Die so errichteten Gebäude sollen bis zu 13 Meter Höhe und bis zu 400 Quadratmeter Fläche erreichen können.

Zunutze machen wollen sich die Forscher dabei vor allem die hervorragenden Dämmeigenschaften des Strohs. Untersuchungen hierzu haben gezeigt, dass bei einer 36 cm dicken Strohballendämmung mit beidseitigem Lehmputz ein Wärmedurchgangskoeffizient (U-Wert) von ca. 0,11 W/(m^2*K) erzielt werden kann. Die Kriterien für Passivhäuser mit Wärmedurchgangskoeffizienten von 0,15 W/(m^2*K) werden somit unterschritten.

Für das Forschungsprojekt soll eine nicht-lasttragende Konstruktion entwickelt werden, bei der ein Ständerwerk aus Holz die Lasten der Dachkonstruktion und Zwischendecken trägt. Die Strohballen füllen die Lücken zwischen den Holzständern und umschließen so die Räume. Anschließend werden sie direkt mit Lehm oder Kalk verputzt und so vor der Witterung geschützt. Im Rahmen des Projekts sollen diese Bauteile bauphysikalisch und -technisch bewertet werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Untersuchung der Brandfestigkeit und der Gefahr von Schimmelpilzbefall innerhalb der Konstruktion.

Die im Forschungsprojekt untersuchte Bauweise setzt weitgehend auf erneuerbare, nachhaltige Materialien. Stroh, Holz und Lehm, die einzigen für den Rohbau benötigten Materialien, stehen nahezu unbegrenzt zur Verfügung. Während andere Dämmstoffe wie Polystyrol aus Erdöl gewonnen werden müssen, wachsen Holz und Stroh in der Natur, wobei sie bereits Kohlendioxid binden. Durch den hohen Wärmeschutz muss weniger geheizt werden, was zusätzlich Emissionen und Kosten spart. Außerdem profitieren Allergiker von chemiefreien Bauteilen, die für ein gesundes Raumklima sorgen.

Mit der Entwicklung dampfgetriebener Strohballenpressen im späten 19. Jahrhundert entstanden im Süden und in den holzarmen Gebieten der USA die ersten Häuser aus Stroh. Die Strohwände nahmen ohne zusätzliche Holzstützen die Last der Dachkonstruktion auf und leiteten sie in den Boden ab. Das erste zweigeschossige Strohhaus wurde 1936 errichtet – mit einem tragenden Holzständersystem und Stroh als Dämmstoff. Im Laufe der Jahre wurde Stroh als Baustoff allerdings zunehmend durch die aufkommenden standardisierten Massenbaustoffe verdrängt.

Im Rahmen des Forschungsvorhabens zur Entwicklung mehrgeschossiger strohgedämmter Häuser ist es die Aufgabe der Kasseler Forscher, ein neuartiges Nachweisverfahren für den Schutz der Strohballen vor Feuchtigkeit zu entwickeln. Bisher liegen dafür keine allgemeingültigen Kriterien vor. Mit dem Eindringen von Feuchtigkeit kann Stroh nicht nur rasch verrotten, es droht auch die Ausbreitung von Schimmelpilzen, deren Sporen für viele Allergiker zur Gefahr werden können.

Die Bewertung der Eignung erfolgte bisher anhand des voraussichtlichen Schimmelpilzwachstums in der Konstruktion. Jedoch gab es große Abweichungen zu den Gegebenheiten in der Praxis, bei denen nur selten ein Schimmelpilzwachstum auftrat. Deshalb sollen zur Ermittlung geeigneter Bewertungskriterien systematische Untersuchungen in Prüfständen und unter realen Bedingungen durchgeführt werden, um ein Nachweisverfahren zu erarbeiten, welches das Schimmelpilzwachstum in Abhängigkeit von der sich einstellenden Temperatur und Feuchte im Bauteil beschreibt.

In dem Projekt, das noch bis Juli 2013 dauern und von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) gefördert wird, sind neben der Universität Kassel die TU Braunschweig, ein Architekturbüro sowie mehrere Industriefirmen beteiligt.

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