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AStA kritisiert prekäre Marburger Wohnraumsituation aber Studentenwerk sieht Herausforderung mit relativer Gelassenheit

Marburg 4.1.2012. Zu Beginn des Neuen Jahres mahnt der AStA Marburg wirksame Massnahmen zur Bekämpfung des Wohnraummangels in Marburg ein. Das Sozialreferat der Vertretung für 21.597 eingeschriebene Studierende im Wintersemester 2011/12 begründet mit Verweis auf die monatelange Belegungszeit von Notunterkünften für Studienanfänger dringenden Handlungsbedarf. Zeitgleich hält eine Presseinformation des Studentenwerk Marburg dagegen. Die Einrichtung mit Kernaufgabe Wohnraum für Studierende zu schaffen und anzubieten versucht abzuwiegeln. Knapp 2.100 Wohnheimplätze bietet das Studentenwerk an. Also für nicht einmal für jede/n zehnte/n Studierende/n gibt es ein Wohnheimzimmer.

Studierende, die im Oktober 2011 ihr Studium an der Philipps-Universität Marburg begonnen haben, würden zum Teil immer noch in provisorischen Wohngelegenheiten leben, beklagt zunächst der AStA. Dem widerspricht das Studentwerk. Die Belegung von 50 (der insgesamt 67 vorhandenen) Notquartiere seit Oktober durch Studierende, die zum Semesterstart keine Bleibe hatten, sei inzwischen komplett geräumt, teilt das Studentenwerk mit. Die Belegung von Notquartieren „nur“ von Oktober bis Dezember veranlasst das Studentenwerk die Wohnheimsituation nunmehr als entspannt zu bezeichnen und dies als gute Nachricht im Neuen Jahr zu verkünden.

Martina Leblang, die Sozialreferentin des AStA Marburg sieht dies deutlich anders: „Weder Stadt noch Studentenwerk scheinen gewillt, akzeptablen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen oder gemeinsame Konzepte zu entwickeln, um die existentiellen Bedürfnisse der angelockten Studierenden zu erfüllen. Auch das Land zieht sich mit der Fortsetzung der Kürzungspolitik bei Studierendenwerken aus der Verantwortung.“ Betroffen von der schlechten Wohnlage in Marburg seien im Übrigen nicht nur Studierende, sondern alle anderen Menschen mit geringen Einkommen wie Familien, Erwerbslose, schlechter gestellte Migrant_innen, Obdachlose oder Asylbewerber_innen, sagt Leblang – gewissermassen mit Blick über den Gartenzaun rein studentischen Daseins hinaus.

Hendrik Gesthuysen, ebenfalls Sozialreferent beim Marburger AStA, ergänzt die Kritik: „Öffentliche Äußerungen vom Oberbürgermeister Vaupel, Stadt und Studentenwerk, in denen sie den offensichtlichen Wohnraummangel als nicht existent darstellen, sind unerträglich“ meint Gesthuysen. „Klare Fakten wie maximal ausgelastete Wohnheime, monatelang gefüllte Notquartiere oder horrende Mietpreise werden ignoriert“, beklagt der Studierendenvertreter.

Dass in Marburg enormer Bedarf an Wohnraum besteht, scheine bisher nur bei privaten Investoren angekommen zu sein. In den vergangenen Jahren seien fast ausschließlich überteuerte Appartementblöcke oder Objekte in unzumutbarer Lage geschaffen worden. Weder baue das Studentenwerk ausreichend neue Wohnheime, noch werde von der Stadt signifikant in den Sozialen Wohnungsbau investiert. Stattdessen würden Verantwortlichkeiten umhergeschoben, eine Auseinandersetzung mit der Situation bleibe aus.

„Der AStA Marburg fordert Land, Stadt und Studentenwerk auf, genügend bezahlbaren und zumutbaren Wohnraum für die in Marburg lebenden Menschen zu schaffen, statt Spekulationen auf Grundbedürfnisse das Feld zu überlassen!“ erklärt Gesthuysen weiter. Mit den doppelten Abiturjahrgängen und der Aussetzung der Wehrpflicht sind die Universitäten voll wie nie zuvor. Den Studierenden steht oft nur noch zu teurer, unzumutbarer Wohnraum oder Wohnungen weit auf dem Land zur Verfügung.

Es seien tatsächlich mehr Studierende auf Wohnungssuche in Marburg unterwegs gewesen als sonst, konstatiert auch das Studentenwerk. Mehr Anfragen nach Wohnheimplätzen als in den Vorjahren seien in der Wohnheimverwaltung des Studentenwerks eingegangen. Doch Chaos sei ausgeblieben, „die Situation konnte gut bewältigt werden“ heißt es weiter.

In den kommenden Semestern werden in Marburg wieder hohe und noch anwachsende Studierendenzahlen erwartet. Doppelte Abiturjahrgang 2012 und 2013 werden nach Einschätzung des Universitätspräsidiums in 2012 und 2013 für weitere starke Zunahme der Studierendenzahlen sorgen. Beim Studentenwerk sieht man jedoch diese Herausforderung mit relativer Gelassenheit: „Zum einen bauen wir aktuell im Studentendorf mit dem Max-Kade-Zentrum eine neue Einrichtung, in der auch 49 neue Wohneinheiten entstehen werden, zum anderen setzen wir in Marburg traditionell auf die Kooperation mit den Bürgern der Stadt, die als Vermieter vielen Studierenden Wohnraum bieten“, erklärt dazu Uwe Grebe, Geschäftsführer des Studentenwerks.

Das musste deutlichen Widerspruch auf Seiten des AStA hervorrufen. „Die Tatsache, dass erst drei Monate nach Beginn des Semesters die Notquartiere komplett geräumt werden konnten, ist aus unserer Sicht alles andere als eine gute Nachricht. Die lange benötigte Notlösung ist wohl eher der beste Beleg für die kritisierte katastrophale Wohnraumsituation. Die substanzielle Kritik an der Wohnungspolitik von Stadt, Studentenwerk und Land kann daher so stehen gelassen werden“, findet sich als Stellungnahme zu lesen.

Die späte Beendigung einer katastrophalen Situation als positive Erfolgsmeldung heraus zu geben, sei eine Frechheit, meint der AStA. „Dass viele Studierende monatelang ohne eigene Wohnung oder eigenes Zimmer waren, wurde diskret verschwiegen. Das Studentenwerk Marburg arbeitet hier nicht transparent, um sich möglicher Kritik zu entziehen.“

Wegen fehlender Informationen äußert AStA eine Vermutung. „Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass auf Wohnraum im Umland und qualitativ unzumutbaren Wohnraum ausgewichen werden musste.“
Der Studentenwerksgeschäftsführer hat auch dazu eine gelassene Sichtweise: „Wir hatten zu Beginn des aktuellen Wintersemesters einige private Wohnraumangebote, die aber gar nicht nachgefragt wurden, weil sie nicht direkt in der Kernstadt lagen. Das heißt: Wenn es gar zu voll wird in Marburgs Mitte, dann besteht immer noch die Option, auch in das mit dem Stadtbus erreichbare Umland auszuweichen“ meint Grebe.

Ob der Wohnheimbau des Studentenwerks ausreicht zukünftig weiter für wenigstens 10 Prozent der Studierenden leidlich bezahlbare Wohnheimplätze anzubieten, wird sich erweisen. Was Uwe Grebe vom Studentenwerk sagt, wenn bald 1.000 oder 1.500 zusätzliche Studierende kommen, wird wohl der AStA spätestens zur Einweihung des Max-Kade-Zentrums mit gerade mal 49 neuen Wohneinheiten anzufragen haben.

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