Marburger Monopohly – wie großes Geld eine kleine Stadt auf den Kopf stellt
Marburg 30.1.2012 (yb) Seit Tagen geht es in Marburg drunter und drüber. Wieder einmal geht es um einen Millionenbetrag. Dieses Mal sind es nicht andauernde Untreuehandlungen eines städtischen Beamten. Der Millionenbetrag ist glatt und rund, es sind exakt 4 Millionen Euro. Diese 4 Millionen sind Ende Dezember als Spende bei der Stadtkasse angekommen und vereinnahmt worden. Spender ist der reichste Mann der Stadt Marburg und ihr Ehrenbürger, Dr. Reinfried Pohl, Vorstandsvorsitzender der DVAG. Wozu also Aufregung, lässt sich fragen? Im Januar 2011 Nachricht von veruntreuten 1,6 Millionen Euro und im Dezember Eingang von 4 Millionen Spende.
Wenn es so einfach wäre, hätte der Kämmerer der Stadt Marburg, Oberbürgermeister Egon Vaupel, andere Wege des Umgangs wählen können. Hat er aber nicht. Egon Vaupel hat bis zum Vorabend der Stadtverordnetensitzung die Angelegenheit unter Verschluß gehalten. Der Name des Spenders blieb auf dessen Wunsch ungenannt. Auch in der nichtöffentlichen Sitzung vom Ältestenrat der Stadtverordneten, am 26. Januar 2012, haben die gewählten Parlamentarier und Vertreter der politischen Parteien nur ein Stück weit Kenntnis erhalten. Dann kam Marburgs Tageszeitung, die Oberhessische Presse, am nächsten Tag mit der Nachricht von der ‚anonymen‘ Millionenspende raus. Zu Beginn der Sitzung des Marburger Stadtparlaments am 27. Januar war noch klandestin, wohlkingender formuliert anonym, wer Geber dieser ungewöhnlichen hohen Spende gewesen ist. Wobei in Marburg die Zahl der Personen, die solchen Betrag spenden können, sehr begrenzt, nicht zu sagen einmalig ist.
Über einen Zeitraum vier Wochen hat es der Marburger Oberbürgermeister nicht hinbekommen das Stadtparlament und die Bürger/innen ordentlich zu informieren. So wurde es zur ‚mediale Beute‘ in Tageszeitung und danach einigen anderen Medien von einer anonymen Spende in Millionenhöhe in Marburg zu berichten. Nicht genug damit. Oberbürgermeister Vaupel hat nach seiner Teilberichterstattung im Ältestenrat es unterlassen am nächsten Tag das Marburger Stadtparlament ordentlich und grundständig aus eigener Initiative zu informieren. Stattdessen lag dort ein Dringlichkeitsantrag der Marburger Bürgerliste (MBL) auf dem Tisch, in dem Aufklärung und Information gefordert wurde – für diese Sitzung. Dieser Antrag wurde abgelehnt – und damit kam es bereits zur Fortsetzung in diesem ‚Marburger Monopohly‘ – mit den Stimmen von SPD und CDU.
Wochen zuvor und sofort nachdem Marburgs spendenwilliger Ehrenbürger die Viermillionenspende offeriert hatte, hielt Egon Vaupel (SPD) es für angezeigt einen Parlamentarier einzuweihen. Stellvertretend hatte er sich nicht etwa einen Genossen aus seiner Partei ausgesucht. Dafür hätte sich beispielsweise Stadtverordnetenvorsteher Heinrich Löwer – als Vertreter des Stadtparlaments – angeboten. Es war auch kein Vertreter der Marburger Grünen, mithin vom Koalitionspartner. Vaupel sprach exklusiv mit dem CDU-Stadtverordneten Roger Pfalz, in Funktion Vorsitzender des Haupt- und Finanzausschuss. Als dieser in der Sitzung der Stadtverordneten eilfertig dem Oberbürgermeister zur Seite sprang, war er Bock fett und die Marburger Spielart im ‚Monopohly‘ war in der zweiten Runde. Die GRÜNEN waren sauer und stimmten mit der MBL und der Fraktion Marburger LINKE für die Dringlichkeit dieser Angelegenheit.
Wer jetzt einen Bruch der rot-grünen Rathauskoalition erwartet, liegt nicht ganz daneben. Es gibt mit und seit der Stadtverordnetensitzung vom 27. Januar 2012 Spekulationen darüber. Darin genau erweist sich so etwas wie das informelle Regelwerk des ‚Marburger Monopohly‘. Es wird erst einmal nicht über die ungewöhnlich hohe Spende, deren Hintergründe, eigentliche Widmung und Berechtigung, gar die Frage der Angemessenheit, diskutiert. ‚Eigenwilligkeiten‘ des Stadtoberhaupts eröffnen zunächst einmal überhaupt deren Annahme und Vereinnahmung. Warum wollte denn der Spender unbedingt im Jahr 2011 sein Geld loswerden? Hatte das nicht Zeit bis Januar oder Februar? Warum ist Spender Pohl so kurzfristig damit in Erscheinung getreten, nachdem das politische Jahr mit letzten Stadtverordnetensitzung beendet war? Verbirgt sich hier Zufall oder Absicht?