Magistratsvorlage an das Stadtparlament zur 4-Millionen-Euro-Spende
Marburg 8.2.2012 (yb) Mit einer Vorlage an die Stadtverordnetenversammlung will der Magistrat der Stadt Marburg über Verfahren und Verwendung der Spende zugleich informieren und Orientierung geben. Dies findet sich umfangreich auf dem Portal der Stadt Marburg als ‚Aktuelle Nachrichten und Presseinformation‘ veröffentlicht. Neben der Magistratsvorlage und ihrer Begründung finden sich dort mehrere Anlagen, die zum Ablauf im Umgang mit der Spende informieren und den rechtlichen Hintergrund erläutern sollen. Mit dieser eigenen Veröffentlichung wird unübersehbar ein Weg beschritten allen Interessierten Transparenz in der Angelegenheit zu eröffnen. Für die Sitzung des Stadtparlaments am 24. Februar, vorhergehend die Ausschusssitzungen, ist damit ein grundständiger Weg zur notwendigen und unbestrittenen Einbeziehung der Stadtverordneten bereitet. Doch längst hat das Thema vor allem in den Medien eine schwierige Eigendynamik bekommen, in der eine Verstimmung zwischen SPD und GRÜNEN als Koalitionskrise nur eine Seite ist.
Widmung der 4 Millionen Euro für soziale und kulturelle Zwecke
In Veränderung der ursprünglichen Absicht von Spender Dr. Reinfried Pohl den Bau eines Schrägaufzuges zum Marburger Schloss zu fördern ist es nunmehr Spenderwille gemäß spendenrechtlichen und haushaltsrechtlichen Regeln und Vorgaben die Geldmittel für gemeinnützige, soziale und kulturelle Zwecke in Marburg verwenden zu lassen. Darüber hatte Oberbürgermeister Vaupel in der Stadtverordnetenversammlung am 27. Januar auf einen Dringlichkeitsantrag hin bereits informiert. In der Presseinformation vom 06.02.2011 ist zu lesen:
„Bei der Universitätsstadt Marburg ist am 28. Dezember 2011 eine Spende in Höhe von 4 Mio. € von Prof. Dr. Reinfried Pohl für gemeinnützige Zwecke eingegangen.
Ausdrücklicher Wunsch von Herrn Dr. Pohl war es zunächst, nicht als Spender öffentlich genannt zu werden oder in Erscheinung zu treten. Dieser Wunsch war zu respektieren.
Die ursprünglich von Herrn Dr. Pohl verfolgte Idee, die Spende für einen Schrägaufzug zum Schloss zu verwenden, wäre auf rechtliche Hindernisse im Spendenrecht und im Haushaltsrecht gestoßen. Das wurde dem Spender mitgeteilt. Herr Pohl wurde über die Möglichkeiten der Verwendung der Spende informiert.“
Zur Verwendung finden sich die 4 Millionen Euro mit mehreren Widmungen aufgeteilt:
500.000 Euro gehen an die Stiftung St. Jakob
500.000 Euro gehen an die Stiftung Heilige Elisabeth
1.000.000 Euro wurden im Ergebnishaushalt der Stadt verbucht, aufgeteilt in vier gleiche Beträge
– 250.000 Euro für ‚Sonstige schulische Aufgaben‘
– 250.000 Euro für ‚Kulturelle Förderung‘
– 250.000 Euro für ‚Kulturelle Veranstaltungen‘
– 250.000 Euro für ‚Kinder- und Jugendförderung‘
2.000.000 Euro wurden im Finanzhaushalt für ‚Sonstige schulische Aufgaben‘ verbucht.
Somit sind 3 Millionen Euro bei der Stadt vereinnahmt und stärken deren Liquidität. In der Widmung der Gelder bildet sich sowohl der Wunsch des Spenders ab, wie haushaltsrechtliche und spendenrechtliche Vorschriften und Vorgaben Beachtung gefunden haben.
Stadtparlament beschließt Annahme und Verwendung
Wie aufgezeigt und nachzulesen, haben Oberbürgermeister und Verwaltung (Kämmerei, Rechtsamt) im Benehmen mit dem Spender diese formelle und verwendungsbezogene Handhabung eröffnet. Darüber zu beschließen hat die Stadtverordnetenversammlung, bis hin zur Frage nach Annahme der Spende. Diese ist im Zuge der umfangreichen Veröffentlichungen in vielen Medien aufgeworfen worden. In der Sache hat es Stellungnahmen von SPD, GRÜNE und Marburger LINKE gegeben, dazu passieren Beratungen und Gespräche.
Der Magistrat empfiehlt und begründet sowohl Annahme wie auch Verwendung der Spende und hat damit eine Vorgabe gesetzt. Dass dabei Recht und Gesetz gelten und walten ist grundlegende Voraussetzung, kann nicht seriös in Frage gestellt werden. Gefordert sind jetzt alle Stadtverordneten in den verschiedenen Parteien und Fraktionen.
In der Marburger Lokalpresse wurde bereits vermutet und kolportiert, dass SPD, GRÜNE und CDU für die Annahme der Spende stimmen würden. Angesichts eines Haushalts im laufenden Jahr mit rund 20 Millionen Euro Neuverschuldung würde die jetzige Widmung der Gelder eine erheblich Entlastung und Stärkung der Finanzsituation bewirken. So wird mit Interesse zu beobachten sein, wie sich die verschiedenen Parteien positionieren und welche Betrachtungen und Argumente dabei angeführt werden.
Der Magistrat hat vorgearbeitet, das Parlament ist am Zuge und ist für Marburg in eine Debatte geworfen, in der das Schlagwort „Milliardär Pohl“ ständige Verwendung in der Tageszeitung gefunden hat. Das befeuert nicht wenig Ressentiments und Verteilungs- und Gerechtigkeitsfragen im Allgemeinen. Diese gibt es wachsend in unserer Gesellschaft. Ob jedoch solche Vermischung der Situation in Marburg und konkret der Absicht des Spenders gerecht wird, soll als Frage hier aufgeworfen werden.
Darüber hinaus gehend sollten Fragen zur politischen Kultur und zum Umgang mit Spenden diskutiert werden und Positionen formuliert werden. Das ist überhaupt nicht einfach, hat aber offenbare Veranlassung in Marburg erhalten. Alleine mit Annahme und einem Dank an den Spender wird es nicht getan sein. Die Politik hat ihre Positionen und ihre Unbefangenheit zu erklären und zu unterstreichen. Wenn dies andernorts nicht gewollt und nicht geleistet wird, braucht dies in Marburg jedenfalls niemanden abhalten.
Wenn SPD und GRÜNE weiter gemeinsam in Marburg regieren und gestalten wollen, sind sie zuerst und zumeist gefordert. Schlecht wäre es Diskussionen vermeiden oder verkürzen zu wollen und sich (weiter) von Medien vorführen zu lassen. Eine außergewöhnlich hohe Spende wirft nun einmal Fragen auf. Der Umgang damit und deren Beantwortung ist eine anspruchsvolle Herausforderung.