Dem im Raume stehenden Gespenst einer käuflichen Marburger Politik begegnen
Marburg 9.2.2012 (red) Nachstehend veröffentlicht das Marburger. eine Stellungnahme zur aktuellen Diskussion um den Umgang mit der Millionenspende vom Vorsitzenden der Marburger Bürgerliste (MBL) wörtlich:
Mit dem Dringlichkeitsantrag der Marburger Bürgerliste in der Stadtverordnetenversammlung vom 27. Januar der Aufklärung und Information über die Spende forderte, wurde die Spende in die parlamentarische und öffentliche Diskussion gebracht und prompt mit den Stimmen von CDU und SPD abgelehnt. Trotzdem gab der Oberbürgermeister einen kurzen Bericht zum zeitlichen Ablauf und den Hintergründen der Spende. Statt dem Antrag zuzustimmen und den Punkt auf die Tagesordnung zu nehmen, provozierte der OB den grünen Koalitionspartner durch den Schulterschluss mit der CDU und insbesondere mit dem Vorsitzenden des Haupt- und Finanzausschusses Roger Pfalz, der in seiner Gegenrede zum Antrag schon mal den künftigen Bürgermeister gab.
Das Auftreten der großen Koalition in der Frage der Spende war der Sache nicht angemessen und nur dazu geeignet Vorbehalte zu schüren. Die politischen Spiele von rot/schwarz resultierten aus falsch verstandener Solidarität gegenüber dem Spender, schadeten dessen Ansehen und dem der Marburger Politik.
Der erfolgreiche Geschäftsmann und Spender hat in der Vergangenheit viel Gutes für Universität und Stadt getan. Geschäftliches Interesse und soziales Engagement begründen seine Handlungsweise und seine Aktivitäten in und für Marburg. Wertfrei muss festgestellt werden, dass Geld und insbesondere viel Geld auch immer Einfluss auf Politik hat. Das gilt in der Welt- und Bundespolitik bis hin zur kleinsten Kommune. Aufgabe der Politik ist, mit Augenmaß und unabhängig Interessen Einzelner gegen das Gemeinwohl abzuwägen und den Menschen gegenüber Glaubwürdigkeit zu bewahren. Vertrauen in die Politik und die Politiker ist das Fundament unserer Demokratie.
Hier setzt die Kritik an Oberbürgermeister Egon Vaupel und sein Gutsherrengehabe an. Er ist nicht Marburg sondern er wurde als Oberbürgermeister aller Marburgerinnen und Marburger mit großer Mehrheit gewählt. Er muss das Vertrauen, das ihm entgegengebracht wurde, rechtfertigen.
Beim Umgang mit der Großspende zeigt er bemerkenswerte politische Instinktlosigkeit. Sein Auftreten gegenüber dem Parlament einschließlich seiner Koalitionsfraktionen in diesem Zusammenhang ist indiskutabel und seine oberlehrerhafte Aufforderung in der neuesten Beschlussvorlage des Magistrats, das Parlament solle sich gefälligst für die Spende bedanken, ist fehl am Platze. Genauso wie der Persilschein, den er sich von seinem Rechtsamt hat ausstellen lassen.
Parlamentarier über die Presse bzw. über die Internetseite der Stadt zu informieren, ist nicht nur schlechter Stil, sondern zeugt auch von Missachtung des Parlaments, dem letztlich die Verantwortung und Entscheidung für den Umgang mit der Spende obliegt.
Die Entscheidung über die Annahme der Spende kann sich kein Mitglied des Stadtparlaments leicht machen. Viele Entscheidungen im Zusammenhang mit den geschäftlichen und baulichen Aktivitäten der DVAG in Marburg wurden im Stadtparlament getroffen. Von geänderten Bebauungsplänen bis hin zur Benennung von Straßen wurde im Parlament abgestimmt in unabhängiger und wohlbedachter Abwägung von den Interessen eines Einzelnen und den Interessen der Stadt.
Mit der Spende hat sich für mich als Stadtverordneter die Situation verändert. Bin ich noch frei in meinen Entscheidungen? Objektiv gesehen vielleicht, moralisch nicht. Ich kann nicht mehr unabhängig entscheiden, wenn Geld geflossen ist. Erschwerend kommt hinzu, dass der Oberbürgermeister das Parlament praktisch vor vollendete Tatsachen gestellt hat und sein Umgang mit der Spende in der Außenwirkung katastrophal war. Das hat die MBL auch in überregionalen Medien deutlich zum Ausdruck gebracht.
Ist die Spende wohlmöglich eine Belohnung für vergangene Entscheidungen oder ist sie ein Vorschuss auf kommende Beschlüsse? Wie kann man dem ab jetzt im Raume stehenden Gespenst einer käuflichen Marburger Politik begegnen? Diese Fragen werden mich in der Zukunft bei der Parlamentsarbeit stets begleiten.
Eine geringere Neuverschuldung der Stadt, die uns genauso viel Spielraum im städtischen Haushalt gegeben hätte wie die Spende, wäre für mich der bessere Weg gewesen. Gleichwohl gilt meine Hochachtung der Spendenbereitschaft des Marburger Bürgers.
Dr. Hermann Uchtmann, Vorsitzender Marburger Bürgerliste